Problematik der Aufforstung - aus dem Blickwinkel der Landwirtschaft

Dr. Rudolf Monzel, Daun

 

Der Landkreis gehörte früher zu den strukturschwachen Kreisen der Eitel, bezogen auf Landwirtschaft und private Forstwirtschaft. Er hatte nach dem Kriege die kleinste durchschnittliche Betriebsgröße in der Landwirtschaft: 4,5 ha! Unzählige Realteilungen haben diesen Tatbestand geschaffen. Es gab kaum größere und gar keine Großbetriebe.

Diese Situation hat sich, beginnend mit den 60er Jahren, ganz gewaltig geändert. Der Strukturwandel in der Landwirtschaft konnte sich im Kreisgebiet weit schneller entwickeln als in anderen Eifelkreisen. Bedingt durch die gute Infrastruktur und das in den 60er und 70er Jahren ständig vorhandene Angebot an gewerblichen und industriellen Arbeitsplätzen, schritt dieser Umstrukturierungsprozeß schnell fort.

Es waren ständig Aufstockungsflächen verfügbar, das heißt die potentiell ausbauwilligen Betriebe konnten ihre Betriebsfläche vergrößern, indem sie Land von den abstockenden, zum Nebenerwerb übergehenden oder aufgebenden Betrieben auffangen konnten.

Diese Entwicklung war für die Landwirtschaft durchaus positiv.

Die gute Infrastruktur, verbunden miWem Angebot außerlandwirtschaftlicher Arbeitsplätze, sorgte dafür, daß der Anteil der Nebenerwerbslandwirte im Kreis Daun wesentlich größer ist als in anderen Kreisen. Der Anteil der Nebenerwerbsbetriebe an der Gesamtbetriebszahl macht etwa 75 v. H. aus.

Zur Zeit erleben wir einen neuen, stürmischen Umstrukturierungsprozeß in der Landwirtschaft.

Es scheiden immer mehr Betriebe aus der Landwirtschaft aus, auch größere existenzfähige Haupterwerbsbetriebe geben auf, vielfach Betriebe, die weiter bestehen bleiben können. Die Betriebsleiter und der Hoferbe rechnen sich für sich selbst zukünftig keine Existenzchance mehr aus. Obwohl, objektiv betrachtet, die Entwicklungsmöglichkeiten für die in der Landwirtschaft Verbleibenden durchaus positiv zu beurteilen sind.

Viele Nebenerwerbsbetriebe geben ganz auf, andere Haupterwerbsbetriebe stocken ihre Betriebe zum Nebenerwerb ab.

Da die Eigentumsstruktur im Kreis Daun außerordentlich schlecht ist, arbeiten alle Betriebe -auch Betriebe im Nebenerwerb - mit sehr hohen Pachtlandanteilen. Dies bedeutet: Werden Betriebe abgestockt oder aufgegeben, werden auch Flächen freigesetzt. Letztere können bei weitem nicht alle wieder einer landwirtschaftlichen Nutzung zugeführt werden.

Der Eigentümer der Flächen findet häufig keinen neuen Pächter mehr. Boden ist für den Besitzer auch Kapital. Er ist darauf angewiesen, aus diesem Kapital einen Ertrag zu ziehen. Ist ein Pachtzins nicht mehr erzielbar oder ist er zu niedrig, wird angestrebt, die Fläche aufzuforsten. Die Aufforstung der nicht mehr verpachtbaren Grundstücke ist dann für viele Grundbesitzer das Mittel der Wahl. Somit verstärkt sich die Tendenz, landwirtschaftliche Nutzflächen in Forstflächen umzuwandeln. Diese Entwicklung läßt sich an den laufend gestiegenen Anträgen auf Erstaufforstung ablesen.

1990 126 Anträge

1991 158      "

1992 183      "

Welche Flächen werden zuerst abgegeben, bei welchen Flächen wird das Pachtverhältnis zuerst gelöst?

Es sind zunächst Flächen minderer Qualität, mit Wirtschaftserschwernissen und Strukturmängeln. Letzteres sind Flächen, die zu klein sind, unmögliche Zuschnitte haben und daher unwirtschaftlich zu bearbeiten sind.

Welchen Umfang diese Flächenfreisetzung in der Vergangenheit bereits gehabt hat, läßt sich aus der Zahl der Milchkuhhalter ablesen. Sie hat in den Jahren von 1988 bis 1992 von 1102 auf 605 abgenommen, ein Rückgang von 45 v.H. Die Zahl der Kühe sank von 17619 auf 14118, ein Rückgang von 20 v.H.

Die Tatsache, daß viele Grundbesitzer ihre Flächen aufforsten wollen, ist nicht unbedingt negativ zu sehen. Das Problem liegt in der im Bezirk Trier durch die Behörden praktizierten Aufforstungspraxis. Viele der Flächeneinheiten, die zur Aufforstung anstehen, sind als Folge der Realteilung sehr klein. Es kommen so Flurstücke bis zu 0,12 ha und noch kleiner zur Aufforstung. Draußen in der Feldmark gibt es dann Splitteraufforstungen von Klein- und Kleinstparzellen.

