Eifeler Herdplattenkunst

Erwin und Marcus Holzer, Feusdorf

 

Noch vor zehn Jahren interessierten sich lediglich einige wenige Spezialisten und engagierte Sammler für Eifler Herdplatten. In der Folge erlebten diese Produkte des Eifler Eisengusses jedoch eine unvermutete Renaissance; mehr und mehr Menschen entdeckten die Herdplatte als wertvolles und repräsentatives Dekorationsobjekt für Haus und Heim, sie fand zunehmend Anerkennung bei Wissenschaftlern und Forschern als ein reizvolles Studienobjekt, das in anschaulicher Weise Einblicke in Kultur und Technik lang vergangener Jahrhunderte eröffnete. Es entwickelte sich eine rege Nachfrage nach Originalen wie industriell gefertigten Abgüssen, wobei für diese gern beträchtliche Summen gezahlt wurden. Kurz, heute erfreut sich die Eifler Herdplatte wieder allgemeiner Wertschätzung.

Die Geschichte dieses so wiederentdeckten Erzeugnisses aus Eifler Eisen begann gegen Ende des 15. Jahrhunderts. Zu dieser Zeit gab es in der Eifel eine blühende Eisenindustrie". Alles, was in dieser vorindustriellen Periode zu Abbau und Verarbeitung von Eisen benötigt wurde - Holz, Wasserkraft und Erzvorkommen - war hier in überreichem Maße vorhanden. Das hatten sich die wechselnden Herren der Eifel von den Römern bis zu den mittelalterlichen Feudalherren natürlich gern zunutze gemacht, sodaß im Laufe der Jahrhunderte zahllose Bergwerke und Eisenhütten angelegt worden waren. Aus diesen Betrieben hatte sich schließlich, seit die im Spätmittelalter reich aufblühenden Stadtlandschaften der Niederlande und des Rheinlands ständig mehr Eisen und Eisenprodukte verlangte, eine regelrechte „Industrie" und der wohl wichtigste Gewerbezweig der mittelalterlichen Eifler Wirtschaft entwickelt.

Gearbeitet wurde nach Verfahren, die sich seit der Zeit der Kelten und Römer kaum verändert hatten: das Erz wurde meist im Tagebau gefördert, wovon noch heute zahlreiche Gruben und Schürflöcher samt den dazugehörigen Abraumhalden zeugen, währen die Anlage von Schacht- und Stollenanlagen zur Erzförderung kaum gebräuchlich war.

Das so gewonnene eisenhaltige Gestein wurde anschließend in „Reitwerken" aufbereitet, die, da sie auf Wasserkraft angewiesen waren, meist in einem der zahlreichen Flußtäler lagen. In diesen Hüttenbetrieben wurde das Erz durch Erhitzen und anschließendes mehrmaliges Schmieden, das zum Teil mit Hilfe großer, wassergetriebener Hammerwerke erfolgte, von Verunreinigungen befreit. Das Roheisen, das man am Ende dieses Prozesses erhielt, wurde dann in Form von Barren oder Stangen an Schmiedebetriebe verkauft. Sie verarbeiteten das Eisen zu den verschiedensten Gebrauchsgegenständen, indem sie es in glühendem Zustand in die gewünschte Form schmiedeten.

Gegen Ende des 15. Jahrhunderts erlebte die auf solche althergebrachten Produktionsverfahren ausgerichtete Eisen-Industrie" der Eifel einen grundlegenden Umbruch.

Zugewanderte Fachkräfte (vielleicht aus der Wallonie oder dem Siegerland) brachten verschiedene technische Neuerungen, die einige Jahrzehnte zuvor in den eisenverarbeitenden Betrieben ihrer Heimatlandschaften eingeführt worden waren, zu den Eifler Reitwerken. Dabei handelte es sich hauptsächlich um einen neuen Ofentyp, den sogenannten „Hochofen". Er unterschied sich, wie schon sein Name erkennen läßt, von den bis dahin gebräuchlichen flachen „Rennfeueröfen" durch eine größere Höhe. Er wurde in mehreren Schichten wechselnd mit Erz und Holzkohle gefüllt. Bevorzugt verwendete man dabei aus Eichenholz hergestellte Holzkohle, die einen besonders hohen Heizwert besaß. Zu besseren Sauerstoffversorgung wurden die Hochöfen mit großen, meist wassergetriebenen Blasebälgen durchlüftet.

