Geschichte -Geschichten

Spuren der Römer

in der Umgebung von Steffeln

Meinem Großvater Johann Finken zum 100. Geburtstag

Werner Grasediek, Steffeln/Trier

 

Wie wird wohl dem Bauern Johann Meis aus Steffeln zumute gewesen sein, als er beim Pflügen auf seinem Acker plötzlich mitsamt seinem Pferdegespann im Erdboden versank? Der Vorfall ereignete sich im Januar 1913. Wie sich herausstellte, war Johann Meis in den Keller eines römischen Gutshofes eingebrochen. Auf seinem Acker, kaum 400 Meter nordwestlich des Ortsausganges von Steffeln, war er früher schon mehrfach auf umfangreiche Mauerreste gestoßen, die er, da sie beim Pflügen hinderlich waren, ausgebrochen hatte. Auf den Vorfall wurde der Dorfpfarrer Friedrich Wilhelm Bartholome - wie viele seiner damaligen Amtsbrüder heimatkundlich interessiert - aufmerksam und teilte seine Beobachtung dem Förster Raesch mit, der flugs den Fund dem Rheinischen Landesmuseum Trier meldete. Daraufhin nahmen am 6. und 7. Februar 1913 die Trierer Archäologen Oelmann und Steiner eine nähere Untersuchung der Fundstelle vor und wieder einmal sollte sich zeigen, daß eine sagenhafte Erzählung und ein Flurname die Erinnerung an eine fast zweitausend Jahre alte Siedlungsstelle bewahrt hatten.

Nach der lokalen mündlichen Überlieferung, die Pfarrer Franz Brühl in den 1940er Jahren schriftlich festgehalten hat, erzählte man sich in Steffeln, daß unter der Flur »Ringmauer« sowie gegenüber ins Tal hinein die Überreste mehrerer alter Häuser verborgen seien; dort habe früher nämlich das Dorf Steffeln gestanden. Noch Mitte des 19. Jahrhunderts war offenbar das anstehende Mauerwerk zu sehen, wie der Daleidener Pfarrer Michael Bormann in seinem »Beitrag zur Geschichte der Ardennen« berichtet (S. 127): »Östlich vom Katzenkopfe bei Steffeln, an der Straße von Malmedy nach Coblenz, 1/8 Stunde ober dem Dorf genannt an der Laach, sieht man noch Rudra« (d.h. Ruinen). »Laach« ist der Flurname des gesamten halbkreisförmigen Kessels, in dem die Fundstelle liegt und bedeutet nach H. Dittmeier (S. 175) eine flachmuldige Vertiefung in einem Feld.

Hinweise auf eine ehemalige Siedlungssteile (»Wüstung«) geben schon der Flurname »Ringmauer« und die unweit davon entfernt verlaufende »Holljass«, Teil einer alten Handelsstraße von Lüttich nach Koblenz, die wahrscheinlich bereits schon von den Römern benutzt wurde. Die Flurbezeichnung »Ringmauer« rührte offenbar daher, daß die römischen Mauerreste »öfter von solchen Rundungen unterbrochen gewesen (waren) - nach Art von Säulchen«, wie Franz Brühl von den Steffelnern gehört hatte. Tatsächlich stießen auch die Archäologen auf ein Stück Säule. Es handelt sich wohl um die Überreste einer Säulenvorhalle, eines sogenannten Porticus, wie sie typisch für römische Landhäuser waren. Die aus vulkanischem Tuffstein bestehenden Mauerquadern, die in etwa einem Kilometer Entfernung im Küllenberg gebrochen wurden, reichen bis etwa 30 cm an die Oberfläche heran. Heute noch ist der ganze Acker auf einer Fläche von 100 mal 100 Meter übersät mit Ziegelbrocken und Keramikfragmenten.

Der römische Gutshof lag etwa an der Stelle des dunkel gefärbten Ackers in der Bildmitte.