Diese sogenannten »Schrotschußaufforstungen« berühren die Interessen der Landwirtschaft enorm.

Leider gab es in der Vergangenheit kein Mittel, diese Art der Aufforstung zu steuern. Die Verwaltungsgerichte stehen auf dem Standpunkt, Land- und Forstwirtschaft sind gleichberechtigt!

Diese Rechtspraxis hat sich sehr zum Nachteil der Landwirtschaft ausgewirkt.

So wurden in der Vergangenheit fast alle Anträge auf Erstaufforstung genehmigt.

Der einzige Hinderungsgrund, wo eine Aufforstung versagt werden konnte, waren Vorhaben in Naturschutzgebieten, in Talauen, Bachläufen. Man stelle sich vor, in einer Gewann - das sind Flurstücke, die rundum von Wegen umgrenzt sind - bestehend aus kleinen Flurstücken, von 0,12 ha bis 0,5 ha wird eine Aufforstung genehmigt. Es handelt sich dabei oft um intensiv genutzte Ackergewanne, die ortsnah an gut ausgebauten, befestigten Wegen liegen. Dies hat enorm negative Auswirkungen für die anderen Parzellen. Sie sind für die landwirtschaftliche Nutzung nur noch bedingt geeignet.

Das kann der Gesetzgeber eigentlich nicht gewollt haben. Durch diese Art der Aufforstung werden die Strukturmängel, die in allen Gemarkungen vorhanden sind - ausgenommen vielleicht die wenigen Gemarkungen, die in den letzten 10-15 Jahren flurbereinigt wurden -, erheblich verschärft. Die Flurblöcke, die derartige Aufforstungen tragen, werden für die landwirtschaftliche Nutzung zukünftig völlig uninteressant.

Einerseits wird alles daran gesetzt, über entsprechende Programme die Flächennutzung möglichst lange aufrechtzuerhalten - Extensivierungsprogramme sollen dies u. a. bewirken - andererseits macht man diese Vorhaben durch Splitteraufforstungen zunichte.

Extensive Wirtschaftsweisen bedeuten besonders im Grünland großflächige Bewirtschaftung. Durch die bisherige Aufforstungspraxis wird diese Möglichkeit unterlaufen.

Aufforstungen, die mitten in einer als Grünland oder Heller genutzten größeren Gewann liegen, unterbinden jede zukünftige weitere großflächige Nutzung.

Eine Fläche, die einmal aufgeforstet ist, selbst wenn es nur Weihnachtsbäume sind, ist zukünftig immobil. Sie ist nicht mehr in einen größeren Block einzubringen, einer landwirtschaftlichen Nutzung nicht mehr zugänglich zu machen.

Großzügig genehmigte Aufforstungen zerstören ganze Fluren und Gewanne. Hervorragend geeignete Flächen werden so langfristig der landwirtschaftlichen Nutzung entzogen.

Dies geschieht bedauerlicherweise auch in Fluren, die mit erheblichem finanziellem Aufwand erschlossen wurden.

Der Waldanteil kann zweifellos in vielen Gemarkungen ohne Schaden für das Landschaftsbild erhöht werden.

Schädlich in der bisherigen Entwicklung waren die Genehmigungspraxis der Forstämter und die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtes Trier.

Seitens der Landwirtschaft wurde daher seit langem die Forderung erhoben, in jeder Gemarkung Blöcke auszuweisen, in denen die Aufforstungen vorzugsweise vorgenommen werden können, damit eine gewisse Steuerung möglich wird.

Das Problem der Aufforstung hat durch die von der EG 1992 beschlossenen »flankierenden Maßnahmen« erhöhte Brisanz bekommen. Zu ihnen gehört die Förderung der Erstaufforstung landwirtschaftlicher Nutzflächen.

Angestrebt wird, über die Aufforstungen eine dauerhafte Herausnahme landwirtschaftlicher Nutzflächen aus der Produktion vorzunehmen, um eine Marktentlastung herbeizuführen. Gleichzeitig sollen damit die ökologischen Verhältnisse verbessert und die Einkommen der Landwirte entsprechend gefestigt werden.

Diese Aufforstungen sind mit entsprechend großzügigen Beihilfen ausgestattet. Es kommen zwei Förderungskomponenten zum tragen:

1. Für die Erstaufforstung gibt es bei mindestens 80 % Laubbaumartenanteil bis zu 85 % der zuwendungsfähigen Kosten einen Zuschuß von 15000 DM/ha, bei Mischkulturen mindestens 20 % Laubbaumartenanteil 10000 DM/ha Zuschuß.

