Die Knochenhöhle von Berndorf

Hans-Gregor Adrian, Berndorf

 

Einleitung:

Im Jahre 1987 wurde in einem Steinbruch bei Berndorf an der westlichen Abbauwand ein Karsthöhlensystem entdeckt, das zu den größten und interessantesten im linksrheinischen Teil Deutschland zählt.

Die spannende Geschichte ihrer Entdeckung, der langwierige Prozeß der Unterschutzstellung, das Gerangel zwischen den verschiedenen Interessengruppen, besonders aber der naturwissenschaftliche Aspekt dieses „Spalt- und Kluftsystems" sollen Gegenstand dieser Betrachtung sein.

Die Entdeckung

Sie geht auf Berichte von Mitarbeitern des Rheinischen Landesmuseums Trier zurück, die im Berndorfer Steinbruch auf eine inzwischen zugeschüttete Höhle, den „Berndorfer Abgrund" stießen und bedeutende Knochenfunde machten.

Einige Zeit später machte ein interessierter Bürger die Wissenschaftler erneut auf einen Höhlenfund im gleichen Steinbruch aufmerksam. Diese Information erreichte auch den HUK Nordrhein (=Höhlen- und Karstforschungsgruppe Nordrhein). Um diesem Fund das Schicksal des „Berndorfer Abgrundes" zu ersparen und da durch den laufenden Steinbruchbetrieb Gefahr im Verzüge war, handelte die Gruppe sofort.

Am 14.11.1987 verschafften sich zwei ihrer Mitglieder nach einer vierstündigen Grabungs und Meißelaktion Zutritt zur Höhle. Was sie dabei im spärlichen Licht ihrer Grubenlampen fanden, war die größte und interessanteste Entdeckung, die die Gruppe im Laufe ihres 20jäh-rigen Bestehens gemacht hatte. Die in aller Eile durchgeführte Vermessung des Höhlensystems ergab eine Gesamtlänge von 646 m und einen Höhenunterschied von fast 18 m.

In insgesamt 18 Forschungsnächten drangen die Hobbyforscher weiter in das System vor, entdeckten immer neue Gänge, Räume und Spalten mit den verschiedensten Tropfsteinbildungen, und immer wieder stießen sie auf Knochen.

Das ganze System wurde exakt vermessen, alle wesentlichen Entdeckungen fotografiert und von den Knochen eine kleine Auswahl eingesammelt. Am 10.10.1988 sandte der HUK Nordrhein eine Fundmeldung an das Rheinische Landesmuseum in Trier. Eine erste Bestandsaufnahme veröffentlichte er in den Mitteilungen seines Verbandes im Jahre 1989, allerdings ohne den Fundort preiszugeben.

Im August 1989 begann dann auch die erste Untersuchungskampagne des Rheinischen Landesmuseums Trier, die bis in den November dauerte.

Die Wissenschaftliche Bedeutung Knochenfunde

Eine erste Untersuchung der zahlreichen Knochenfunde wurde am Zoologischen Forschungsinstitut und Museum Alexander König in Bonn vorgenommen. Die Knochen waren durchweg in einem guten Zustand, zum Teil von einer Sinterkruste überzogen, zum Teil vom Höhlenlehm konserviert.

Die Untersuchungen, die Dr. Hutterer von der Säugetierabteilung durchführte, bestätigten den hohen wissenschaftlichen Wert des Fundes. Insgesamt konnten Knochen von 25 Wirbeltierarten eindeutig bestimmt werden. Die Bestimmung dieser Tierarten legte die Vermutung nahe, daß die Höhle im Jungpleistozän, also vor etwa 120 000 Jahren und damit vor der letzten Eiszeit schon existierte.

Es fanden sich nämlich Knochen von Tieren, die nach der letzten Eiszeit in der Eifel entweder ausgestorben sind oder in der damals lebenden Form nicht mehr vorkommen. Dies gilt insbesondere für Großformen wie den eiszeitlichen Riesenhirsch oder den Riesenmaulwurf. Die hier gefundenen Knochen ließen aber nicht nur eine zeitliche Einordnung zu, sie gestatteten den Wissenschaftlern auch Rückschlüsse auf Offensichtlich gab es Nadelwald, den das Auerhuhn bevorzugte, daneben aber auch Laubmischwald, in dem der Rothirsch lebte, außerdem freie Flächen, wie das Vorkommen von Feldmaus und Riesenmaulwurf belegt.

Höhlenforscher bei der Arbeit

Tropfsteinbildungendie damals vorhandene Vegetation in und um Berndorf.

