Der Schwarze Tod im Kreis Daun

Alois Mayer, Daun-Pützborn

 

Heute noch, wo die Pest nirgendwo mehr eine Gefahr darstellt, erschaudern Menschen bei bloßer Nennung des Wortes. Dumpfe Vermutungen und überlieferte Berichte lassen diese einstige Seuche nicht aus dem Gedächtnis verschwinden. Zahlreiche Pestkreuze und -heilige, Gelübde und geweihte Kapellen legen noch Zeugnis ab von jener entsetzlichen Krankheit, die vor Jahrhunderten wütete und unsagbar viele Menschenleben forderte.

Seit dem Altertum bis in die Neuzeit ist die Pestkrankheit nachweisbar. In der Eifel jedoch wirkte sie sich in aller Härte besonders während des 14. bis 17. Jahrhunderts aus.

Pesttod und religiöser Wahn

Infolge einer Pestseuche, die sich seit 1347/48 ausbreitete, starben in Mitteleuropa rund ein Drittel der Bevölkerung. Von Asien ausgehend verbreitete sie sich in einer Zangenbewegung über Kärnten und Steiermark im Südosten und das Rhonetal im Südwesten durch ganz Mitteleuropa. Die Beulenpest entwickelte sich zur Lungenpest, deren Sterblichkeitsrate bei 100 Prozent liegt.

Dieses Massensterben begriffen die Menschen als Strafe Gottes. Sie konnten dem Schwarzen Tod nichts anderes entgegensetzen als eine alte Büßertechnik, die um 1350 in einer religiösen Hysterie, der sogenannten Geißlerbewegung, ihren Höhepunkt erlebte. In großen Umzügen zogen Männer, meist aus ärmeren Bevölkerungsschichten stammend, singend und tanzend durch die Lande und schlugen sich selbst oder gegenseitig mit Riemenpeitschen oder Stöcken den nackten Oberkörper blutig, um so Gott zu besänftigen. Da diese Buße den Seuchentod nicht aufhielt, entlud sich die Hilflosigkeit und Massenhysterie in extremen Judenverfolgungen. Die Pogrome begannen mit der Behauptung, Juden hätten das Wasser vergiftet, um die Christen zu töten. Äußerst schnell drangen solche Gerüchte durch alle deutschen Lande, wurden als Erklärung begierig aufgegriffen und führten in allen deutschen Städten, mit Ausnahme von denen in Böhmen und Mähren, zu Massenmorden jüdischer Mitbewohner durch verängstigte und fanatisierte Bürger.

Nüchternes Lexikon

Bubonenpest oder Beulenpest: Die Erreger gelangen durch Infektion von Kratzwunden und dergleichen mit Eiter, Sekreten von Pestkranken oder durch den Stich infizierter Flöhe in den Körper. Es kommt zu entzündlichen Schwellungen, zum Teil auch zur Vereiterung der benachbarten Lymphknoten (Bubonen), an die sich in schweren Fällen eine Überschwemmung des ganzen Körpers mit Pestbazillen, die meist tödliche Pest, anschließt.

Lungenpest: die Erreger gelangen durch Einatmung von infektiösem Material (Tröpfcheninfektion von hustenden Kranken) in die Lungen, rufen Lungenentzündung und eine Allgemeininfektion hervor, die fast stets innerhalb von 2-3 Tagen zum Tode führt. Die auch wegen leichter Übertragbarkeit besonders bösartige Lungenpest entsteht oft infolge Begünstigung der Ansteckung durch enges Zusammenwohnen bei unhygienischen Verhältnissen im Verlauf von Epidemien. (Großer Herder, 1955)

Krieg und Pest

Die Auswirkungen und Todesfälle jener spätmittelalterlichen Pest waren ebenfalls für die Eifel verheerend, auch wenn sie relativ dünn besiedelt war und sich auch nur wenige Urkunden und Berichte finden.

Zahlreichere Belege liefert die wohl entsetzlichste Pestepidemie des 17. Jahrhunderts, die die Eifel jemals erlebte und die sie mehr als dezimierte.