Da erst in der zweiten Hälfte des ersten nachchristlichen Jahrhunderts in unserem Gebiet Steinbauten mit Mörtel und Ziegeldächern aufkamen, ist damit ein Anhaltspunkt für die Erbauungszeit gegeben. Typisch für die römerzeitliche Besiedlung waren solche Einzelsiedlungen; Dörfer in unserem Sinn gab es eigentlich nicht. Die Siedlungsstelle war günstig gewählt: Am Fuß einer halbkreisförmig nach Süden und Westen abgeschlossenen Mulde auf einer leicht geneigten Terrasse oberhalb des vom Tieferbach durchflossenen Wiesentales, das sich breit nach Südosten öffnet, war man vor den rauhen Westwinden geschützt. Den Untergrund dieser rundlichen Senke, ein ehemaliger Maarvulkan, bilden feinsandige vulkanische Tuffe, zum Teil mit Buntsandstein vermischt, die tiefgründige und nährstoffreiche Böden ergeben und sich vorzüglich zum Ackerbau eignen. Die Schlackentuffe verfügen über die Fähigkeit, sich mit Wasser vollzusaugen und diese langsam an die Vegetation abzugeben. Der Fundort konnte zwar nicht systematisch untersucht und sorgfältig ausgegraben werden, aber nach den gemachten Funden dürfen wir uns hier die Überreste eines römischen Gutshofes vom Typ der »Saalhaus-Villa«, der als »villa rustica« bezeichnet wird, vorstellen, ähnlich der wenige Kilometer südlich bei Schwirzheim entdeckten und genau untersuchten Villa. Die Fassade bildete eine Säulenvorhalle (Porticus), die von vorspringenden Räumen an beiden Ecken flankiert wurde. Dahinter befand sich ein großer, zentraler, hallenartiger Raum mit einer Herdstelle. Üblicherweise verfügten die Villen über eine Fußbodenheizung (Hypokaustanlage). Nach den aufgefundenen Stücken von bemaltem Wandverputz waren die Zimmerwände mit Malereien geschmückt. Die Zimmerböden waren über einem Estrich mit Flachziegeln ausgelegt (Bodenplatten), deren Bruchstücke auf dem Acker leicht zu finden sind, ebenso wie Stücke von Dachziegeln, mit denen die Villa gedeckt war. Reste von Mosaiken wurden dagegen nicht vorgefunden. Wie die ausgefugten, rotausgemalten Quader aus »Küllenberger Stein« belegen, hatte die Außenseite des Hauses einen roten Anstrich. Die Wasserversorgung mit frischem Quellwasser war durch eine Röhrenleitung sichergestellt, auf deren Reste man bei der Ausgrabung stieß. Die Quelle wird in der Flur »zum Börchen«, (von Born = Quelle) am Hang direkt oberhalb der Siedlungsstelle zu suchen sein. Im Umkreis der antiken villa rustica standen die eigentlichen Wirtschaftsgebäude, Ställe, Scheunen, Speicher, Back- und Brauhaus und Gesindewohnungen, die, da sie in Holzlehmbauweise errichtet waren, kaum Spuren hinterlassen haben.

Unweit dieses ältesten Siedlungsplatzes von Steffeln ist vor wenigen Jahren ein neuer «Römerhof« in Gestalt des modernen Aussiedlerhofes von Hubert Keller erstanden.

Zu jeder römischen Villa gehörte auch eine Begräbnisstätte, an der die Toten verbrannt und mit Beigaben versehen in Urnen oder steinernen Aschenbehältern beigesetzt wurden. Bisher hat man jedoch noch keine Gräber entdeckt. Allerdings befand sich bis zur «Flurbereinigung« vor gut 25 Jahren auf der Anhöhe »Wahlhausen«, etwa einen Kilometer nordöstlich, ein imposanter keltischer Grabhügel, das «Generalsknüppchen«.

Etwa zweieinhalb Kilometer südwestlich wurden 1921 am Rand des Trockenmaarkessels des sogenannten Duppacher Weihers gegenüber dem Heidberg ebenfalls eine römische Villa gefunden, sowie imposante Bruchstücke eines wohl dazugehörenden Grabmonumentes, das einen Löwen darstellt, der einen Eber schlägt (ausgestellt im Rheinischen Landesmuseum Trier). Denkbar erscheint eine Straßenverbindung von hierzu der Villa bei Steffeln.

