Vogelleben an der Oberen Kyll

Heinz Hürth, Staffeln-Auel

 

Vögel, das Meisterwerk von Mutter Natur, kompliziert gebaut, auf Höchstleistungen getrimmt und doch gibts vielfältige Unterschiede. Nicht zufällig und willkürlich bleiben Vögel hier oder dort, sie haben bevorzugte Aufenthaltsorte, denn alle Arten sind Spezialisten. Jede Vogelart hat einen typischen „Beruf", den sie mit ihrem „Werkzeug" ausübt, dazu kommen spezifische Verhaltensweisen.

Viele hunderttausend Jahre lang sind Vögel von der Natur und vom Menschen in ihrem Existenzkampf zu immer weiterer Perfektionen getrieben worden. Der Landschaft mußten sie sich anpassen und diese hat viele Gesichter und Formen; Moore, nasse Wiesen, Teiche, Bäche, Feuchtgebiete, Heide und Trockenrasenflächen, Wälder in unterschiedlichster Erscheinungsform, Felsen, Hecken, Raine mit Büschen und Einzelbäumen...dies alles sind Voraussetzungen und Gegebenheiten für den Vogelreichtum in der Verbandsgemeinde Obere Kyll. Die Vielfalt mit mehr als achtzig Brutvogelarten ist der Beweis für eine noch intakte Natur. Sorgen wir dafür, das es auch in Zukunft so bleibt, indem wir unsere herrliche Landschaft hegen und pflegen, zum Wohle von Mensch und Tier.

Daß die Vögel nicht an der Natur, aber vielfach an dem, was die Menschen daraus gemacht haben, scheitern, ist nicht nur für unsere gefiederten Freunde bedauerlich - auch für uns. Vögel waren es, die beizeiten vor den Gefahren der schleichenden Vergiftung warnten; sie sind ein empfindsamer Indikator für Umweltbelastungen. Werden diese übergroß und eine Anpassung ist nicht mehr möglich, ist das Verschwinden einer Art Endstation - auch aus unserem Raum an der Kyll.

Keine Tierart hat ein so umfangreiches Nahrungsspektrum wie die Vögel. Es gibt kaum eine Pflanze - oder Tiergattung, die nicht in irgend einer Weise von Vögeln als Nahrung genutzt wird, folglich kann man davon ausgehen, daß an der Oberen Kyll ausreichend gute Lebensbedingungen gegeben sind - die hohe Anzahl der Brutvögel beweist das.

Die Vogelwelt eines Gebietes ändert sich ständig, durch neue Arten, Durchzügler aus anderen europäischen Ländern oder gar aus Übersee; doch Neuentdeckungen sind heute sehr selten. Etwa 8 600 Vogelarten leben auf der Erde. In der Bundesrepublik brüten um 300 Arten regelmäßig, und das Interesse der Menschen an der Vogelwelt ist groß. Das mag auch daran liegen, daß die Lebensweise der Vögel sehr dem menschlichen Verhalten gleicht. Zum Beispiel das Zusammenhalten der Paare, oft über einen längeren Zeitraum hinaus, die gemeinsame Fürsorge für die Nachkommenschaft. Unsere gefiederten Freunde unterscheiden sich in vielen Gattungen, im Körperbau, Brutgewohnheiten, um verschiedene Brutplätze einnehmen zu können, dadurch Konkurrenzkämpfe einschränken. Verwandte Arten können ohne weiteres nebeneinander brüten, auch wenn sie die gleiche Nahrungsaufnahme wie Futtertiere haben. So spezialisieren sich zum Beispiel Meisen bei der Nahrungssuche auf vielfältige Weise etwa auf Bäume - Sträucher - Bodentümpel, andere auf Bäche - Obstgärten und Wiesen, Artgenossen stören sie dadurch nicht. Viele Vogelarten verhalten sich ähnlich, sodaß man daraus schließen kann, daß bei gewisser Dichte einer Art das Nahrungsangebot immer vorhanden und ausreichend ist.

Es gibt Brutvögel an der Oberen Kyll, die auf der ROTEN LISTE stehen, der vom Aussterben bedrohten Arten zugerechnet werden. Als erster der exotisch anmutende Schwarzstorch, er ist auch Brutvögel in unserm Raum. Zweite Rarität sind die Blaukehlchen. Leider konnte ich noch keine Brut nachweisen, sie ist aber meines Erachtens sehr wahrscheinlich. Der Diamant unter den bedrohten Arten ist der Eisvogel, glücklicherweise in ansehnlicher Anzahl bei uns noch vertreten, dank sauberer Bäche und der Kyll. Weil es auch noch von Umweltgiften verschonte Gewässer bei uns gibt, ist die Wasseramsel hier heimisch, die sich von Bachkrebsen und anderen, in sauberem Wasser lebenden Kleintieren ernährt. Viele Spechtarten, verschiedene Eulen und Greifvögel vervollständigen die Artenvielfalt bei uns. Allen Vogelarten, auch die heute noch in großer Anzahl vorhanden sind, muß unsere Sorge gelten, damit sie nicht eines Tages auf der ROTEN LISTE erscheinen.