So schreibt Pastor Bormann über den Westeifelraum:

„Im Jahre 1604 verwüstete die Pest die Provinz und raffte eine bedeutende Anzahl von jedem Geschlecht, Alter und Stande dahin. Im Monat Juli 1621 ließ sie sich heftig ... aus, und die Atmosphäre war so angesteckt, daß man mit Recht fürchtete, alle würden daran sterben. Den Bürgern ... war daher aller Umgang mit den übrigen Bewohnern der Provinz untersagt" (B.l, 145).

1618 begann der 30jährige Krieg. Hin und her zogen plündernde und marodierende Söldnerhaufen, hinter sich eine breite Spur des Grauens und der Vernichtung lassend, über die dann die Pest Einzug und reiche Ernte hielt. „Von den 12 Millionen Toten des 30jährigen Krieges fallen mehr auf das Konto der Pest, als auf das der Schlachten", schreibt der Große Herder, 1955.

„Im Jahre 1623 habe diese Krankheit ebenfalls das Kloster Prüm erreicht, und es seien zwei Mönche daran gestorben. Aus diesem Zeugnis sieht man, daß diese Gegend zu wiederholten Malen von der Seuche heimgesucht worden. Gleich beim Anfang zeigt sich die Seuche durch gar nicht aufzuhaltende Kopfschmerzen, wozu sich sogleich ein innerlicher Brand in den Eingeweiden, Abführen und Erbrechen gesellte. Gewöhnlich war in 24 Stunden oder nach kürzerer Zeit das Opfer dahingerafft. Bald nach dem Absterben wurden die Leichen ganz schwarz. Dieselbe wird heute noch unter dem Volk durch die Ausdrücke „die Kränkt", „die schwere Not, der schwarze Tod" in Erinnerung gebracht" (B.l, 146).

Seit Anfang des 30jährigen Krieges lagen Spanier in Trier. Die unglückliche Politik des Kurfürsten Philipp Christoph von Sötern brachte es mit sich, daß diese am 30.8.1632 den Franzosen weichen mußten. Die Franzosen hinwiederum mußten am 25.3.1635 den Spaniern das Feld räumen. Seit Anfang der Kriegswirren herrschte in Trier die Ruhr. Es kamen schon manche Fälle von echter Bubonenpest vor, denn sie herrschte schon im Jahre 1631 in erschreckendem Maße in der Umgegend und besonders an der Mittelmosel. Schon 1632 ordnete der Erzbischof, weil die Stadt Trier und das übrige Land von der Geißel der Pest schwer heimgesucht sei, zu Liebfrauen in Trier ein zwölfstündiges Gebet an; alle anderen Städte und Dörfer sollten dann dem Trierer Beispiel folgen. Wenigstens aber müsse überall, um den Zorn Gottes abzuwenden, ein Hochamt gehalten werden. (Blatteau, III Nr. 15; Schüller)

Am schlimmsten waren die Jahre 1636/37, in denen diese blitzschnell um sich greifende Seuche im Dauner Raum die Bevölkerung dezimierte, ganze Familien ausstarben, Weiler verfielen und Ortschaften verödeten. Es war die Bubonenpest, untermischt von Ruhr und Flecktyphus.

„In etlichen Ämtern sind die Untertanen ganz und zumal gestorben, in anderen beinahe der halbe Teil"... Kaum der dritte Teil der Untertanen ist noch übrig und in höchster Not." (J. Baur, Philipp von Sötern, Speyer 1914)

Gebet und Gelübde

Die Pest, in der man die strafende Hand Gottes für menschliches Fehlverhalten sah, konnte im Glauben der Bevölkerung nur durch Gebet und Fasten, durch Gelübde und Wallfahrten bekämpft werden.

In Lissendorf gingen „wegen des großen Sterbens 1635 die Leute mehrere Male zur hl. Kommunion, aber noch nach dem Friedensschluß konnte 1649 die Osterkommunion erst an Pfingsten gehalten werden, weil lothringische Truppen dies verhinderten" (Schug, 323).

Besondere Verehrung erfuhren dabei die bei den Bauern stets bekannten und beliebten Volksheiligen, wie Rochus, Luzia und Sebastian. Der Pestheilige Rochus wird und wurde in Arnulphuskirche (bei Walsdorf; heute untergegangen), Beinhausen, Dockweiler, Dohm, Esch, Flesten, Gerolstein, Kalenborn, Lissendorf, Mannebach, Meisburg, Michelbach, Müllenbach, Oberbettingen, Roth, Tettscheid, Uess (= Rochusglocke), Weinfeld, Wiesbaum verehrt. Sogenannte Rochusbruderschaften oder „Notmessenbruderschaften" gab es „wegen böser Pest- und Kriegszeiten" in Dockweiler und Kelberg.