Liste der bisher bestimmten Wirbeltierarten, (Auswahl):

I. Säugetiere:

1. Fledermäuse

Kleine Hufeisennase (Rhinolophus hipposideros)

- Fransenfledermaus (Myotis nattereri)

2. Insektenfresser:

- Riesenmaulwurf (Talpa Magna)

- Feldspitzmaus (Crocidura leucodon)

3. Raubtiere:

- Braunbär (Ursus arctos)

- Dachs (Meles meles)

4. Nagetiere

- Schermaus (Arvicola terrestris)

- Murmeltier ? (Marmota spec.)

- Schneehase (Lepus timidus)

5. Paarhufer

Wildschwein (Sus scrofa)

- Rothirsch (Cervus elaphus)

- Elch (Alces alces)

- Rentier (Rangifer tarandus)

- Ur (Bös primigenius)

6. Einhufer

- Pferd (Equus spec.)

II. gel

7. - Auerhuhn (Tetrao urogallus)

III. Amphibien

8. - Erdkröte (Bufo bufo)

9. - Feuersalamander (Salamandrasalamandra)

Knochenfunde 120.000 Jahre alt

Wahrscheinlich sind die gefundenen Knochen über einen längeren Zeitraum in der Höhle abgelagert worden, es fanden sich sogar Knochen von Ratten, Kaninchen und Hauskatzen, was bedeutet, daß die Höhle bis in die Gegenwart zugänglich war.

Sicher ist auch, daß aufgrund der engen Spalten und Klüfte die Höhle nur kleineren Tieren wie Fledermaus, Maus und Salamander als Wohnraum gedient haben kann.

Die Reste der größeren Tiere stammen entweder von verunglückten Tieren, sind durch Regenwasser in die Höhle geschwemmt oder als Beute von kleineren Raubtieren hinein getragen worden.

Leider konnten bisher keine Knochen oder andere Zeugnisse des eiszeitlichen Menschen in der Höhle gefunden werden.

Geologische Einordnung

Der Standort der Berndorfer Höhle liegt - geologisch betrachtet - in der Hillesheimer Kalkmulde. Diese Kalkmulde liegt mit noch neun anderen Kalkmulden in einer in N-S-Richtung durch die Eifel verlaufenden Depressionszone Absenkung), die als Kalkeifel bezeichnet wird. Das Besondere an diesen Kalkmulden ist die Tatsache, daß sich hier aufgrund der tieferen Lage die jüngeren Gesteine des Mittel- und Oberdevon noch erhalten konnten, während sie in den umgebenden, höher liegenden Teilen der Eifel längst durch Wind und Wetter abgetragen wurden.

Innerhalb der Hillesheimer Kalkmulde werden weitere geologische Einheiten unterschieden. Unser Steinbruch liegt im Bereich des Kobericher Spezialsattels. Er zeichnet sich durch mächtige (20 -100 m) Kalk- und Mergelsteinablagerungen aus, die im Verlaufe von Jahrmillionen von riffbildenden Korallen abgelagert wurden. An Fossilien findet man hier besonders zahlreich Hohltiere, zum Beispiel Korallen, Seelilien (Crinoiden) und Armfüßer (Brachiopoden). Für den inzwischen ausgebeuteten Steinbruch „Rauhheck" wird „Calceola Sandalina", die berühmte Pantoffelkoralle, geradezu als typisches Fossil bezeichnet. Zur zeitlichen Einordnung sei noch erwähnt, daß diese Ablagerungen vor etwa 390 bis 376 Mio. Jahren stattgefunden haben.

Weiterhin sind für die Entstehung der Höhle insbesondere Störungszonen im Gestein, das Vorhandensein von löslichem Kalk sowie kohlensäurehaltiges Grundwasser erforderlich. Sind diese Bedingungen erfüllt, kommt es durch steigenden oder sinkenden Grundwasserspiegel entlang von Spalten und Klüften zum Auswaschen von Gestein und damit zum Entstehen von Hohlräumen. Auf diese Art und Weise ist auch die im folgenden näher beschriebene Knochenhöhle von Berndorf entstanden.

Beschreibung der Höhle

Das gesamte Höhlen- und Spaltsystem erstreckt sich auf einem Areal von etwa 75 x 45 m, wobei ein großer Teil der Höhle außerhalb des Steinbruchbetriebes und unterhalb der westlich gelegenen Äcker liegt. Vom Höhleneingang im Bereich des Sichtschutzes steigt man durch drei übereinander liegende Räume hinab, bis man bei etwa 18m das Niveau des eigentlichen Systems erreicht. Es handelt sich dabei nicht um einen einzigen, großen Raum, sondern um eine Vielzahl von Räumen, Spalten und Klüften, die oft 5 -10 m hoch, 15 - 20 m lang aber oft auch nur 0,5 - 2,0 m breit sind.