Sicherlich war unsere Villa an das römische Straßennetz angebunden. Steffeln liegt etwa in der Mitte zwischen den römischen Straßensiedlungen Ausava (heute: Oos) und Icorigium (heute: Jünkerath). Der Verlauf der wichtigen römischen Straßenverbindung zwischen der «Frontstadt« Colonia Claudia Ära Agrippinensium, dem heutigen Köln, und der Provinzhauptstadt und zeitweiligen Kaiserresidenz Augusta Treverorum (Trier) ist allerdings gerade im Bereich zwischen Oos und Jünkerath nicht zweifelsfrei geklärt. Nach der einen Forschermeinung (von Veith) lief die Straße nördlich der Ooser Brücke über Scheuern und dann geradewegs auf Auel zu, wo sie sich um die Kirche drehte, an deren Stelle sich vielleicht eine Befestigung befunden hat, durchquerte das flache Tieferbachtal und führte am Weihersberg vorbei nach Lissendorf und weiter Richtung Jünkerath. Ein anderer Forscher (Schmidt) meinte dagegen, daß sie von der Ooser Brücke westlich von Scheuern und Auel in Richtung Steffeln führte und von dort über den Weideschberg und durch den Lissendorfer Wald, Gönnersdorf rechts liegend lassend, nach Jünkerath (rgl. Hagen 1931, S. 118f.). Wenn man die Linienführung wie auch die Vermeidung von Steigungen als wichtige Kriterien in Betracht zieht, spricht einiges für den Streckenverlauf über Auel und Lissendorf.

Ehemaliger Steinbruch unterhalb der Steffelner Kirche.

Heidberg, Blick nach Norden. Der Feldweg folgt dem mutmaßlichen Verlauf der Römerstraße.

Als weitere Variante ist aber eine Querverbindung zwischen der Römerstraße Köln-Trier und der Römerstraße Köln-Reims denkbar, die am Heidberg östlich des Duppacher Weihers von der Köln-Trierer Straße abzweigte und in nordwestlicher Richtung über Steffeln, Ormont, Losheim, Büllingen, Münsingen nach Eisenborn lief, um hier auf die Köln-Reimser Straße zu treffen. Im Mittelalter und bis in die napoleonische Zeit verlief in dieser Richtung jedenfalls eine wichtige Handelsstraße von Lüttich nach Koblenz. In unmittelbarer Nähe des Dorfes, etwa 100 Meter oberhalb der heutigen Brunnenstraße, stieß Josef Finken (Steffeln/Pulheim) im Jahr 1945 im Bereich der Flur »Im Bungert« beim Ausheben von Gräben in etwa zwei Meter Tiefe auf Straßenpflaster aus blauem Basalt, der am Westhang des Steffelnkopfes gebrochen worden sein konnte.

Auf der Kuppe des inzwischen weitgehend abgetragenen, früher weithin sichtbaren und die Landschaft beherrschenden Tuffkegel des Steffelnkopfes (früher 607 m), der mehr als hundert Meter über die Hochfläche aufragte, sah der Trierer Archäologe Oelmann in einem runden Steinhaufen »von etwa 57 Schritten« aus kleinen Bruchstücken von Tuff, aber auch rotem Sandstein, Grauwacken und Fragmenten römischer Ziegel die Überreste eines römischen Turmes oder Warte. Signalstationen und Hochwarten bildeten ein umfangreiches System zur Sicherung der Verkehrslinien. Durch die Abtragung des Tuffkegels sind diese archäologischen Fundstellen beseitigt worden.

Die Römer wußten bereits die bei Steffeln anstehenden vulkanischen Palagonittuffe als spezielles Baumaterial zu schätzen. Fridolin Hörter stellte »die Verwendung von unverwechselbar Steffelner Tuff« in der bekannten Villa Otrang bei Fließem (bei Bitburg) fest, und zwar als Rahmensteine für den Feuerungskanal (Präfurnium) der jüngeren Badeanlage. Hörter entdeckte Steffelner Tuff auch in Trierer Großbauten wie den Barbarathermen und der konstantinischen Palastaula (»Basilika«), wo der Palagonittuff ebenfalls für den Bau der Feuerungsanlagen benutzt wurde.