In Kelberg wurde an diesem Tage an Arme und Bedürftige 1 Malter 4 Maß Frucht verschenkt. Auch in Uess erhielten die Notleidenden der Pfarrei die gesammelten Spenden und Opfer. Der Pestheilige Sebastian wird und wurde um Beistand angerufen in Arnulphuskirche (bei Walsdorf; heute Wüstung), Beinhausen, Birres-born (= Bruderschaft), Darscheid, Daun (besaß Reliquie des Heiligen), Dockweiler (Bruderschaft), Esch, Essingen, Flesten, Gerolstein, Hillesheim (Sebastianglocke und -bruderschaft), Kelberg, Kerpen (= Bruderschaft), Lissendorf (1632 Gründung einer Sebastianusbruderschaft), Mannebach, Mehren (Bruderschaft), Mirbach, Mürlenbach, Niederbettingen, NiederStadtfeld (Bruderschaft), Roth, Salm, Uess, Wallenborn, Walsdorf, Weidenbach, Wiesbaum. „Damals entstand der noch heute in Densborn heilig gehaltene, auf einem Gelübde beruhende Brauch, zum Dank für das Erlöschen der Pest am Fest des heiligen Sebastian bei Wasser und Brot zu fasten" (Oster 543).

Pestarzt beim Beulenaufschneiden Holzschnitt: Hans Folz, Nürnberg 1482

Hoch verehrt wird ebenfalls die heilige Luzia. Sie wird angefleht bei Pest und besonders bei der oft tödlich verlaufenden Ruhr. In ihrer Beliebtheit als Seuchen- und Wetterheilige verdrängte sie sogar die einstige Hauptpatronin Maria in Mürlenbach und ist vertreten in den Kirchen und Kapellen von Gönnersdorf, Leudersdorf, Lissendorf, Lissingen (Sebastian- und Luziakelche) Mirbach, Mürlenbach, Pelm, Waldkönigen, Weidenbach. Die Uesser haben - mit einer Bruderschaft - ihr auch zwei Glocken geweiht.

Neben religiöser Zuflucht suchten aber auch viele ihr Glück und Heil im Aberglauben, bei Gauklern und Schwarzkünstlern, die betrügerisch die Not der Menschen schamlos ausnutzten. Die Angst und ohnmächtige Verzweiflung der „Kränkt" gegenüber ließen viele in stumpfe Resignation oder in blinden Hexenwahn mit seinen menschentötenden Verfolgungen fallen. In Esch hatten sich „Menschen zusammengetan, um ihres Heiles sicher zu sein gegen Tod, Pest, hangende Krankheit, sonderlich der Zauberei samt ihren Vergiftungen..." Sie gründeten am 16.9.1628 die Todesangstbruderschaft. Als Dank für die Bewahrung vor der Pest wählte man den Hauptfesttag des hl. Rochus, an dem das Allerheiligste von morgens 4 Uhr bis 7 Uhr abends exponiert war." (Schug 196f)

Noch lange nach dem Ende des 30jährigen Krieges und dem Abklingen der Pest ordnete der Trierer Erzbischof Johann Hugo in einem Rundschreiben als Hilfe gegen die Pest an: „Bei den am Firmamente des Himmels sich hervorthuenden seh röcklichen Zeichen, welche als die Vorboten der Wirkungen des göttlichen Zornes über die Sünden der Menschen um so mehr anzusehen sind, sollen in allen Städten, Flecken und Dörfern an allen Sonn- und Feiertagen, und in den Städten und Flecken, in so fern es thunlich ist, auch an allen Mittwochen, die Pfarrer und Seelsorger einen feierlichen Gottesdienst, - mittels Aussetzung des hochwürdigsten Sakramentes des Altars,... Ermahnung des Volkes zu aufrichtiger Bußfertigkeit, und mittels öffentlicher inbrünstiger Vortragung beigefügter Gebete und bezeichneter Litaneyen - veranstalten, um von der Barmherzigkeit Gottes die Abwendung der drohenden Landplagen zu erflehen, so wie durch Bereuung der Sünden und wirkliche Lebensbesserung die göttliche Gnade zu erringen." (Scotti 255).