Insgesamt ergeben alle diese Spalten zusammengenommen die beachtliche Länge von 646 m. Damit ist die Knochenhöhle von Berndorf die größte Höhle der Eifel beziehungsweise von Rheinland-Pfalz.

In den einzelnen Räumen fanden die Höhlenforscher alle Arten von Sinterschmuck, wie man ihn aus Tropfsteinhöhlen kennt: Stalagmiten, Stalagtiten, Sinterbecken, Sinterfahnen und durchsichtige Makkaroniröhrchen. Daneben wurden auch kleinere Vererzungen und verschiedene Kristallformen entdeckt. Daß die Forscher von ihrem Fund begeistert waren, verraten schon die Namen, die sie den einzelnen Höhlenteilen gegeben haben:

Halogenkluft, Berggeist, Traumkluft, Kluft der Regenbogenkobolde, Montmilchkluft und Regendom.

Messungen ergaben, daß in der Höhle durchschnittliche Temperaturen von 7 - 8 Grad herrschen, über mehrere Ausgänge strömt Frischluft von außen zu, gelegentlich fließt sogar ein kleiner Bach durch die Höhle.

Ausblick Unterschutzstellung

Nach zähem Ringen und unter Abwägung zahlreicher, zum Teil entgegengesetzter Interessen wurde die Höhle im Dezember 1988 vorläufig unter Schutz gestellt. Knapp ein Jahr später erfolgte die endgültige Unterschutzstellung (11/89) nach dem Denkmalschutz- und Pflegegesetz; die Höhle erhielt die offizielle Bezeichnung „Karst-Höhlengang- und Spaltsystem bei Berndorf". Leider wurde nur der Teil der Höhle unter Schutz gestellt, der durch den Steinbruchbetrieb nicht akut gefährdet ist.

Die Höhle als Touristenattraktion

Von dem Höhlensystem sind inzwischen schon 40 Prozent zerstört, verschüttet, darunter der „Regendom" und der „Berggeist". Es handelt sich um den Bereich, der direkt im Steinbruch liegt. Der westlich der Steinbruchkante unter dem Sichtschutz und unter den Äckern Richtung Berndorf gelegene Teil ist dagegen noch intakt.

Trotzdem sind die Aussichten, in naher Zukunft hier eine touristische Attraktion zu erhalten, die der Gemeinde Berndorf zusätzliche Bekanntheit und Einnahmen bringen könnte, äußerst gering. Große Teile der Höhle bestehen aus schmalen, engen Klüften, die nur von erfahrenden Höhlenforschern bezwungen werden können. Eine Führung von Touristengruppen durch das System ist nur schwer vorstellbar. Außerdem liegen große Teile des Systems bis zu 18 m tief unter Eingangsniveau, was eine ziemliche Kletterei bedeutet.

Vielleicht ist es aber möglich, der Gemeinde Berndorf einen Lageplan der Höhle, einige Fundstücke und natürlich Fotos zur Verfügung zu stellen, die dann ausgestellt werden könnten. Auch ein Lichtbildervortrag wäre eine weitere Möglichkeit, die Erkenntnisse der Wissenschaftler vielen interessierten Bürgern zugänglich zu machen.

Literatur:

Mitteilungen des Verbandes deutscher Höhlen- und Karstforscher, 35, (1/2), München 1989, S. 67 - 70.

Höhlen- und Karstforschungsgruppe Nordrhein. Stellungnahme zur Frage der Schutzwürdigkeit der im Nov. 1987 im Steinbruch Berndorf der Fa. Müller-Kalk entdeckten Höhle {Knochenhöhle, Höhlenkataster Eifel, Kat.-Nr.: 5606/40)

Rechtsverordnung zur Unterschutzstellung der Kreisverwaltung Daun als Untere Denkmalschutzbehörde zur einstweiligen Unterschutzstellung der Denkmalzone „Karst-Höhlengang und Spaltsystem bei Berndorf". Daun, 07.06.1989.

Hutterer, Dr. R.: Vorläufige Analyse der Wirbeltierreste aus der Knochenhöhle. Manuskript. Bonn (Museum Alexander König) 1988. Fuchs, Günter: Geologie des Westteils der Hillesheimer Mulde (Mitteldevon/Eifel). In: Fortschr. Geol. Rheinl. u. Westf. Krefeid 1965, S. 323 -448.

Verbandsgemeinde Hillesheim (Hrsg.): Begleitbuch zum Geo-Pfad der Verbandsgemeinde Hillesheim. o.J.