Aus der Traum?

Marianne Schönberg, Jünkerath

Immer wieder erlebt man sie, die ENT - TÄUSCHUNG herrlicher Erinnerungen aus der Kinderzeit.

Als ich noch nicht zur Schule ging, gab's in meiner Heimatstadt jedes Jahr im Dezember einen vorweihnachtlichen Markt, und er fand im Stallhof unseres alten Schlosses statt; allein der Ort weckt beim Kind märchenhafte Vorstellungen. Da musste einfach alles wunderbar sein. Mit großen Erwartungen ging ich mit den Eltern bei Kälte und Schnee in Richtung WEIHNACHTSAHNUNG. Hohe Christbäume standen da - nein, geschmückt waren sie nicht, auch nicht mit Kerzen erleuchtet. Das blieb damals dem Festtag vorenthalten und es war gut so. Aber die Stände und bunt ausgestatteten Buden! Lebkuchen konnte man kaufen, Zuckerwatte, geröstete Mandeln und dann der gläserne Christbaumschmuck aus dem Erzgebirge! Kugeln in allen Farben, Christbaumspitzen, Vögel, Lametta ... wie das glitzerte, so viel Buntes, mit Figuren verziert, in Silber und Gold getaucht - prächtig. Dann die Stände mit Holzfiguren. Auch sie kamen aus dem Erzgebirge und da standen Räuchermännchen, Nussknacker, Kerzenengel, dazwischen kleine und große Pyramiden, die sich durch die aufsteigende Wärme der Kerzen drehten und auf jeder Etage waren Gruppen; Bergsteiger, Engel, die Krippe mit dem Christkind. Ich mochte die Pyramiden nicht besonders und das hatte einen ganz bestimmten Grund. Bei uns zu Hause hieß es, entweder Pyramide oder Christbaum.

Mein Herz schlug fürs geputzte Bäumchen. Doch da war noch eine Figur, die unbedingt zum Weihnachtsmarkt gehörte- der Pflaumentoffel.

Das sind kleine Männchen in Gestalt eines Schornsteinfegers, aus Trocken pflaumen gebaut, mit einer bemalten Nuss als Kopf, drauf der schwarze Zylinder und dazu eine papierne Leiter. Für den Toffel ließen meine Eltern immer ein paar Groschen springen, den bekam ich als Andenken an den Stritzelmarkt und er war mein großes Glück. Ihn gab's auch noch, als schonKrieg war und da entdeckten wir Kinder seinen zusätzlichen Wert - man konnte ihn essen. In karger Zeit schmeckten auch Trockenfrüchte wunderbar.

Dann wurde es still um Weihnachtsmarkt und Glitzerzeug, die Menschen hatten andere Sorgen, die Stadt lag in Schutt und Asche. Es vergingen viele Jahre, ehe die Trümmer beseitigt waren und Notwendiges wieder aufgebaut. Ganz langsam erinnerte man sich traditioneller Veranstaltungen und auf einmal gab's den Markt wieder - Jahr für Jahr wurde er schöner, vielfältiger. Den kleinen Früchtemann sah ich plötzlich am Bildschirm, ein Bericht über UNSERN MARKT wurde gesendet. Ja, den hätte ich gern. Bitte - schrieb ich meiner ehemaligen Schulfreundin - schick mir doch einen Pflaumentoffel.

Das kleine Päckchen kam wenige Tage später und meine Verwunderung beim Auspacken war groß. Das soll unser Pflaumentoffel sein, dies kleine Kerlchen, diese dürftige Gestalt? Ich halte ihn ganz anders in Erinnerung, für mich war der Toffel gewichtig, eine Persönlichkeit. Nun dies schmale Figürchen mit der Halskrause aus Esspapier. Aus der Traum vom wunderbaren Pflaumentoffel.

Lange stand er in der Ecke, wurde ein wenig grau - was nun? Vielleicht - so kam mir der Gedanke - sollte man seine essbaren Teile in Wasser legen? Oder könnte ihnen ein Bad in Pflaumenschnaps gut tun? Dann hätte ich den Fundus für einen Auflauf PRUMUS DOMESTICA (Frucht vom Pflaumenbaum). Vielleicht noch ein paar unserer kleinen groben Birnen aus den Eifeler Streuobstwiesen dazugedünstet, fertig ist die Basis zum wunderbaren Gericht. Da kommt eine Mischung aus Quark, Eischnee, Zucker und ein wenig Bindemittel drauf, das Ganze wird im Ofen überbacken ... allein die Vorstellung lässt das Wasser im Munde zusammenlaufen. Aus der Traum?

Keineswegs, er beginnt neu, hat nur ungewohnte Dimensionen angenommen.

 

 

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