 Zahlreiche Pestkreuze sind noch im Kreis Daun zu finden, eine Vielzahl auch bei Drees. Über sie steht in der Schulchronik zu lesen:

„Drees wurde einst ein Raub der durchziehenden Heeresabteilungen. Von diesen Plünderungen und Verwüstungen geben verschiedene Kreuze an dem Wegen nach Baar Zeugnis. 1646 kamen die Feinde in die hiesige Gegend und plünderten alles. Die Einwohner aber hatten das Geld vergraben und schienen selbst durch die schwersten Härten nicht zu bewegen zu sein, dasselbe herauszugeben. Endlich erklärten sie sich bis auf zehn Einwohner bereit, ihrer Ersparnisse herauszugeben. Diese zehn Hartnäckigen band man an die Schwänze der Pferde und schleppte sie bis an den Weg nach Baar, wo alle zwanzig bis fünfzig Schritt einerniedergeschossen wurde. Zum Andenken an diese Greueltat ließen die Verwandten diesen so schrecklich ums Leben gekommenen Vorfahren an diesen Stellen Kreuze errichten. Alle tragen die Jahreszahl 1646." Sehr bekannt ist die Sage vom „Spitzen Kreuz" bei Kelberg. Die Pesttoten von Bodenbach wurden während der Nacht mit einem Pestkarren nach Kelberg gebracht. Das halbe Dorf war schon ausgestorben, als in jener Nacht der Leichenfahrer beim Anblick Kelbergs im „Suhr-Bösch" das Gelübde tat, falls dieser Tote der letzte des Dorfes Bodenbach wäre, wolle er an dieser Stelle ein Kreuz errichten lassen. Sein Flehen wurde erhört und der treue Bodenbacher hat sein Gelübde erfüllt.

Leute essen Aas und Leichen

„Die Hungersnot war 1636 in den Rheinlanden so heftig, daß man außer dem Fleisch von Pferden, Eseln, Hunden, Katzen und Mäusen sich auch an menschlichen Leichen vergriff. Ein Jesuitenpater aus Trier schreibt, daß sie von 600 Einwohnern eines Dorfes nur mehr etwa 20 am Leben gefunden, und da Getreide und andere Nahrungsmittel fehlten, hätten jene an 200 Hunde verzehrt und eine Mutter ihr eigenes Kind geschlachtet..." (Leonardy,770).

Eine anschauliche und heute noch Gänsehaut erregende Schilderung liefert uns der protestantische Pfarrer Johann Daniel Minck aus Großbiberau in Hessen. Am Ende des 30jähri-gen Krieges schrieb er eine Chronik über die Ereignisse in seiner Gemeinde während der Kriegsjahre. Dieser redaktionell bearbeitete Bericht ist so allgemein gültig und zeittypisch, daß er ebenfalls getrost auf die Zustände im Dauner Raum übertragen werden kann:

„Anno 1634: Dieses Jahr ist ein recht gefährliches und für alle ein betrübtes und höchstschändliches Jahr gewesen. Die Kaiserlichen kamen in unser Land und raubten und verwüsteten alles so weit, daß weder Rind noch Pferde, Schweine, Federvieh oder der gleichen Städten und Dörfern übrigblieben.

Kein Mensch durfte sich auf dem Land blicken lassen, ihm wurde nachgejagt wie einem Wild, er wurde ergriffen, unbarmherzig geschlagen, nackt an den heißen Ofen gebunden, aufgehängt, mit Rauch erstickt, mit Wasser und Jauche getränkt, was die Soldaten den Leuten aus Zubern in den Mund schütteten und mit Füßen auf ihren dicken Bäuchen herumsprangen. Dieser barbarische Trunk wurde der „schwedische Trunk" genannt.

Wegen dieser Tyrannei und weil es auf dem Land keine Lebensmittel mehr gab, waren sämtliche Dörfer von allen Bewohnern verlassen. Anno 1635: Nachdem nun das ganze Land ausgeplündert war und kein Rind oder Pferd mehr vorhanden, wurde auch keine Sommerfrucht ausgesät.