Mit diesen Hochöfen erreichte man erheblich höhere Temperaturen als mit den alten Rennfeueröfen und es gelang jetzt erstmals, das Eisen kontrolliert zu verflüssigen und in einen gießfähigen Zustand zu bringen.

Man war nun in der Lage, Gegenstände, die bisher aus Metallen mit niedrigerem Schmelzpunkt gefertigt wurden, aus dem haltbareren und robusteren Werkstoff Eisen herzustellen. Die Eifler Reitwerke begannen sofort, die so eröffneten Möglichkeiten zu nutzen. In der Folgezeit wurden rasch neben den traditionellen Hüttenbetrieben, die auch weiterhin Roheisen zu Weiterverarbeitung in Schmieden produzierten, zahlreiche Gießereien angelegt. Sie stellten aus dem Eifler Eisen bald so unterschiedliche Gegenstände wie Kanonen und Kochtöpfe her. Es wurde in den ersten Jahrzehnten nach Einführung des Eisengusses auch eine ganze Reihe völlig neuartiger Produktgruppen entwickelt, die mit den vorher verfügbaren Werkstoffen nicht realisierbar waren.

Zu den neuen Erzeugnissen, die im Zuge dieses Innovationsprozesses entstanden, gehörte auch die Eifler Herdplatte.

Ihre Entwicklung ist eine Konsequenz des in jener Zeit üblichen Heizverfahren; die Häuser wurden damals überwiegend mit offenen Kaminen beheizt. Hierbei war das Mauerwerk hinter der Feuerstelle starken Hitzeeinwirkungen ausgesetzt. Um den daraus entstehenden Abnutzungserscheinungen entgegenzuwirken, wurde jetzt eine Platte aus Eisen gegossen und in die Wand hinter der Feuerstelle eingesetzt. Diese „Kaminplatte" (so nennt man diese erste und älteste Form der Eifler Herdplatte) schützte nun das Mauerwerk. Zugleich verbesserte sie die Heizwirkung des Feuers, denn das Eisen strahlte die aufgenommene Wärme (auch noch lange nach Erlöschen des Feuers) wieder in den Wohnraum ab.

Aus der Kaminplatte wurde schon bald eine zweite Form der Herdplatte entwickelt, indem man sich die hervorragende Leitfähigkeit des Eisens zunutze machte, um mit der Wärme des Kaminfeuers zugleich den Nebenraum mitzubeheizen. Hierzu sparte man in der Wand hinter der Feuerstelle eine Öffnung aus, in die eine Eisenplatte gesetzt wurde. Diese „Takenplatte" wurde durch das Kaminfeuer erwärmt und gab die aufgenommenen Hitze auch in den Nebenraum ab. Um diese Heizwirkung regulieren zu können, setzte man im mitzubeheizenden Nebenraum einen sogenannten „Takenschrank" vor die Takenplatte, mit dessen Türen dann die Wärmezufuhr gesteuert werden konnte. Gern verwendet wurde diese Konstruktion vor allem zur Beheizung repräsentativer Räumlichkeiten in den Häusern reicher Bürger und Adliger, um sie von den mit offenem Feuer einhergehenden Unannehmlichkeiten wie Rauch und Schmutz freihalten zu können.

In der Folge wurde versucht, die Konstruktion sowohl in ästhetischer wie auch in heiztechnischer Beheizung weiter zu vervollkommnen, indem man dazu überging, im Nebenraum statt der Takenplatte einen Kasten aus mehreren miteinanderverschraubten Eisenplatten (sogenannten „Ofenplatten") vor die Maueröffnung zu setzten. In diesen „Kastenofen" wurde die Glut aus dem Kaminfeuer hineingeschoben. Der Kastenofen war nicht nur eindrucksvoller und repräsentativer als eine einfache Takenplatte, sondern erzielte wegen der erheblich größeren Wärmeabstrahlfläche zugleich eine wesentlich bessere Heizwirkung.

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts entwickelte man aus den Kastenöfen völlig freistehende, aus einem Stück gegossene Rundöfen. Die Herdplatten verloren damit ihre bisherige praktische Funktion. Die allgemeine Durchsetzung der Rundöfen, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts erfolgte, bedeutete deshalb das Ende der Eifler Herdplattenkunst. Die funktionslos gewordenen Kamin-, Taken- und Ofenplatten wurden aus den Häusern entfernt, viele gingen in den folgenden Jahrzehnten verloren, während andere die Zeit überdauerten, bis sie in unseren Tagen wiederentdeckt wurden und zu neuer Ehre gelangten.

