Der Vierherrenstein

Hubert Pitzen, Stadtkyll

 

Genau an der Landesgrenze von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz und ungefähr an den Gemarkungsgrenzen Esch, Schmidtheim, Dahlem und Jünkerath erhebt sich am Heidenkopf (547 m ü NN) der Vierherrenstein. An dem 75 cm aus dem Erdreich ragenden viereckigen Basaltlavastein erkennt man trotz Verwitterung Spuren von vier Wappenschildern. An drei Seiten sind unterhalb der Wappen deutlich die Inschriften „SCHM" (Schmidtheim), „KRÖN" (Kronenburg) und „IVNG" (Jünkerath) zu sehen. An der vierten, nach Esch zugewandten Seite, ist das Wappenschild nur undeutlich zu erkennen. Wappendarstellung beziehungsweise Inschrift sind dort nicht (mehr) feststellbar. Vermutungen deuten darauf hin, daß es sich um das Blankenheimer Wappen wegen Esch gehandelt haben könnte. Eine weitere Möglichkeit wäre, daß hier das Gerolsteiner Wappen eingemeißelt war wegen des Dorfes Glaadt, das für nur kurze Zeit zum Hause Gerolstein gehörte (siehe unten angeführte Quelle). Der eine oder andere Zeitgenosse spricht vom „Dreiherrenstein" und stellt somit ein viertes Wappen in Abrede. Wie läßt sich erklären, daß in den Urkunden immer nur vom „Vierherrenstein" die Rede ist?

Die oben erwähnten drei Wappendarstellungen und Inschriften sind eindeutig: 

Schmidtheim: 3 Hämmer 

Kronenburg (Dahlem gehörte zu Kronenburg): 

Adler

Jünkerath: Löwe mit Turnierkragen und Lilien. Man kommt möglicherweise dem „vierten Herrn" auf die Spur, wenn man dem Vierherrenstein bis zur ersten urkundlichen Erwähnung folgt. Die älteste mir vorliegende Quelle über den Vierherrenstein trägt das Datum vom 14. April 1501. Es ist eine Urkunde über das in Stadtkyll am Mittwoch nach Ostern abgehaltene Vogtsgeding. Das Schöffenweistum des Hofes Stadtkyll beginnt und endet immer beim Vierherrenstein am Heidenkopf, („veyr hern steyn am heyden Kop"). Die Ersterwähnung muß aber nicht unbedingt mit dem Setzen des Grenzsteines übereinstimmen. Es ist vielmehr anzunehmen, daß man den Stein viel früher errichtete, womöglich in einer Zeit, als die Herrschaft Jünkerath noch zu Schleiden gehörte.

Durch die Schleidener Erbteilung im Jahre 1326 erhielt Dietrich von Schleiden die Herrschaft Jünkerath. Als Stifter der Nebenlinie Schleiden-Jünkerath führte er seit dieser Zeit ein neues Wappen: Den Schleidener Löwen mit dem Beizeichen des Turnierkragens als Symbol für eine jüngere Linie des Schleidener Geschlechts. Bis zum Jahre 1452 gehörte Jünkerath zu Schieiden. Die vier Herrschaftsgebiete Schmidtheim, Kronenburg, Jünkerath (-Schleiden) und Blankenheim könnten bis zu diesem Datum hier zusammengestoßen sein. 1452 fiel die Herrschaft Jünkerath an den Grafen Dietrich II. von Manderscheid. Bei der Manderschei derTeilung 1488 kam die Herrschaft Jünkerath zur Linie Manderscheid-Blankenheim. DerGraf von Blankenheim war in Personalunion auch Herr zu Jünkerath, so daß man möglicherweise das Blankenheimer Wappen entfernte.

Welche Bedeutung hatten solche Grenzsteine?

Die genaue Festlegung der Grenzen zwischen Herrschaftsgebieten oder Dörfern war wegen der Felder, des Weidgangs und der Waldnutzung schon immer von größter Bedeutung. In den Schöffenweistümern der einzelnen Dörfer legte man genaue Grenzen fest. Neben den Verordnungen der Landesherren spielten die Weistümer, die jedem das geltende Recht „wiesen", eine große Rolle.

Meist orientierte man sich beim Grenzverlauf an natürlichen Gegebenheiten wie Bachläufen, alleinstehenden Bäumen oder Höhenrücken. Dort, wo keine natürliche Markierung vorhanden war, setzte man einen Stein als Grenzpunkt. Trotz der genauen Grenzbeschreibung in den Weistümern mußten die Grenzen, besonders vor den Herrengedingen, abgeschritten werden. Die Herrengedinge tagten unter dem Vorsitz eines Amtmannes im Beisein von Schultheiß und Schöffen. In dieser Gerichtssitzung wurde zuerst die Frage aufgeworfen, ob zwischen den Dörfern in Grenzfragen „Eintracht" erzielt werden konnte. Dies war jedoch meistens nicht der Fall, weil es häufig zum Überschreiten der Grenzen durch das Vieh kam. Eine Überprüfung des Weistums war dann die Konsequenz.