Inzwischen und neben den anderen Kriegsschrecken schickte Gott uns eine Pest, an der viele starben, die schon zu Beginn des Jahres anfing, aber im Frühling, als es wärmer wurde, noch viel schlimmer wütete, so daß die Leute schnell und haufenweise daran starben und man konnte sie nicht ordentlich begraben.

Da starben viele Leute auf dem Land, so daß niemand von ihrem Tod etwas wußte, darum blieben sie oft lange Zeit unbeerdigt liegen, so daß sie verfault und voller Würmer waren. Es lagen oft Kranke mit den Toten in einem Bett. Die Krankheit dauerte bis zum Herbst, was zwar keine lange Zeit ist, jedoch starben so viele Menschen auf dem Land, so daß kaum der zwanzigste Teil, in mehreren Dörfern aber überhaupt niemand übrigblieb. Der Hunger trieb die Leute so sehr, daß sie Aas fraßen, wo immer sie welches finden konnten. Hunde und Katzen sind Leckerbissen gewesen. Frösche und Kröten haben sie mit allem Unrat ohne Salz, Schmalz und Gewürz, nur gekocht oder geröstet in großer Menge gegessen. Zugemüse waren Nesseln, allerhand gute und schlechte Krauter und Pilze, giftige und ungiftige, wovon die Leute oft große Schmerzen und langwierige Schwachheit bekamen.

Durch diesen Hunger ging es vielen Leuten so schlecht, daß sie nichts als Haut und Knochen waren, die Haut hing ihnen am Leib wie ein Sack, sie waren ganz schwarz-gelb, mit weiten Augen, krätzig, aussätzig, dick geschwollen, fiebrig, so daß es einem grauste, sie anzusehen."

Harte Notjahre

Noch viele Jahre nach dem Abklingen der Pest und dem Ende des Dreißigjährigen Krieges sind im Westeifelraum allüberall die Leiden und Nachwehen jener entsetzlichen Zeit spürbar. Eine Vielzahl von Urkunden und Berichten in (Pfarr)Chroniken erzählen von der Qual der Bevölkerung. Rechnungen und Berichte künden immer wieder von „widerwertigen Kriegsund Sterbzeiten", von „Verderben, versterben vnndt verreysen", von pfleglos liegenden Gütern, von ausgestorbenen Häusern und Weilern, von verarmten Bauern, die keinen Zehnten, Zinsen oder sonstige Abgaben mehr leisten konnten.

1632 brannte Stadtkyll mit der Kirche bis auf drei Häuser durch den Mutwillen der Soldaten des gräflichen Kaiischen Regiments gänzlich ab (Oster 900f).

Häufig suchten die Patres von Niederehe Zuflucht in der Kerpener Burg. „Die Kriegszeiten vertrieben 1642 den Prior mit seinen Hausgenossen aus dem Kloster... Auch 1644 schweiften Lothringer durch die Gegend und plünderten im Kloster (Schug 393f).

In Hillesheim überfielen am 28.7.1642 hessische Truppen die Stadt, plünderten sie, töteten sechs Bürger und den „Juden" und führten sechs Geiseln mit sich (Meyer, 57).

1644 flüchteten die Bauern rund um Demerath hin zum keltischen Ringwall, der „Steineberger Ley", um dort Versteck und Schutz zu finden. Doch vergebens. Lothringische Soldaten spürten die Geflüchteten auf und metzelten sie alle nieder. Von dieser „Schlacht bei Steineberg" schrieb am darauffolgenden Tag Pastor Johann Scheid, Weinfeld: „... kan hiebey unberichtet nit laßen, waß gestalt gestern morgen, alß eine starke lotharingische Parthey bei Demerad die von verschiedenen Dörffern geflüchteten Leuth und Viehe angefallen, auch übermeistert, under anderen darüber entleibten Underthanen der Herr Pastor zu Wollmerod unschuldig und jämmerlich ums Leben kommen.... Dhaun, den 12. Juny 1644." Noch um 1900 wurde in der Pfarrkirche zu Mehren eine Messe für „die Erschlagenen zu Steineberg" gelesen.

In Lissendorf verbrannten Feinde 1648 die Kirche. Die Visitationsberichte dieser Jahre zeigen in steigendem Maße die Nöte und furchtbaren Folgen des großen Krieges: erbrochene Altäre, geraubte Kelche, schlechte Paramente, durch die Armut der Bevölkerung verlorene Renten und Zinsen, schlechte Pfarrhäuser.