Eine solche Renaissance hätte es mit Sicherheit nicht gegeben, wären die Herdplatten einfach nur flache, schmucklose Eisenplatten gewesen. Sie gewinnen ihre ganz besonderen Reiz für den heutigen Betrachter erst dadurch, daß sie schon bald als Felder künstlerischer Betätigung entdeckt und auch genutzt wurden. Den ersten Schritt zu solcher Gestaltung tat man, indem einfach irgendein Gegenstand (eine Pfeife oder die eigene Hand) in den Sand der Gußform gedrückt wurde, der sich dann auf der fertigen Platte abzeichnete.

Bald wurde begonnen, die Herdplatten mit anspruchsvolleren Motiven zu versehen. Hierzu verwendete man Holzmodelle, in die eine jeweils gewünschte Darstellung eingeschnitten war. Holzminiaturen, die von Kunstschreinern zur Verzierung von Möbelstücken oder Türen geschaffen wurden, waren Vorläufer. Als dann die Produktion von Herdplatten einen bedeutenderen Umfang erreicht hatte, wurden mehr und mehr Modelle speziell für die Eisengießereien hergestellt. Für die Fertigung dieser „Modeln" bildete sich schließlich sogar ein besonderer Berufsstand, der „Formschneider", heraus. Der bekannteste und wohl auch bedeutendste Vertreter dieser Berufsgruppe war Phillip Soldan, der vornehmlich in Hessen und im Siegerland arbeitete, dessen Modeln aber auch von den Eifler Reitwerken hoch geschätzt und gern kopiert wurden.

Gefertigt wurden die Herdplatten mit den Motiven, die auf den Modeln derart vorgezeichnet waren, im sogenannten „Offenen Herdguß"-verfahren.

Hierzu legte man auf dem Boden der Gießerei, der „Herd" genannt wurde (daher „Herd"-guß und ,,Herd"-platten), ein flaches Bett aus feuchtem, mit Lehm vermischtem Sand an, auf das die Model gelegt, und dann vorsichtig in den Formsand eingeklopft wurde, bis ihre hervorgehobenen Teile in diesen eingedrungen waren. Daraufhin drückte man Sand an den Rand der Model an, die anschließend behutsam aus dem Bett herausgehoben wurde. Auf dem Boden der Gießerei hatte man nun einen Negativabdruck des Motivs, der von einem Rand umgeben war. In die nach oben offene Form ließ man - meist über einen Gießkanal direkt vom Hochofen aus - das flüssige Eisen einlaufen. Nachdem es abgekühlt war, wurde die Form zerschlagen und die Platte mit der der Model entsprechenden Darstellung aus dem Sand herausgehoben und gereinigt. Oft wurde diese dann noch, bevor sie ihrer Bestimmung als Kamin-, Taken- oder Ofenplatte zugeführt wurde, farbenfroh bemalt, was bei Platten mit Darstellungen von Wappen zu deren Bestimmung auch erforderlich war. Die Motive, die eine so hergestellte Herdplatte zierten, entsprangen nicht allein der Phantasie des jeweiligen Formschneiders, sondern waren Ausdruck der Kultur und sozialen Verhältnissen ihrer Entstehungszeit, die sich auch für den heutigen Betrachter anschaulich und lebendig widerspiegeln.

So stand die Eifel in der Zeit um 1500, als die ersten Herdplatten gegossen wurden, noch weitgehend unter dem Einfluß spätmittelalterlicher Geisteshaltung und Kunstauffassung. Auf Platten aus diesem Zeitraum findet man daher bevorzugt Szenen und Figuren volkstümlicher mittelalterlicher Sagen und Legenden, sowie Ornamentmotive in gotischem Stil.

Als sich einige Jahrzehnte später Renaissance und Humanismus in der Eifel durchsetzten, wechselten die Motive. Man wählte jetzt Themen aus Sagen und Mythen der klassischen Antike für die Herdplatten (diese Darstellungen wiesen ganz im Stil des freieren Geistes dieser Zeit häufig unverhüllt erotische Färbungen auf), wobei sich auch allegorische Darstellungen (zum Beispiel Gerechtigkeit oder Beständigkeit) klassischer Tugenden steigender Beliebtheit erfreuten.

