Bau der Eisenbahn Mayen-Daun-Gerolstein

Philipp Friedrich, Mainz und Sühn

 

Der Kampf um die Linienführung

Schon bald nach dem gewonnenem Krieg von 1870/71 hatte man im Ministerium für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten den Plan, eine Ost-West-Verbindung zwischen der linken Rheintalbahn und der von 1869-1871 erbauten Eifelbahn Trier-Köln herzustellen. Die Verbindung wurde in drei Teilstrecken gebaut: Andernach - Niedermendig. Baubeginn war im Jahre 1877; Eröffnung am 15. 5. 1878. Niedermendig - Mayen. Mit dem Bau begann man am 28.10. 1878. Schon am 29. 5. 1880 konnte sie nach kurzer Bauzeit eingeweiht werden. 

Die dritte Teilstrecke von Mayen nach Gerolstein machte in Berlin bei der Planung Schwierigkeiten, weil es für die Linienführung keine schlüssige Konzeption gab. 

Der Minister bat am 25. November 1879 den Oberpräsidenten der Rheinprovinz um Unterstützung für die beste Linienführung von Mayen nach Gerolstein. Die Regierungspräsidenten von Koblenz und Trier, die Landräte der Eifelregion waren hocherfreut über die Großzügigkeit des Ministers und überschlugen sich mit Vorschlägen. Der Minister beauftragte dann die Eisenbahndirektion Köln mit der Auswertung, und die scheint nicht seine Billigung gefunden zu haben, denn schon am 6. Mai 1881 erteilte er ihr einen neuen Auftrag; Vorarbeiten für eine Bahn von Mayen oder Remagen nach Gerolstein aufzunehmen.

Sie untersuchte das Eifelgebiet zwischen der linken Rheintalbahn und der Moselbahn und kam zu dem Ergebnis, daß eine Verbindung der beiden Bahnen nur möglich sei durch Fortführung der Bahn Andernach-Mayen nach Gerolstein oder durch Weiterführung der Strecke Remagen-Ahrweiler. Im ersteren Falle könne die Bahn von Mayen aus über Kelberg oder Adenau nach Gerolstein, Hillesheim, Jünkerath oder Schmidtheim geführt werden. Im letzteren Falle entweder von Adenau oder von Dümpel-feld nach Hillesheim, Jünkerath oder Schmidtheim geleitet werden, um dort Anschluß an die Eifelbahn zu finden.

Die Strecke Mayen-Monreal-Kelberg-Kraden-bach-Gerolstein wurde als optimal bezeichnet. Sie erschließt ein möglichst großes Gebiet der Osteifel und zugleich den am dichtesten bevölkerten Teil derselben und durchschneidet die sogenannte Vulkaneifel mit ihren umfangreichen Lagerstätten von Basalt, Lava, Trachyt und Tuff, die wegen der ungünstigen Verkehrsverhältnisse bisher nur unzureichend abgebaut werden konnten. Sie vermittelt außerdem am besten den Anschluß an die in die Westeifel projektierte Bahn Gerolstein-Prüm-St. Vith. 

Im Kreis Daun rief diese Entwicklung große Unruhe hervor. Die Stadt hatte mit der Planung immer noch keinen Anschluß an das deutsche Eisenbahnnetz. Auch die Vertröstung auf einen Anschluß an die Moselbahn über Wittlich durch das Liesertal konnte die Bevölkerung nicht beruhigen.

Eine Petition mit Tausenden von Unterschriften der Bürger aus den Bürgermeistereien Daun, Sarmersbach, Üdersdorf und Gillenfeld ging nach Berlin. Darin wurde sowohl eine Eisenbahn von Mayen über Daun nach Gerolstein wie auch ein Anschluß an die Moselbahn durch das Liesertal gefordert.

Der Landrat fügte der Petition ein Begleitschreiben bei, in dem er auf die seit einem Jahrzehnt im Kreise herrschende Not hinwies. Daun könne diese mit eigenen Mitteln nicht mehr abwenden. Er brauche eine Erschließung durch die Eisenbahn. Es sei deshalb gerechtfertigt, wenn den leidenden Bürgern endgültig Gehör geschenkt würde. 