Im 30jährigen Krieg raubten die Soldaten besonders gern Kirchensachen, sie sie anschließend gegen Geld wieder von der Gemeinde auslösen ließen. 1635 legte der Prior von Niederehe an spanische Soldaten 213 Gulden für das Amt Kerpen vor. „Der Hillesheimer Dechant und Pastor mußten sich loskaufen und erhielten erst mit bedeutenden Opfern die von den Hessen geraubte Monstranz zurück" (Meyer, 57). 1652 wird berichtet, daß die Kirchengeräte in der Kapelle Lissingen zerstört sind; die Bauern können den Zehnten nicht mehr liefern „wegen der Verwüstung", der Friedhof ist nicht ordentlich geschlossen, die Kelche können nicht mehr gebraucht und der Zehnt kann nicht mehr geliefert werden. (Oster 529 f).

Kirchenvieh, -bienen, -schafe wurden erbarmungslos abgeschlachtet, weggetrieben oder getötet. Bürgerwehren und Schützen versuchten gegen Bezahlung durch Pfarrer oder Bürger während der Nacht kirchliches und Gemeindeeigentum zu beschützen. Kirchen und Kapellen, Sakristeien und Friedhöfe verwilderten und verfielen. Die Aufsichtsbehörde mahnte zur Instandhaltung und Renovierung. Gemeinden waren derart verschuldet, daß sie den Wünschen nicht nachkommen konnten. Sie baten um Aufschub und Stundung angesammelter Schulden, so auch die Einwohner des Amtes Nürburg: „Wir arme bedrängte Untertanen sind dergestalt erschöpft und ausgemergelt, daß wir zur Unterhaltung unser selbst, von Weib und Kind keine Lebensmittel zu erzwingen wissen, auch die Frucht dieses Jahr mißraten, daß der 20. Untersasse nit ein Körnlein Roggen bekomme, sondern sich mit Hafer und Buchweizenbrot säuerlich erhalten und das Leben tragen muß." (StAKO 2.2200)

In Mürlenbach gehen 1640 von 300 florin keine Zinsen mehr ein (Oster 518) und im gleichen Jahr wird die Kapelle auf dem Alexanderberg bei Kopp als zerstört gemeldet (Oster 527).

In Duppach war die Kirche 1640 in schlechtem Zustand (defectuosa), keine Paramente, keine Monstranz und kein ordentliches Meßbuch mehr vorhanden (Oster 555f) und in Niederstadtfeld werden 1640 die kirchlichen Anlagen als ruinös bezeichnet.

Untergang und Wüstung

In Densborn, wo Kirche und Pfarrhaus arge Verwüstungen erlitten, das Gebeinhaus so zerstört war, daß Tiere hinein konnten, überlebten nur sieben Familien. Diesen zur Erinnerung wurden sieben Pestkreuze auf Densborner Bann errichtet (Oster, 543)

.„Zwanzig Jahre und später nach dieser Pestzeit sah man noch allenthalben in der Gegend Häuser leer stehen und zerfallen, weil niemand vorhanden war, der sie bewohnen konnte oder wollte" (B.ll, 247).

„Bei der Hilgerather Kirche soll ein Dorf gestanden haben, das im 30jährigen Krieg zugrunde ging" (Blum).

Im Amt Daun gab es 1563 679 bewohnte Häuser, dreißig Jahr später (1684) nur mehr 487. Einige Zahlen aus jenen Jahren beweisen die Verheerungen durch Krieg und Pest:

bewohnte Häuser

1563

1654

bewohnte Häuser

1611

1687

Allscheid

4

2

Kalenborn

14

10

Beinhausen

7

3

Roth

15

8

Berlingen

8

5

Schalkenmehren

 

 

Bodenbach

12

11

mit Weinfeld

26

121/2

Bongard

16

12

 

 

 

Borler

9

9

 

1590

1654

Boverath

6

10

Berndorf

13

7

Boxberg

19

5

 

 

Lehnsleute

Darscheid

15

7

 

 

 

Daun

43

20

 

1624

1651

Essingen 8 3      

Gefell

7

 3 1/2

Berndorf

27

5

Gelenberg 4 3      

Hinterweiler

14

5

Bolsdorf Hillesheim

18 66

3 28

Hörscheid

5

?