So hatte sich am 5. September 1608 eine „Grenzkommission" im Hause des Müllers zu Glaadt eingefunden.

Als Diskussionsgrundlage diente das alte Schöf-fenweistum von Glaadt und Sengersdorf (= Wüstung) aus dem gräflichen Archiv. In der Grenzbeschreibung des Weistums begegnet uns der Vierherrenstein. Die entsprechende Stelle lautet:

„... von dem foderbroich ab in den Dalheimer

weg

von dem Dalheimer weg uff den vier herren

stein

von dem vier herren stein fharen wir an

Kautert uff die Boich (= Buche)...

" Weiter unten heißt es:

„Es weisen die Scheffen vnd Eltisten des dorffs Gladt vnd Sengerstorff. Erstlich weisen sie von dem vier herren stein vberdie vier herren Banck, recht vber vff eine wilde aspen, so an der alten Weinstraße stehett, von derselbigen Weinstraße heruf, vff eine Steinen Marckh, so im feldt stehett..."

Trotz der ausführlichen Grenzbeschreibung entwickelten sich in den nachfolgenden Jahren Streitigkeiten zwischen den Grafen Arnold von Blankenheim und Carl von Gerolstein bezüglich der Abgrenzung ihrer Herrschaftsgebiete. Die Herrschaft Jünkerath gehörte zur Grafschaft Blankenheim, Glaadt jedoch zum Hause Gerolstein. Unter Mithilfe der Schiedsmänner Reinhard Beyssel von Gymnich und Johann Kessel zu Bech kam am 12. September 1613 ein Vertrag zustande, der folgenden Wortlaut hatte (Auszug):

... Erstlich, weill an den vier bäncken, oder vier herren Stein am heidenkopf daß gerholsteinisch wapfen, wegen deß dorffs Gladt noch ermangelt, soll selbiges, oder ein ander zeichen, auff selbigen Stein, wegen Ihrer Gn. vonn Gerholstein gehauwen vnd auffgerichtwerdenn; vnd weill daselbst ein groß vberweißthumb, solle hinfüro vonn selbigen Stein, recht ab, biß in den Kautten born daß scheidt (= Grenze) vndhochern weißthumb gehenn; dann fortt selbigenn seiften wassergangs ab, biß an den langen spitzen Stein, hardt an der Burbach (= Birbach), da der fußpadt vonn Esch vber nach Gladt gehett; vonn selbigem stein längs dem bergh recht zu herauff nach Gladt zu, biß auff die hohe der donner Kaullen, da dann auch ein Marckstein; vonn selbigem Stein recht hinab, auff einen anderen Marckstein auff Gladerbergh; von deme recht ferner hinab, biß auff die wolfs-kaullen, gleichfals an einen großen Marckstein; vonn selbigem Stein recht vber die Kill, biß an den Rößborn, da stehett ein grosse Eysch (= Eiche), ist allerseits eine alte unstreitige lag gewesen, vnd Gladerbusch vnd mulhenhelt, hinüber vnd hinab, biß in die Keuerbach (= Kefferbach), an Scholer (= Schüller) hoichheit, vnd ist vonn gemelter (= erwähnter) Eyschen biß dahin, dißmahl vnd nie kein streift gewesen; ann obgl (= oben erwähnt) Scheidt pleibtt der vndertheill dem Grauen (= Grafen) zu Blankkenheim, als herren zu Jünckerodt, der ober-theill dem Grauen zu Gerholstein, als Herren zu statt Kill (= Stadtkyll), et consequenter der dorf-fer Gladt vnd Sengerscheid, jedem sein theill, mit gerechtigkeit"

Bis heute steht dieser alte Grenzstein in einem Grenzgebiet, obwohl die alten Herrschaftsgebiete seit dem Einmarsch französischer Revolutionstruppen 1794 nicht mehr existieren. Wie einleitend schon betont, verläuft an dieser Stelle die Grenze zwischen Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sowie die Gemarkungsgrenzen der umliegenden Orte.

Quellen:

Chronik Jünkerath-Glaadt, Jünkerath 1989

Schöffenweistümer des Hofes Stadtkyll, LHA Koblenz, Best. 29B, Nr. 165,3. 19-22, Fol8-9

Vertrag zwischen den Grafen Arnold von Blankenheim und Carl von Gerolstein vom 12.9.1613, LHA Koblenz, Best. 29 F, Nr. 52

Vogtsgeding des Hofes Stadtkyll vom 14. April 1501, LHA Koblenz, Best. 29 B, Nr. 165, S. 17-18, Fol. 7

Weistum des Dorfes Glaadt vom 5. September 1608, LHA Koblenz, Best. 29 F, Nr. 69

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