Kapelle zu Gees

Theo Pauly, Gerolstein

Jede Pfarrei hat ihre Pfarrkirche, jede Filiale ihre Kapelle, in meiner Erinnerung hat jeder Pfarrer, den ich gekannt habe, in seiner Amtszeit irgend etwas an der Pfarrkirche zu erneuern gehabt, sei es ein An- oder Umbau gewesen, ein neues Läutewerk, neue Kirchenfenster, eine neue Orgel. Stets aber wurden derlei Investitionen an den Pfarrkirchen getätigt, die Filialkapellen hingegen von den Pfarrherren recht stiefmütterlich behandelt. War hier einmal eine Renovierung notwendig - und das war häufig der Fall - dann musste meistens die Ortsgemeinde, die ja nur Filiale war, selbst sehen, wie sie zurechtkam. Das ist wohl seit eh und je so gewesen.

Als die Pfarreien entstanden, war es selbstverständlich, dass die Orte, die zu einer Pfarrei erhoben wurden, äußerst stolz auf diese Tatsache waren. Und so wurde auch ein entsprechendes Gotteshaus errichtet, die Pfarrkirche. An den Kosten des Kirchenbaues beteiligten sich neben den Landesherren und dem Bischof natürlich auch die Gläubigen, nicht nur die des Pfarrortes, sondern auch die der Filialen; an den laufenden Kosten der Erhaltung der Pfarrkirche beteiligen sie sich heute noch. Sehr bald schon wollten die Filialorte ihr eigene Kirche im Dorf haben. Da sie eine solche aber zunächst hauptsächlich nur in Eigenleistung erstellen konnten, wurde daraus nichts besonders Großartiges; man errichtete Kapellen. So war ein eigenes Gotteshaus im Dorf, in dem man seine Gebete verrichten konnte, ohne den oft sehr weiten Weg zur Pfarrkirche anzutreten. Natürlich musste man seiner Sonntagspflicht in der Pfarrkirche nachkommen, aber mit der eigenen Dorfkapelle bestand auch die Möglichkeit, dass in der Woche wenigstens einmal eine Messe im Dorf abgehalten werden konnte. Und man war stolz auf die eigene Kapelle. Wann die ersten Pfarrkirchen und die ersten Kapellen entstanden, ist heute nur noch in seltenen Fällen festzustellen. Die Geeser Kapelle wird 1719 zum erstenmal erwähnt. Der »Festschrift zum 75jährigen Bestehen der Filialkirche St. Nikolaus zu Gees« von 1980 ist zu entnehmen, dass De Lorenzi in "Beiträge zur Geschichte sämtlicher Pfarreien der Diözese Trier", Trier 1887, S. 283 sagt, dass sie aus dem Jahre 1580 stammt und den hl. Nikolaus zum Patron hat. Weiter ist in dieser Festschrift zu lesen, dass Wackenroder in "Die Kunstmaler des Kreises Daun«, Düsseldorf 1928, S. 84, nach Pfarrer Johann Ost aus Demerath über die Geeser Kapelle zitiert: "Die alte Kapelle nennt Ost ,mehrmals umgebaut', es steht noch der kleine dreigeschossige ehemalige Ostturm, an dem unter Verwendung als Westturm i. J. 1904 ein Neubau angefügt wurde.» Die mehrmaligen Anbauten sind im Zuge des damaligen Neubaues wohl abgerissen oder in den Neubau so weit wie möglich integriert worden. Gees gehörte offenbar bis ins 19. Jahrhundert zu drei Pfarreien. Der Festschrift ist zu entnehmen, dass drei Häuser zur Pfarrei Rockeskyll gehörten, der Rest des Dorfes je zur Hälfte zu Sarresdorf und Neunkirchen (Steinborn). Man kann sich vorstellen,dass diese Situation nicht unbedingt das Wohlgefallen der Geeser gefunden hat. So haben sie denn wohl auch immer wieder versucht, wie andere Filialen in der Umgebung, eigenständige Pfarrei zu werden. Schließlich wurde Gees, wie auch Michelbach, ein eigener Vikar zugewiesen. 1781 ist Matthias Nohn aus Gillenfeld Vikar von Gees und dort auch noch 1790 Frühmesser, 1803 Johann Wilhelm Contzen aus Ellenz als Pater Cornelius. Bis 1803 gehört Gees kirchlich zur Pfarrei Steinborn (Neunkirchen). Eine wechselvolle Geschichte. Da ist es nicht verwunderlich, dass die Geeser Kapelle, weil niemand sich so recht zuständig fühlt, irn laufe der Zeit mehr und mehr verfällt. Nun raffen sich die Geeser Leute auf. Inzwischen scheinen die Zugehörigkeitsverhältnisse geklärt: Gees gehört zur Pfarrei Gerolstein. Im Beschlussbuch des Kirchenvorstandes von Gerolstein heißt es unter dem 6. 3. 1904: »Die Kapelle von Gees ist baufällig. Es wird ein Neubau beschlossen unter Beibehaltung des alten Turmes. 2000 Mark sind an Spenden schon vorhanden; die Geeser versprechen, die Restsumme noch aufzubringen.« (Festschrift). Diese wenigen amtlichen Sätze sagen in ihrer Nüchternheit Bedeutsames aus. Den Geesern ist, nachdem die Zuständigkeiten geklärt sind, sehr viel an ihrer Kapelle gelegen. Die Höhe der Spendensumme, wohl ausschließlich von Geesern aufgebracht, ist für die damalige Zeit unwahrscheinlich. Und dass die Geeser versprechen, die »Restsumme« aus eigener Kraft aufzubringen, zeugt von ihrem Opferwillen für die ureigene Sache. So kann im Juli 1904 die Grundsteinlegung für den Neubau erfolgen und dieser bereits ein knappes Jahr später, im Juni 1905 (Pfingstmontag) eingeweiht werden.

