Viel umschwärmt - Brombeerhecken und Zaunpfähle am Wegesrand

Andrea Jakubzik, Köln

 

Totes Holz für neues Leben

In vielen Bereichen der Eifel ist durch Flurbereinigungsverfahren die Landschaft zunehmend strukturärmer geworden. Dabei wurden zum Teil ursprünglich in ausreichender Menge vorhandene Elemente ausgeräumt, die für die Existenz wenig beachteter Tiergruppen unabdingbar sind.

Dies gilt für abgestorbene, markhaltige Pflanzenstengel, wie sie in Brombeerhecken auf Ruderalflächen anzutreffen sind, für Totholz alter, verrottender Bäume und Baumstümpfe, die vielerorts Bestandteil von Streuobstwiesen sind. Fehlt diese Art von Totholz, muß ersatzweise vermehrt auf Strukturen wie Holzzaunpfähle und Holz alter Fachwerkhäuser - oftmals als letzte Zufluchtsstätte - ausgewichen werden.

Eine der Tiergruppen, die mit vielen Arten Totholz als Niststätte erobert hat, stellen die Stechimmen dar. Etwa 20 Prozent der in Deutschland vorkommenden Wildbienen, fast die Hälfte der einheimischen Grabwespen, viele Lehmwespen sowie vereinzelt Vertreter weiterer Familien der Hautflügler legen ihre Nester oberirdisch in diesem Substrat an.

Mit diesem Beitrag sollen zwei oft unbeachtete, weil unbekannte, eng begrenzte, für Holznister jedoch sehr wichtige Lebensräume und deren komplexe Lebensgemeinschaften vorgestellt werden. Beinahe jeder hat sie vor seiner Haustür: Brombeerhecken und Holzzaunpfähle. Mit einer gewissen Kenntnis und geringem Aufwand lassen sich Maßnahmen treffen, die solche Nistplätze erhalten oder die Bedingungen sogar verbessern.

Kinderstube vieler Hautflügler: Brombeerstengel und Zaunpfahl

Im Frühjahr oder Sommer beginnen die begatteten Weibchen der einzelnen Arten alsbald mit dem Brutgeschäft. Ihr restliches Leben ist nur noch auf die optimale Versorgung des Nachwuchses ausgerichtet. Zunächst gilt es, einen zum Anlegen der Brutkammern geeigneten Gang im Stengel oder Zaunpfahl bereitzustellen, wobei zwei Strategien verfolgt werden: Selber graben oder graben lassen. Manche Arten beziehen nämlich von Käfern oder anderen Insekten ausgehöhlte Gänge quasi als Nachmieter.

Die Vorliebe für Holz ist einziger gemeinsamer Nenner der Arten, die sich an Brombeerhecke oder Zaunpfahl ihr Domizil suchen. Alle übrigen Ansprüche, insbesondere diejenigen an Proviant für die Nachkommen und Nestbaumaterial sowie die Nestarchitektur, weichen von Art zu Art beträchtlich voneinander ab, wie nachfolgend verdeutlicht werden soll.

Im Dienste der Nachkommen: Insekten- und Spinnenjäger

Aus den Reihen der Grabwespen, die als Proviant für ihren Nachwuchs ausschließlich tierische Kost (Insekten, Spinnen) herbeischaffen, wird die Mehrzahl der Stengelbewohner gestellt.

Frischgeschlüpftes Weibchen der Grabwespe -der Nestgang ist mit kleinen Steinen gefüllt

Männchen der Keulhornbiene - ein häufiger Bewohner von Brombeerstengeln

Frisch geschlüpftes Männchen der Faltenwespe

Passaloecus singularis, eine schwarze, 3-4 mm große Grabwespe, füllt ihre linear angeordneten Brutkammern mit Blattläusen, von denen jeweils ein Exemplar mit den Mandibeln gepackt und zum Nest geflogen wird. Nach abgeschlossener Verproviantierung legt die Grabwespe das Ei auf einer der Blattläuse ab.

Die Trennwände zwischen den Zellen werden bei dieser Art aus Harz, das in kleinen Portionen herbeigeflogen wird, modelliert, die Gänge teilweise mit Steinchen aufgefüllt.

Passaloecus corniger, mit der erstgenannten Art eng verwandt, hat es nicht nötig, selbst auf die Jagd zu gehen, sondern stiehlt stattdessen den benötigten Proviant aus Nestern anderer Passaloecus-Arten.