Im Unterschied zu anderen Gesteinen, auch Basalt, zeichnen sich die dunklen, festen Palagonittuffe durch eine hohe Feuerbeständigkeit aus, sie behalten »wie ein natürliches Schamottgestein selbst bei hoher Hitze ihre Festigkeit ... und (sind) daher ein idealer Baustoff für Backöfen und Feuerungsanlagen« (Hörter 1992, S. 173). Daher lohnte sich auch der weite Transportweg von Steffeln über die Römerstraße bis nach Otrang und Trier. Noch bis ins 19. Jahrhundert hinein wurden bei Steffeln diese »Backofensteine« gebrochen (Schmitz 1844, S. 22; Schannat-Bärsch 1854, S. 404). Die Palagonittuffe finden sich nördlich des Ortes an der Straße nach Schönfeld, am Küllenberg und selbst mitten im Ort, wo heute noch die hohen Abbauwände der Tuffsteinbrüche zu sehen sind, die sich halbkreisförmig um die Kirche legen und sie um so hochaufragender erscheinen lassen. Ein großer Steinbruch mit umfangreichen Geröllhalden ist am Küllenberg zu sehen. Dicht an der Römerstraße gelegen muß sich hier bereits in der Antike ein relativ bekanntes Zentrum der Steingewinnung und -Verarbeitung entwickelt haben. Vielleicht haben die Römer auch schon die Mühlsteinbrüche am Steffelnkopf ausgebeutet. Es bleibt zu fragen, wie lange die Steinbrüche von den Römern genutzt wurden und wie lange die Villa bei Steffeln bewohnt war. Nachdem der römische Feldherr Cäsar im Gallischen Krieg (58-50 v. Chr.) das Gebiet zwischen Pyrenäen und Rhein erobert hatte, gehörte es für fast ein halbes Jahrtausend zum Römischen Reich. In dieser Zeit wurde in der Eifel die keltisch-germanische Bevölkerung, die zunächst in den fruchtbaren, waldfreien Kalkgebieten östlich von Prüm, um Hillesheim und Blankenheim gesiedelt hatte, romanisiert. Seit dem ersten, besonders aber im zweiten Jahrhundert n. Chr. erfolgten in einer Zeit wirtschaftlicher Blüte der Landesausbau und die Besiedlung abseitiger Landschaften. Bereits bei den verheerenden Zerstörungs- und Plünderungszügen der Germanen um 275/76 und 353/356 gingen zahlreiche villae unter. Auch die unbefestigten Straßendörfer Jünkerath und Oos wurden zerstört.

Jünkerath baute man zu Beginn des vierten Jahrhunderts als stark befestigtes Straßenkastell wieder auf.

Da für die Trierer Palastaula, deren Baubeginn in das erste Jahrzehnt des vierten Jahrhunderts fällt, Steffelner Palagonittuff verwendet wurde, ist dies ein Beleg dafür, daß die Steinbrüche von Steffeln in dieser Zeit jedenfalls noch in Betrieb waren.

Spätestens aber nach den wiederholten Plünderungszügen der ripuarischen Franken in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts haben die Besitzer ihre Höfe auf dem Land verlassen, sofern sie nicht schon vorher gebrandschatzt worden waren.

Quellen und Literatur

Bormann, Michael: Beitrag zur Geschichte der Ardennen. 2. Teil. Trier 1842

Dittmeier, Heinrich: Rheinische Flurnamen. Bonn 1963 Hagen, Josef: Römerstraßen der Rheinprovinz. 2. Aufl. Bonn 1931 (Geschichtlicher Atlas der Rheinprovinz Erl.bd. 8) (Publ. d. Gesellsch. f. Rhein. Gesch.kde. 12) Heinen, Heinz: Trier und das Trevererland in römischer Zeit. 2000 Jahre Trier. Bd. l. 2. überarb. Nachdruck Trier 1988. Hörter, Fridolin: Backofensteine aus der Eifel. In: Eifeljahrbuch 1993, S. 113-116. Hörter, Fridolin: Steffelner Tuffe - schon die Römer haben sie verwendet.

In: Heimatjahrbuch Kreis Daun 1992, S. 171-174. Kyll, Nikolaus: Die Römerzeit. In: Jahrbuch des Kreises Prüm 1961, S. 18-27 Rheinisches Landesmuseum Trier: Ortsakten Steffeln; darin: Grabungsbericht von P. Steiner/F. Oelmann vom 6. 2.1913 und Begehung am 7. 2.1913. Schannat, Johann Friedrich: Eiflia Illustrata.

Aus dem lat. Manuskript übers, u. mit Anm. u. Zusätzen bereichert von Georg Barsch. Bd. 3, 2. Abt., 1. Abschn. Köln/Aachen/Leipzig 1854. (Schmitz, Johann Hubert): Ailseitiges Gemälde der Eifel und ihrer nächsten Umgebungen. Von einem katholischen Geistlichen der Eifel (d.i. Joh. Hub. Schmitz). Prüm 1844.

Schneider, Jakob: Antiquarische Entdeckungen im Regierungsbezirke von Trier.

In: Jahrbücher des Vereins von Alterthumsfreunden im Rheinlande III, 1843,3.60-82.

Schumacher, Karl-Heinz: Geographische Analyse der baulichen Verwendung von Natursteinen in der Eifel. Aachen 1988 (Aachener Geogr. Arbeiten 20)

Steinhausen, Josef: Archäologische Siedlungskunde des Trierer Landes. Trier 1936. Trierer Jahresberichte VI, 1913, S. 20; XIII, S. 76f.