Ende Mai 1980 feierten die Geeser das 75jähri-ge Bestehen ihrer neuerbauten Filialkapelle, die nach wie vor dem hl. Nikolaus geweiht ist. Man verband dieses Jubelfest mit einem Heimatfest für alle Geeser und die, die sich ihnen verbunden fühlten. Weit über hundert Personen kamen zu diesem großen Fest angereist. Freiwillige Feuerwehr und Sportverein, die Frauen- und Müttergemeinschaft und der Möhnenclub, der Männergesangverein und die katholischen Jugendgruppen des Dorfes und viele, viele Einzelpersonen. Sie fanden tatkräftige Unterstützung im damaligen Geeser Ortsvorsteher, dem allzu früh im Jahre 1984 plötzlich verstorbenen Martin Kühl. Sein Dorf und die Geeser Leute lagen ihm am Herzen, er hat in seiner langjährigen Amtszeit vieles zum Wohle seines Heimatdorfes initiiert und erreicht. Seine Lebenseinstellung war geprägt von tiefem Glauben, und der Dorfkapelle galt die besondere Fürsorge. Seine Einstellung dazu drückt er im Grußwort zur 75-Jahr-Feier so aus: »Das Gotteshaus soll nicht nur Zierde eines Dorfes sein, sondern auch dessen geistiger Mittelpunkt.« Aus dieser Haltung heraus betrieb er seit 1980 die notwendig gewordene Renovierung und Restaurierung der Geeser Kapelle; das Dach wurde instand gesetzt, die Außenmauern gegen Feuchtigkeit isoliert, der Außenputz ausgebessert, die Fenster repariert; eine neue Sakristei wurde angebaut und mit neuem Mobiliar ausgestattet, Altarraum und Altar sowie die Tabernakelstele neugestaltet. Die Kirche erhielt neue Türen und eine neue Innenbeleuchtung, der Bodenbelag im Chorraum wurde erneuert, eine elektrische Heizung installiert und der gesamte Innenraum der Kapelle neu ausgemalt. Die angefallenen Kosten in Höhe von 180000 Mark wurden erbracht durch einen Zuschuss der Bistumskasse in Höhe von 92000 Mark, Eigenleistungen in Höhe von 30000 Mark und, man sehe und staune, Barleistungen der Bevölkerung, zusammengetragen durch Haussammlungen und Erlöse aus Veranstaltungen und Basaren, in