Pemphredon lethifer, ebenfalls eine schwarze, blattlausjagende Grabwespe, legt ihre Zellen in einem verzweigten System an und fertigt die Trennwände aus Markpartikeln. Im benachbarten Stengel deponiert vielleicht gerade Rhopalum coarctatum eine Fliege für ihren Nachwuchs.

Nicht auf Insekten, sondern auf Spinnen abgesehen hat es die Grabwespe Trypoxylon attenuatum, die, ist die Konkurrenz um geeignete Nistplätze groß, besonders gerne andere Arten aus deren Stengel verdrängt und ihre eigenen Zellen dort anlegt.

Wie die Grabwespen, so ist auch die solitäre Faltenwespe Gymnomerus laevipes auf tierische Kost für ihre Nachkommen aus, doch im Gegensatz zu diesen belädt sie ihre zuvor ganz mit Lehm ausgekleideten Brutkammern mit gelähmten Larven von Rüsselkäfern. Sie werden von den geschlüpften Larven der Faltenwespe nacheinander bis auf Kopfkapsel und Haut ausgesaugt.

Ohne Blütenpflanzen geht nichts

Auch eine Reihe von solitären Wildbienen, die für ihre Brut ein Pollen-Nektar-Gemisch bereitstellen, ist auf markhaltige Stengel spezialisiert. Die schwarz oder metallisch blaugrün gefärbten Keulhornbienen nutzen die Stengel gleich in zweifacherweise. Zunächst wie üblich als Brutplatz, wobei die Imagines bereits im Herbst schlüpfen. Diesen dienen die Stengel bis zum nächsten Frühjahr als Quartier zum Überwintern.

Die zu den Bauchsammlerbienen gehörende Osmia leucomelana, deren Weibchen den Pollen mittels einer am Bauch befindlichen Bürste sammeln, ist ein häufiger Bewohner der Brombeerstengel. Sie legt die Trennwände zwischen den Zellen aus zerkleinertem Pflanzenmaterial an.

Die ebenfalls zu den Bauchsammlern zählenden Blattschneiderbienen können sowohl in hohlen Stengeln als auch in Löchern von Zaunpfählen nisten. Sie kleiden ihre Zellen mit ganzen Blattstücken aus, die sie vorher passend zu-rechtgebissen haben. In diese Behälter wird das Pollen-Nektar-Gemisch eingebracht. Der Nestverschluß besteht ebenfalls aus Blattstücken.

Eine ganz andere Strategie, ihre Zellen auszukleiden, verfolgen die Weibchen der Maskenbienen, von denen einige Arten sowohl in Brombeerstengeln als auch in Zaunpfählen ihre typische Niststätte haben. Sie umwanden die einzelnen Zellen mit einem körpereigenen Sekret, dann wird das relativ flüssige Pollen-Nektar-Gemisch eingefüllt. Der Name „Maskenbiene" beruht übrigens auf der gelben oder weißen Zeichnung der Gesichter der Tiere.

Für Zaunpfähle geradezu typische Wildbienenarten, sind die Scheren- und Löcherbienen, die im Aussehen eher unscheinbar sind. Die Scherenbiene Chelostoma fuliginosum befliegt als Pollenquelle nur Glockenblumen und benötigt zum Erbau ihrer Trennwände Lehm, sowie kleine Steinchen, während die Löcherbiene Heria-des truncorum ausschließlich auf Korbblütler spezialisiert ist und ihre Trennwände aus Harz erbaut.

Am Beispiel dieser beiden Bienenarten wird deutlich, wie wichtig das Vorhandensein von Lebensräumen in näherer Umgebung der Niststätten ist, die erst dann genutzt werden, wenn diesen Bedürfnissen entsprochen wird.

Am Nestverschluß sollt ihr sie erkennen...

Oftmals kann bereits aus der Art der Nestverschlüsse, die an Zaunpfählen meist gut sichtbar sind, auf den Bewohner geschlossen werden. So weist glatt gestrichener Lehm ohne Zusätze meist auf Faltenwespen hin, mit Steinchen vermischter Lehm hingegen auf eine Art der Gattung Chelostoma.

Multifunktionell...