Es sollten noch mehr Petitionen nach Berlin gehen in dieser Sache, so eine aus den Bürgermeistereien Laufeld und Niederöfflingen mit 950 Unterschriften, aus Manderscheid und den Nachbargemeinden mit 1600 Unterschriften und endlich noch eine am 15. März 1884 aus Kelberg. Die Petitionen aus dem Kreis Daun schienen auf den Minister Eindruck gemacht zu haben. Das von der Eisenbahndirektion Köln vorgeschlagene Projekt von Mayen über Kelberg-Monreal-Kradenbach-Gerolstein zu bauen, hatte er schon 1882 fallen gelassen, weil eine Rentabilitätsberechnung ergeben hatte, daß auf dieser Strecke noch nicht einmal die Betriebskosten eingefahren würden. Er brauchte nun einen Ersatz.

Jedenfalls gab er am 23. Februar 1887 den Auftrag, für die Strecke Mayen-Kehrig-Kaifen-heim-Kaisersesch-Laubach-Ulmen-Daun-Gerolstein generelle Vorarbeiten vorzunehmen. Durch Gesetz vom 11. Mai 1888 wurde die Regierung ermächtigt, die Eisenbahn von Mayen-Daun-Gerolstein zu bauen.

Querelen um die Kosten des Grundstückserwerbs

Der Minister hatte in seinem Gesetz vom 18. Mai 1888 zur Bedingung gemacht, daß die Interessenten den für den Bau benötigten Grund und Boden kostenlos, frei von allen Lasten, zur Verfügung stellen mußten. Die Eisenbahndirektion hatte den Auftrag, den Bau nicht vor Klärung dieser Auflage zu beginnen. 

Die Interessenten waren die Städte und Kreise Mayen, Adenau, Daun und Cochem, denn diese wurden beim Bahnbau berührt. Beim Staatseisenbahnbau in Preußen war es üblich, daß Grund und Boden kostenlos zur Verfügung gestellt werden mußten. Er versprach dabei den Kreisen Staatszuschüsse, soweit sie nicht in der Lage seien, den vollen Kaufpreis zu zahlen. Nun begann ein Kleinkrieg um die Höhe der Grunderwerbskosten.

Alle vier Kreise lehnten zunächst eine Übernahme unter Hinweis auf ihre schlechte finanzielle Lage ab; doch der Minister gab zu verstehen, daß er ohne Kostenübernahme keine Genehmigung erteilen würde. Der Kreis Daun sollte 206855 Mark übernehmen. Der Kreistag stellte am 21. 11. 1887, obwohl er einer der ärmsten Kreise des Regierungsbezirkes war, 50000 Mark in der Hoffnung, daß der Minister seinen Staatszuschuß erhöhen würde, bereit. Die anderen Kreise lehnten ab. Die Querelen gingen weiter. Der Minister verweigerte den Baubeginn, bevor nicht die Frage der Grunderwerbskosten geklärt sei. Der Regierungspräsident von Koblenz rief dann am 4. 8. 1888 zu einer Besprechung nach Koblenz ein. Daran nahmen teil die Landräte von Mayen, Cochem und Daun, je ein Kommissar der Eisenbahndirektion und je ein Kommissar der Regierungen in Trier und Koblenz. Dabei wurde beschlossen: Für das kurze Stück der Linie durch den Kreis Adenau übernimmt der Kreis Daun die Kosten für den Grunderwerb. Nach den Berechnungen in Berlin betrugen die Gesamtgrundstückskosten 516000 Mark. Dazu wollte der preußische Staat einen Zuschuß von 400000 Mark geben. Doch man konnte sich nicht auf eine Verteilung einigen. Erst im Juni 1890 kam es in Cochem erneut zu einer Zusammenkunft der drei Landräte von Daun, Mayen und Cochem, auf der man sich mit der Verteilung des Staatszuschusses befaßte. 

Der Minister hatte die Verteilung den Kreisen überlassen. Die Anteile wurden wie folgt festgelegt:

Mayen 192000 Mark

Cochem 67000 Mark

Daun mit Adenau 140000 Mark

rd. 400000 Mark

Dann gab es keine Schwierigkeiten mehr, die Kreistage zur Übernahme der restlichen Grunderwerbskosten zu bewegen. Interessant ist, daß die Reise der Landräte von Daun und Mayen nicht als Dienstreise vom Regierungspräsidenten anerkannt wurde. Sie mußten ihre Reisekosten selber tragen.

Der Streit um die Anlage der Bahnhöfe

Auf der gesamten Strecke entstand um die Anlage fast jeden Bahnhofes ein lebhafter Streit. Jede Gemeinde an der Bahnstrecke wollte einen so kurz wie möglichen Weg zum Bahnhof haben. Der Wert und Nutzen der Eisenbahn hing entscheidend davon ab, wie weit die Entfernung des Wohnortes vom Bahnhof ist, da der Anmarschweg zum Personenverkehrszug nur zu Fuß oder mit der Kutsche oder Charette möglich war. Die Güterbeförderung konnte nur mit schwerfälligen eisenbereiften Ackerwagen, die von Pferden, Ochsen oder Kühen gezogen wurden, bewirkt werden. 