Höhe von 60000 Mark. An letzterem mag man erkennen, welchen Stellenwert auch in heutiger Zeit die Geeser ihrer Kapelle zumessen. Dazu bedurfte es natürlich des besonderen Engagements einzelner. Es wäre nicht recht, einige mit Namen zu nennen, obwohl sie es verdienten. Martin Kühl jedoch hat sich an Planung, Ausführung und Finanzierungsgestaltung derart eingebracht, dass ihm große Verdienste am Gelingen des Werkes zugeschrieben werden müssen. Er veranlasste, dass mit dem Umbau der Kapelle auch der Zuweg von der Leichenhalle und zum angrenzenden Friedhof verbreitert und durch eine Stützmauer entlang des Friedhofes gesichert wurde; den Neubau der Leichenhalle mit der Krieger-Gedächtnisstätte hatte er ebenfalls in die Wege geleitet. Zwei Monate vor Abschluss der Renovierungs- und Restaurationsarbeiten an der Kapelle ereilte Martin Kühl der frühe Tod; so konnte er die Einweihungsfeierlichkeiten nicht mehr miterleben. Die Geeser Bevölkerung aber wußte ihm noch Dank zu sagen für seinen engagierten Einsatz zum Wohle des Dorfes und der Kirche: Martin Kühl wurde am Tag seiner Beerdigung am 15. März 1984 in der neugestalteten Kapelle aufgebahrt. Diese besondere Ehrung ist ihm bisher als einzigem in Gees zuteil geworden. Daraus mag man die Wertschätzung erahnen, die dieser Mann im Dorf genossen hat. Das Engagement der Geeser für ihre Dorfkapelle steht sicherlich beispielhaft für viele andere Dörfer der Eifel. Ich denke, es ist wert, für die Nachwelt festgehalten zu werden, besonders in einer Zeit, in der Religion und althergebrachter Glaube vielen Anfeindungen und Abbröckelungserscheinungen ausgesetzt sind.

Treue zur Dorfkapelle dokumentiert ganz sicher auch die Tatsache, dass die Küsterdienste in der Filiale Gees über hundert Jahre lang durch eine einzige Geeser Familie ausgeübt worden sind, die Familie Leonards. Von 1875, rund dreißig Jahre vor dem Neubau 1904, bis 1933 versah Peter Leonards den Küsterdienst in Gees, fast sechzig Jahre lang! Nach seinem Tod ging das Amt über auf seinen Sohn Nikolaus der 1939 verstarb. Nun übernahm dessen Schwester Sofie das Küsteramt, und nach deren Tod im Jahre 1963 verwaltete es die andere Schwester Magdalena bis 1976 (verstorben 1980). Von 1976 bis 1985 war der Neffe des Peter Leonards, Matthias Leonards (verstorben 1987), Küster in Gees. Seit 1985 übt Sanni Kühl, die Witwe des ehemaligen Orts Vorstehers Martin Kühl, den Küsterdienst in Gees aus; Martin Kühl war ein Enkel des Peter Leonards und ein Neffe von Nikolaus, Sofie und Magdalena Leonards. So ist, wenn man so will, das Küsteramt in Gees auch heute noch in den Händen der Familie Leonards. Im Dezember 1976 wurde unter großer Beteiligung der Dorfbevölkerung, der Angehörigen der Pfarrei Gerolstein sowie zahlreicher, früher in der Pfarrei Gereistem tätiger Geistlicher, das hundertjährige Küsterjubiläum der Familie Leonards mit einjähriger Verspätung gefeiert.

(Für die Überlassung der Unterlagen zu diesem Beitrag danke ich Herrn Alfons Kühl aus Bonn.)

Alter Mann aus Schalkenmehren.

Tiefe Spuren haben Lebensjahre und Arbeit im Antlitz hinterlassen.

Wieviel Kummer und Leid, Lachen und Freude haben diese Augen gesehen?

 Eine Fülle Erfahrungen könnte der Alte anderen Menschen mitteilen, fänden sie Zeit, ihm zuzuhören.

Foto: Bernd Schlimpen

 

Uns steht nie eine

andere Zeit zur

Verfügung,

 als die gegenwärtige