Übrigens: Zaunpfähle sind nicht nur als Nistplatz beliebt, sondern dienen besonders den Männchen einiger Arten als Übernachtungsquartier und die Sozialen Faltenwespen (Vespidae) haben herausgefunden, daß sich dort abgeschabte Holzpartikel sehr gut zum Bau ihrer Papiernester verwenden lassen.

Mit Brombeerstengeln läßt sich Staat machen

Interessanterweise haben selbst einige Ameisenarten der Gattung Leptothorax Brombeerstengel als Niststätten erobert, wobei sie insofern eine Sonderstellung einnehmen, als sie im Gegensatz zu den übrigen holznistenden Arten staatenbildend sind. Die Staaten sind nach eigenen Untersuchungen mit bis zu 172 Arbeiterinnen und einer Königin relativ individuenarm.

Lassen andere für sich arbeiten: Parasitoide

Während die einen unermüdlich im Einsatz sind, um ihrem Nachwuchs optimale Bedingungen zu schaffen, lassen andere für sich arbeiten: Die Parasitoide. Überall dort zur Stelle, wo es was zu holen gibt, lauern sie auf einen günstigen Augenblick, um ihr eigenes Ei im Nest eines geeigneten Wirtes abzulegen. Mit dieser Strategie sichern Goldwespen, Kuckucksbienen der Gattung Stelis und Keulenwespen das Überleben ihres eigenen Nachwuchses. Die Larven all dieser Parasitoide saugen zunächst Ei oder Larve des Wirtes aus, um sich anschließend an deren Vorrat gütlich zu tun.

Goldwespen, die meist Nester von Grab- und Faltenwespen befallen, zeichnen sich besonders durch ihre leuchtenden Metallfarben und schnellen Bewegungen aus. Sie lassen sich sogar auf Kämpfe mit dem Nesterbauer ein. Da sie sich bei Bedrohung blitzschnell zu einer Kugel zusammenrollen können, kann dieser ihnen kaum etwas anhaben.

Der Mensch im Dienste der Holznister

Morsche Zaunpfähle sollten erst dann ausgetauscht werden, wenn es gar nicht mehr anders geht. Als Ersatz kommen - im Dienste der Stechimmen - nur unbehandelte (!) Holzpfähle aus Hartholz in Frage (Eiche oder Buche halten etwa 30 Jahre). Damit die in den alten Pfählen vorhandene Brut sich noch entwickeln kann, werden die neuen am besten direkt daneben plaziert.

Brombeerhecken sollten so beschnitten werden, daß das Mark abgestorbener Stengel den Tieren zugänglich wird. Die abgeschnittenen Teile können ausgehängt und den Holznistern als Nisthilfen angeboten werden.

Es ist unabdingbar, die unmittelbare Umgebung der Niststätten abwechslungsreich zu gestalten. An erster Stelle steht natürlich ein reichhaltiges Angebot verschiedener Blütenpflanzen, das die Tiere anlockt, als Nahrungsquelle dientund ihnen den Lebensraum für die von ihnen gesammelten Beutetiere liefert. Wildbienen haben außerdem im Naturhaushalt eine wichtige Funktion als Blütenbestäuber und das Ausbringen von Giften jeglicher Art ist nicht nur für den Menschen schädlich.

Literatur

CÖLLN, K. & JAKUBZIK; A. (1992): Hymenopterennester in Brombeerstengeln. Biologie, Bestimmung und Auswertungsmöglichkeiten. - Den-drocopos 19, Trier, 81 - 97

ENSLIN, F. (1933): Die Bewohner der Brombeerstengel. - Ent. Jb. 42, 134-148

HAESELER, V. (1979): Landschaftsökologischer Stellenwert von Zaunpfählen am Beispiel der Nistgelegenheiten für solitäre Bienen und Wespen (Hym. Aculeata). - Natur und Landschaft 54, 8-13. JAKUBZIK, A. & CÖLLN, K. (1990): Zur Biologie der in Rubus nistenden Hymenopteren des Rheinlandes. - Verh. Westd. Entom. Tag 1989.113-122, Düsseldorf.

PREUSS, G. (1980): Voraussetzungen und Möglichkeiten für Hilfsmaßnahmen zur Erhaltung und Förderung von Stechimmen in der Bundesrepublik Deutschland. - Natur und Landschaft 55, 20-26. WESTRICH, P. (1989): Die Wildbienen Baden-Württembergs. - Stuttgart.