Wegen der Lage des Bahnhofes in Daun gab es zunächst keine Einigung. Von der Eisenbahndirektion war der Bahnhof östlich von Daun gegenüber der Hühnerbrücke in der Flur «Auf dem Acker« geplant. Für diese Lage sprach sich auch der Stadtrat von Daun aus. Von Bewohnern des unteren Stadtteiles und von einigen Orten südlich von Daun wurde der Bahnhof östlich in der Nähe des unteren Ortsteiles gewünscht.

Nach langem Streit fand am 6. Oktober 1891 ein Lokaltermin statt. Die Teilnehmerliste unterstreicht die Schwierigkeit einer Einigung; Eisenbahndirektionspräsident Rennen, Landrat von Ehrenberg, Oberförster Roos, Kreisbauminister Krähe, Regierungsrat von Geldern, Regierung Trier, Bürgermeister und Stadtrat Daun waren dazu gekommen. 

Mit überzeugenden Argumenten gelang es dem Präsidenten, die Anwesenden zu überreden. Es blieb bei dem Plan.

In den Akten ist eine Reihe weiterer Streitfälle dargestellt. Herausragend dabei eine Klage über den Bahnhof Utzerath in der »Koblenzer Volkszeitung« vom 7. 12. 1895. Diese bringt einen längeren Artikel über die Strecke, lobt die zweckmäßige Lage der Bahnhöfe und sagt dann: »Eine Ausnahme ist indessen festzustellen. Wir meinen die Haltestelle Utzerath. Die Bedeutung dieses Punktes ist offenbar von der Bahnverwaltung wesentlich unterschätzt worden, sonst müßte in Utzerath ein Bahnhof stehen. Nur sehr wenige Stationen der ganzen Strecke dürften ein größeres Hinterland haben, als es Utzerath besitzt. Auf diese Haltestelle sind ungefähr 15 bis 20 Ortschaften angewiesen, darunter der Flecken Kelberg mit 15 Viehmärkten und vielen Geschäften. Und dabei nur eine Haltestelle für den Personenverkehr! 

Derselbe ist übrigens so bedeutend, daß er den verschiedenen Bahnhöfen bei weitem übertrifft, zum Beispiel den Personenverkehr des benachbarten Bahnhofes Uersfeld, der seine Existenz vorzüglich dem Umstand verdankt, daß zeitweise dort Holz verladen wird. Die Einnahmen aus diesem Gütertransport scheinen aber so winzig zu sein, daß kürzlich ein Blatt die bisher unwidersprochene Behauptung aufstellte, die Station Uersfeld vermöge nicht ihren Beamten zu ernähren. Was nun die Haltestelle Utzerath anbelangt, so wird über die Art und Weise der Anlage derselben sehr geklagt. Das Wartehäuschen genügt eben im Sommer den bescheidensten Ansprüchen. Im Winter kann man es nicht darin aushalten, weil nicht geheizt wird, obschon die Aufstellung eines Ofens, der indes noch mangelt, vorgesehen ist. Es wird doch wohl kaum angenommen, daß unsere Eifel sich eines südlichen Klimas erfreue. Eine Bedürfnisanstalt ist nicht vorfindlicht, ein Umstand der zu Recht drastischen schriftlichen Kundgebungen in der Wartebude Anlaß gibt, was alles gegen Anstand und gute Sitte grob verstößt. Der Weg zur Haltestelle führt an einer sehr tief abfallenden Böschung vorbei, an der kein Schutzgeländer angebracht ist. Nur Steine, die nicht einmal weiß angestrichen sind, stehen da in großen Zwischenräumen. Es ist ein halbes Wunder, daß dort noch niemand verunglückt ist. Der Weg aber, der von der Haltestelle zum nächsten Dorf führt, ist zum größten Teil bei schlechtem Wetter unpassierbar.«

Quelle

Eisenbahnakten der Königlich-Preußischen Regierung zu Koblenz im Landeshauptarchiv Rheinland-Pfalz in Koblenz. Bestand 441. Nr. 31136, 34951, 34951, 34766, 34887, 34552, 35356 und Bestand 442 (Trier), Nr. 10037, 10038.