Bereits in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts änderte sich das geistige und kulturelle Klima in der Eifel erneut; es begann die unruhige und bewegte Zeit der Glaubenskämpfe, die auch die Eifel erfaßte und schwer heimsuchte. Katholiken wie Protestanten entdeckten nun die Herdplatten als Medium für ihre jeweilige Propaganda. Mit Hilfe der bildlichen Darstellungen auf Kamin-, Taken- und Ofenplatten konnte man auch dem Schreibunkundigen (das war die übergroße Mehrheit der Bevölkerung) katholisches wie reformatorisches Gedankengut nahebringen.

So fertigte man im stark von reformiertem Glauben beeinflußten Norden der Eifel bevorzugt Herdplatten mit Motiven aus dem Alten und Neuen Testament, um so bildhaft die Abkehr der Protestanten von der als sündig und „heidnisch" angesehenen Renaissancezeit und ihre Rückwendung zum althergebrachten christlichen Glauben zu dokumentieren.

Die Reitwerke im katholisch bestimmten Süden schmückten ihre Erzeugnisse dagegen mit Darstellungen populärer Volksheiliger wie des hl. Willibrord oder der Luxemburger Madonna, um so die fromme Eifler Bevölkerung gegen die Protestanten, die die Heiligenverehrung grundsätzlich ablehnten, zu beeinflussen. Daneben wählte man aber auch weiterhin gern Motive im Stil von Renaissance und Humanismus, die an den (relativ) aufgeklärten und liberalen Höfen der geistlichen Herren (zum Beispiel des Trierer Erzbischofs) auch im 16., 17. und 18. Jahrhundert sehr beliebt waren.

Im 17. und 18. Jahrhundert hinterließen Barock und Absolutismus ihre Spuren auf den Eifler Herdplatten, sie wurden nun gern als Feld zur plastischen Darstellung des fürstlichen Macht- und Herrschaftsanspruchs genutzt. Dokumentiert ist dies in der Fülle prachtvoller Wappenplatten aus jener Zeit. Geschätzt wurden auch Herrscherdarstellungen und Allegorien auf fürstliche Macht und Größe sowie Ornamentplatten im prunk- und prachtverliebten Stil der barocken Kunstauffassung.

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts folgten erneut unruhige Zeiten; auf politischem, sozialem wie wirtschaftlichem Gebiet gab es eine grundlegende Umwälzung. Auch für die Eisenverarbeitung kam es in der nun erfolgenden Industrialisierung zu stürmischen technologischen Fortschritten. Während sich anderorts „Industrien" im modernen Sinne entwickelten, waren die kleinen Eifler Eisenhütten bald der wendigeren Konkurrenz, vor allem englischer Betriebe, nicht mehr gewachsen.

Der daraus resultierende allgemeine Niedergang, der im Laufe des 19. Jahrhunderts zum fast vollständigen Verschwinden der alten Eifler Eisen-Industrie" führte und die schon erwähnte Durchsetzung industriell in Großserien gefertigter, aus einem Stück gegossener Rundöfen bedeutete das Ende der Eifler Herdplattenkunst. Bis etwa 1850 wurden noch einzelne Platten im Stil von Klassizismus und Biedermeier gefertigt, dann verschwanden die Herdplatten vollständig vom Markt und aus dem Bewußtsein der Menschen.

Erst in unseren Tagen erlebten sie eine Renaissance, die dazu führte, daß wieder viele Gießereien (auch in der Eifel) Herdplatten nach alten Vorlagen herstellen und verkaufen. Zu hoffen bleibt, daß sich mehr und mehr Menschen für die Geschichte dieser gußeisernen Zeugen von Kultur- und Technikentwicklung interessieren und so Einblick in die von ihnen dokumentierten sozialen und gesellschaftlichen Verhältnisse der Vergangenheit gewinnen.

Literatur

Kippenberger, Albrecht Die Kunst der Ofenplatten 1./1973, Düsseldorf

Kreismuseum Blankenheim Herdplatten aus Eifeler Hütten. Publikationen des Kreismuseums Blankenheim, Regionalmuseum für Naturkunde und Kultur-geschichteder Nordwesteifel, Nr. 1,1/1981, Blankenheim

Maschinenfabrik Jünkerath 275 Jahre Arbeit am Eisen. 1/1962, Jünkerath

Theisen, Sigrid Der Eifler Eisenkunstguß im 15. und 16. Jahrhundert. 3./1978, Köln

dieselbe Geheimnisvolle Takenplatten. 1./1982, Trier