Ein Mascaron in Glaadt

Hubert Pitzen, Stadtkyll

 

Eigentlich eher zufällig gewahrt man an der Außenwand eines Hauses in der Glaadter Burgstraße ein mysteriöses Überbleibsel aus alter Zeit. Aus einer Aussparung des neu mit Platten verkleideten Hauses starrt uns ein fratzenähnliches Gesicht aus Buntsandstein entgegen; Kindern mag dieser Kopf einen Schreck einjagen. Wie gelangte dieser Stein in die Hauswand und welche Bedeutung hat das Gesicht?

Die räumliche Nähe des Hauses zur ehemaligen Glaadter Burg führt bereits auf eine erste Spur. Zum Bau des einen oder anderen Hauses in Burgnähe hat man auch Steine der Burgruine (abgebrannt 1737) benutzt. Sicher hat ein Maurer diesen besonderen „Stein", den er ja in nächster „Nachbarschaft" fand, aus einer Laune heraus vermauert.

Aber welche Bedeutung hatte der zur Fratze behauene „Stein"?

Es handelt sich um ein Maskenbild (frz. Mascaron), das sicherlich über dem Toreingang der Glaadter Burg vermauert war. Das fratzenhaft, dämonisch abstoßende Gesicht fand somit als Abwehrmittel gegen Feinde und böse Geister Verwendung.

Gerade das Durchschreiten eines Tores bedeutet das Eintreten in einen anderen Bereich, der Schritt aus einer Welt in eine andere. Nach den häufig zitierten Aussprüchen „Das Tor ist der einzige Ort, durch welches Angreifer bei schlechter Bewachung ohne Gewalt eindringen können" oder „Das Tor ist eine gefährliche Unterbrechung der Mauerlinie, eine prädestinierte Bresche", ist es klar, daß man sich um diese Schwachstelle im Verteidigungssystem schon immer bemüht hat.

Bereits in der Antike hat man sich nicht nur auf seine eigene Verteidigungsbereitschaft und sein Verteidigungskönnen verlassen, sondern das Tor unter den Schutz eines höheren Wesens oder einer sagenhaften Gestalt gestellt. Als klassische Abwehrsymbole galten bei den alten Völkern Tiergestalten wie Löwen, Schlangen, Drachen oder stierähnliche, geflügelte Fabelwesen.

Im Mittelalter fand die Skulpturtechnik der Antike ihre Wiedergeburt, indem man Masken an Toren und Portalen eine Schutzfunktion zuerkannte wie zum Beispiel die Neidköpfe an gotischen Burgen. In der Renaissance entstanden an Fassaden und als Schlußstein über Gewölben phantastische Maskenbilder, Mascarons, mit dem Zweck, Geister und Dämonen zu bannen. Besonders in der Steiermark findet man Mascarons an Schlössern, Stadtpalais und Bürgerhäuser als Portalplastik vor.

Das Glaadter Mascaron trägt teils menschenähnliche, teils löwenkopfartige Züge. Die nur im Ansatz erkennbare Haartracht erinnert an eine Löwenmähne. Besonders auffallend sind die stark hervortretenden Augenwülste und die starren Glotzaugen. Die breite Nase, die geschweiften hasenschartenähnliche Lippen mit herabhängenden Mundwinkeln erinnern ebenfalls stark an die Mundpartie eines Löwen.

Bei der so auffallenden Darstellung des Auges spiegelt sich sicherlich der Symbolwert des Auges wider. Das Auge ist gleichzeitig Spiegel der Seele und Wahrnehmungsorgan.

So wie das Glaadter Maskenbild zeigen die meisten Mascarons ernste, abweisende Gesichtszüge. Es handelt sich oft um bärtige Typen mit hervorquellenden Augen, breiten Nasen, betonter Nasolabialfalte und halb geöffnetem Mund. Die Mascaron-Physiognomie gliedert sich in drei Hauptgruppen; ernst bis bösartig, heiter und krankhaft wirkende Typen.

Im Frühjahr 1992 hat man im Glaadter Burgbereich den Wassergraben wieder hergerichtet und den Zugang zum Burghof dorthin verlegt, wo er eigentlich einmal war. Genau dort hat sicherlich das Mascaron den Zugang zum Burgbereich, in ein Burgtor eingemauert, „beschützt".