2. Über einen Zeitraum von 20 Jahren wird eine jährliche Prämie gewährt. Sie ersetzt den durch die forstliche Nutzung bedingten Wegfall des Einkommens aus den ehemals landwirtschaftlich genutzten Flächen. Die Prämienhöhe richtet sich nach der Ertragsmeßzahl (EMZ), bis zu 30 EMZ wird eine Prämie von 600 DM/ha gezahlt, für jeden weiteren EMZ-Punkt werden 15 DM zugelegt.

Höchstbetrag sind 1200 DM/ha und Jahr.

Grundstückseigentümer, die ihre Flächen nicht mehr selbst bewirtschaften, erhalten im benachteiligten Gebiet - der ganze Kreis Daun ist benachteiligtes Gebiet - eine Erstaufforstungsprämie von 150 DM/ha. Auch dies zwanzig Jahre lang.

Die Förderung wird nur gewährt, wenn die Aufforstungsflächen innerhalb von zuvor abgegrenzten Aufforstungsblöcken liegen oder dort hineingetauscht werden.

Aufforstungen außerhalb der Blöcke können keine Finanzhilfen erhalten. Aufgrund dieser finanziell interessanten Förderung ist damit zu rechnen, daß mit Beginn der Maßnahme - ab 1993 - verstärkt mit Anträgen zu rechnen ist. Daher müssen die Aufforstungen zukünftig gesteuert werden. Sie sollten so geordnet verlaufen, daß die Weiterentwicklung der noch vorhandenen Haupterwerbslandwirte nicht gestört wird.

Ein wichtiges Ziel besteht darin, das Landschaftsbild weitmöglichst zu erhalten. Das ist auf einfache und billige Art möglich, solange die Flächen, wenn auch extensiv, noch landwirtschaftlich genutzt werden.

Bei der Abgrenzung der Aufforstungsblöcke sind alle fachlich berührten Behörden eingeschaltet. Es soll damit sichergestellt werden, daß keine Beeinträchtigung der ökologischen Verhältnisse eintritt und möglichst eine ökologische Bereicherung der Landschaft erfolgt. Eine Maßnahme, der man voll und ganz zustimmen kann.

Parallel zur Förderung der Aufforstung wird auch die Anlage von Streuobstwiesen gefördert. Sie stellen eine gewinnbringende Alternative zur Aufforstung dar. Die Förderung ist ähnlich hoch wie bei der Aufforstung.

Forst- und landwirtschaftliche Nutzung einer Fläche sind stets gegeneinander abzuwägen. Negative Einflüsse auf benachbarte landwirtschaftliche Nutzflächen treten auf durch Aufforstung, sind Beschattung, Wurzelausbreitung, Behinderung der Zufahrt. Der nach dem Nachbarschaftsrecht Rheinland-Pfalz vorgeschriebene Grenzabstand reicht bei weitem nicht aus, diese Einflüsse auszuschließen.

Je nach Exposition der Fläche müßte der Abstand zur landwirtschaftlich genutzten Nachbarparzelle das Mehrfache des gesetzlich Vorgesehenen betragen.

Kritisch sind die Aufforstungen in breiten Talauen, an Bachläufen zu sehen. Es kommt sehr leicht zur Entstehung von Kaltluftstaus und Seen. Der Kaltluftabfluß ist behindert durch Einengung des Talquerschnitts.

Das hat nachteilige Folgen für das Kleinklima ganzer Gewanne, Flurteile und Gemarkungen. Leider machen die Aufforstungen vor Bergkuppen und Höhenzügen nicht halt, so daß bedeutsame Aussichtspunkte verlorengehen. Der freie Blick in die Landschaft wird eingeschränkt. Dies ist dem Tourismus nicht förderlich. Feriengäste möchten nicht nur im Wald wandern, sondern auch freie Ausblicke genießen.

Schließlich verschwinden durch die Aufforstung oft wertvolle Biotope, vor allem aber Streuobstwiesen, die ohnehin im Kreis Daun nur in geringer Anzahl anzutreffen sind. Waldwiesentäler gehen verloren. Die letzten vorhandenen Waldwiesen fallen auch dem Forst anheim.

Der Waldanteil ist in einer Reihe von Gemarkungen im Kreis Daun bereits so hoch, daß sich weitere Bewaldung negativ auf das Lokalklima und die Eignung der Landschaft für Freizeit und Erholung auswirkt.

Alle diese Gesichtspunkte sollten bei der Auswahl von Aufforstungsflächen mit berücksichtigt werden.

Bei dem nunmehr praktizierten neuen Verfahren der Ausweisung von Aufforstungsblöcken ist sichergestellt, daß die notwendigen Kriterien gegeneinander abgewogen werden und nachteilige Folgen bei der Anlage von Forstflächen nicht mehr auftreten. Es bleibt zu hoffen, daß dadurch die in den letzten Jahren vermehrt aufgetretenen Interessengegensätze zwischen land- und forstwirtschaftlicher Nutzung abgebaut werden und es zu einem auf das Landschaftsbild positiven ökologischen Einfluß bei der zukünftigen Anlage von Forstflächen kommt.