Partnerland Thüringen

Auf Mutter s Spuren

Christel Krämer, Nohn

 

Meine Mutter ist eine gebürtige Thüringerin, lebt aber seit fast fünfzig Jahren in der Eifel. Sie fühlt sich sehr wohl hier und auch an ihrer Sprache kann man nicht erkennen, daß sie keine Einheimische ist. Aber uns Kindern hat sie oft aus ihrer früheren Heimat erzählt und aus diesen Schilderungen habe ich immer ein wenig Heimweh herausgehört. Ein Gefühl, das wohl bei jedem aufkommt, der weit weg von der alten Heimat lebt, auch wenn er sich in der neuen noch so wohl fühlt.

Seit Öffnung der innerdeutschen Grenze konnte jedermann „ungestört" das Gebiet der ehemaligen DDR bereisen. Weil wir noch nahe Verwandte dort hatten, beschlossen meine Familie und ich, daß unsere Urlaubsreise in die Heimat meiner Mutter gehen sollte. Im Jahre 1971 war ich zum letzten Male dort, aus Anlaß der Diamantenen Hochzeit der Großeltern und nur für ein paar Tage.

Nun war es also soweit - die erste Urlaubsreise mit Mann und Kindern stand bevor, sie führte ins neue Bundesland Thüringen, der alten Heimat der Mutter. Ein Dorf, etwa 25 km von der Lutherstadt Eisenach entfernt, war unser Reiseziel. Eine herrliche Fahrt, quer durch Hessen, dann kam Philipstal, die innerdeutsche Grenze wirkte hier besonders erdrückend, zumal sie „hautnah" neben der Fahrbahn verlief und man sich ihrem schlimmen Anblick nicht entziehen konnte.

Nun aber galt es, den Blick nach vorne zu richten und die alte Heimat der Mutter zu erkunden. Vater war ja.ein gebürtiger Eifelaner, aber Mutter kam erst durch die Heirat in die Eifel, ein weiter Weg, den sie gegangen war. Der Großvater war Schäfer gewesen, daher sind die Großeltern mehrmals mit den Kindern umgezogen. Und diese Dörfer, wir haben sie gesehen, sie liegen wunderschön eingebettet in einer hügligen Mittelgebirgslandschaft, welche unserer Heimat sehr ähnlich ist. Vielleicht hat sich Mutter deshalb so wohl gefühlt in der Eifel, weil sie hier ähnliche „geographische" Verhältnisse vorfand wie auch in der Rhön. Überhaupt, es war bemerkenswert, wie in der Rhön die Natur noch größtenteils intakt war. Auffallend auch die vielen Bäume rechts und links der Fahrbahn, diese wunderschönen Alleen. Man wird doch wohl nicht denselben Fehler zweimal machen und sei wie bei uns verschwinden lassen?! In Saalfeld, einer wunderschönen, alten Stadt mit ihren weltberühmten Feengrotten, fragte ich einen Passanten, ob er ortskundig sei. Der gute Mann lachte und teilte mir mit, daß er aus München komme, selbst auf der Suche nach Vergangenem.

Wir haben sie dann doch noch gefunden, die „Zapfe" jenes Hotel, in dem Mutter vor über fünfzig Jahren als Bedienung gearbeitet hatte. Es muß einmal ein stolzes Haus gewesen sein, aber hier, wie an vielen anderen Häusern, hatte der Zahn der Zeit kräftig genagt. Gesagt soll aber auch werden, daß große Anstrengungen im Gange waren und so mancher Bau schon restauriert war, wie zum Beispiel das Rathaus, welches in neuem Glanz erstrahlte. Und auch die altehrwürdige Johanneskirche aus dem 14. Jahrhundert freute sich auf einen Anstrich; die Gerüste lagen schon bereit.

Weiter führte uns der Weg nach Friedrichsroda, einem Städtchen im Thüringer Wald, wo Mutter einst in einem Sanatorium gearbeitet hatte. Damals ein Ort der Erholung für die zahlreichen Kurgäste, wie sie oft erzählt hat. Noch heute fährt eine kleine Schmalspurbahn die Besucher an den Sehenswürdigkeiten vorbei. War es bist vor dem Krieg eine pulsierende Stadt, welche größtenteils vom Fremdenverkehr lebte, so muß man heute sagen, daß der Glanz vergangener Tage lange vorbei ist. Wir haben aber doch das Sanatorium, den „Tannenhof", gefunden. Der damalige Besitzer hat später im Schwarzwald ein neues Hotel gegründet, auch einen „Tannenhof".

Zum Gebäude kamen wir dank eines alten Mannes, der mit seiner Kutsche und zwei Ponys Stadtrundfahrten anbot. Erfreute sich sehr, daß wir ihn nach diesem und jenem fragten. „Das ist schön, daß Sie unser Thüringen besuchen, kommen Sie bald wieder", sagte er.

Im folgenden Jahr ging unsre Reise wieder ins neue Bundesland und vielleicht... wie sagt man doch, „so Gott will"... gibts ein nächstes Mal. Noch sind nicht alle Spuren verwischt.