 

 

 

Kirchweiler

16

6

 

1640

1654

Müllenbach

32

20

Densborn

130

50

Neichen

13

31/2

 

 

Kommunikanten

Nerdlen

16

6

 

 

 

Oberehe

15

10

 

1587

1680

Rengen

17

151/2

Demerath/

 

 

Rockeskyll

13

10

Steineberg

25

20

Rothenbach/

 

 

 

 

 

Meisenthal

17

12

 

1563

1652

Sarmersbach 10 12  
Schönbach 13 4
Steiningen

 

15 5 1/2
Stroheich 13 8 1/2

Übersdorf

 12

 12

Meisburg Densborn

50 29 Kommunikanten 20 19 (1684, Feuerstellen)

Utzerath

17

51/2

 

821

432,5

Walsdorf

20

13

 

 

= 52,67 %

Weiersbach

6

6

 

 

 

Im Buch „Sagen, Geschichte und Brauchtum der Verbandsgemeinde Kelberg" konnten A. Mayer und E. Mertes bei zwanzig Gemeinden dieses Raumes die Bevölkerungszahlen vor dem Dreißigjährigen Krieg (1580) und danach (1680) zusammenstellen. Demnach bestanden vorher 260 und nachher 148,5 Familien. Setzt man die Familie mit damaligen Durchschnittswerten von 5,5 Personen an, so lebten vor dem

Krieg 1430 Personen in diesen zwanzig Orten und danach nur mehr 817, also ein Rückgang von 43 Prozent. Bedenkt man, daß in der Zeit von 1648 bis 1680 die Bevölkerung wieder etwas in ihrer Gesamtzahl anstieg, so war das tatsächliche Sterben prozentual noch größer gewesen.

In 14 Gemeinden des Altkreises Prüm, in denen die Zahl der Kommunikanten 1570 und 1640

Pestarzt in Schutzkleidung Kupferstichkabinett, München 1656

erfaßt wurden, ist ein Bevölkerungsrückgang von über 53 Prozent feststellbar. Mord und Totschlag, Raub und Überfälle wurden von Hungersnöten, Seuchen, Pest und anderen Krankheiten begleitet, Unzählige starben. Kelberg konnte 1624 in den amtlichen Steuerlisten nicht erfaßt werden. Der Grund war, daß „Folgende Zenteneyen (=Kelberg, Bongard, Müllenbach) dieses Amtes Dhaun haben vor diesmal wegen sterbender Luft (=Pest) nicht beiherscheiden noch abgehört können werden" (100 Jahre Eifelverein Kelberg). Ganze Landstriche waren verwüstet und entvölkert, zahlreiche Dörfer und Siedlungen von der Landkarte verschwunden. Erst hundert Jahre später war der Stand der Vorkriegsbevölke-rung wieder erreicht, mit allen Konsequenzen für Handel und Gewerbe. Vermutlich verließen bei dieser Gelegenheit viele Menschen aus dem Eifel- und Dauner Raum ihre angestammte Heimat und wanderten aus, viele in den Banal.

Literatur:

Bormann Michael, Beitrag zur Geschichte der Ardennen, II. Teil, Trier 1842 (B.II)

Bormann Michael, Allgemeine Pfarrgeschichte, Daleiden 1990 (B.l)

Leonardy Johann, Geschichte des trierischen Landes, Trier 1877

Mayer Alois/Mertes Erich, Sagen, Geschichte, Brauchtum aus der VG Kelberg, Kelberg 1986

Mayer Alois/Mertes Erich, Geschichte, Kultur und Literatur des Kelberger Landes, Msk.

Mayer Alois/Mertes Erich, Ortschronik Lirstal, 1984

Meyer Hermann, Hillesheim, Trier 1990

Oster Peter, Geschichte der Pfarreien der Dekanate Prüm-Waxweiler, Trier 1927

Oster Peter, Es war Krieg im Lande; Eifelvereinsblatt, Okt. 1917

Schug Peter, Geschichte der Pfarreien, Bd. V und VI, Trier 1956 und 1961

Scotti Johann, Sammlung der Gesetze und Verordnungen, 3 Bde., Düsseldorf 1832