Was kann es - nicht nur für Ornithologen -Schöneres geben, als diese wunderbaren Geschöpfe zu beobachten. Vielfältig sind die Balz- und Paarungsspiele und wenn die Rohrweihe im rasanten Sturzflug einen Looping dreht, die Milane mit halbgeschlossenen Schwingen den „Fall" proben, einander mit den Fängen packen, sich paaren, getrennt zur Erde trudeln... eindringliche Bilder, die auch unsere Enkel noch sehen mögen. Tolle Flugvorführungen während der Paarungszeit macht auch die Waldschnepfe vor der Auserwählten, klatschend schlägt sie die Flügel zusammen, das hört sich wie Peitschenknall an. Der Distelfink macht seiner Herzdame durch Drehen und Aufplustern den Hof. Wenn er zum Paarungsflug aufgefordert wird, meint man, beide picken sich mit den starken Schnäbeln die Augen aus - auch hier findet die Paarung mit Gezeter und Federflug in der Luft statt. Schon im April steigen die Lerchen zu ihren Singflügen auf, um ihr Revier zu bestimmen, die Partnerin durch den Imponierflug und hellen Gesang für sich zu interessieren. Bei diesen Werbungsflügen in etwa einhundert Meter Höhe sind die Flugbewegungen nicht leicht zu verfolgen. Erscheinen gar ein Berg oder Wald als Hintergrund, verliert man die Lerche völlig aus dem Blickfeld - akustisch ist sie aber voll DA.

In dieser Phase haben die Männchen wenig Zeit zur Futteraufnahme. Erst wenn die Werbung erfolgreich abgeschlossen ist, treten Ruhepausen ein. Aber auch dann ist Wachsamkeit geboten, es gilt, fremde Männchen, die ins Revier eindringen, zu verjagen. Die Fettreserven des kleinen Körpers sind bald aufgebraucht und der Vogel muß nun längere Pausen einlegen, sich für die Paarung, die Vorsorge fürs Brutgeschäft Kräfte schaffen.

Kein Vogel fliegt nur aus reiner Lust und Liebe, fliegen ist für alle, große und kleine, eine sehr energieraubende Tätigkeit. Also beschränken sich Vögel dabei auf Futtersuche, Partnersuche, Aufzucht und - Gefahren für Leib und Leben zu entgehen. Vor der Paarung versorgen die Männchen ihre Weibchen mit zusätzlicher Nahrung. Das ist nicht nur Ausdruck der Werbung, sondern dient der Eibildung, die viel Substanz vom Weibchen fordert. Die Paarung erfolgt erst, wenn das Weibchen unbefruchtete Eier in sich trägt, sie dauert im Durchschnitt zwei Tage, bei Vögeln mit größeren Gelegen länger. Wer einmal der Ornithologie seine Aufmerksamkeit schenkte, wird nicht müde, den Vögeln als farbenprächtigsten Vertretern des Tierreichs, die von jeher eine besondere Faszination auf uns Menschen ausübten, seine ganze Kraft zu widmen; zum Studium, zum Artenschutz. Unsere gefiederten Freunde hatten seit Menschengedenken ihre Bewunderer, damit auch Schützer ihres spezifischen Lebensraumes. Sie sind heute wichtiger denn je. Fast prophetisch muten die Worte des Ornithologen Dr. Gengier an, er schrieb vor etwa achtzig Jahren..."wir leben jetzt im Zeichen des Vogelschutzes und solcher ist auch wirklich nötig, sollen unsere Fluren nicht von den munteren Sängern vollständig entvölkert werden. Um Vögel schützen zu können, muß man sie kennen, muß wissen, wo und wie sie wohnen, leben, womit sie sich ernähren. Ärgster Vogelfeind ist die fortschreitende Kultur, die im Wald keine abgestorbenen, hohen Bäume duldet, die Hecken an Straßen und Eisenbahndämmen entfernt, Sümpfe und Brüche austrocknet, an jedem schäumenden Gebirgsbach ein Kraftwerk errichtet, unordentlich gewachsenen Büsche aus den Parks entfernt. Sie allein ist schuldig, wenn unsere Vögel uns verlassen."

Das sind Zeilen, geschrieben im ersten Jahrzehnt unseres Jahrhunderts, sie haben nichts an Aktualität verloren - leider. Doch jeder kann helfen, die Welt der Vögel bei uns zu erhalten, indem er sich der Natur gegenüber verpflichtet fühlt, ihr ein Partner ist. Wer sich vom Frühling bis zum Herbst der Vogelwelt erfreut, soll sie auch im Winter nicht vergessen. Eine Art- und sachgerechte Fütterung kann da helfen. Wo Licht ist, gibt es auch Schatten - daß bei uns an der Oberen Kyll das Licht überwiegt, verdanken wir in besonderem Maß den jungen Revierförstern in den Forstämtern Hillesheim und Prüm-Nord. Ihr Einsatz mit Herz und Hand hat oft geholfen. Das mag so bleiben, zum Wohle der Vogelwelt.