Heimweh

 

An der Hand des Liebsten verläßt du das Haus

in dem dir geschenkt ward das Leben -

es zieht dich mit Macht in die Welt hinaus,

mit ihm zu schaffen, zu streben.

 

Dein neues Leben erfüllt dich mit Glück,

mit Stolz, was du dir errungen -

und denkst du an die ferne Heimat zurück

hat's nur manchmal ganz leise geklungen.

 

Doch eines Tages zu Abendstund

fliegt ein Glockenschlag über die Hügel.

Da wird dir ums Herze so seltsam wund

der Erinnerung wachsen Flügel...

der Kindheit Spiele fallen dir ein,

die geliebten Wiesen und Felder -

du denkst an das erste Stelldichein

im Dämmerlicht tiefgrüner Wälder.

 

Du erlebst im Spätherbst den ersten Schnee,

das Rodeln an steilen Hängen,

siehst die alte Kirche auf Bergeshöh'

mit feierlich ernsten Gesängen.

 

Du hörst die Glocken zur Feierstund'

siehst der Eltern treusorgendes Wirken,

das alte Haus dort im Wiesengrund

am Bach, bei den hohen Birken.

 

Erst wenn du die Eltern zur Ruhe gelegt

am Friedhof bei uralten Bäumen,

wird langsam minder, was tief dich bewegt,

wird stiller das schmerzliche Träumen.

 

Und dann verstehst du, sie gingen nach Haus,

die dir die Wurzeln gegeben -

sie sind in der Heimat, ruhen sich aus

vom erfüllten und mühsamen Leben

und du hütest fürder an deinem Platz

der Erinnerung treues Gedenken,

bewahrst es im Herzen als kostbaren Schatz

um ihn deinen Kindern zu schenken.

                                                                        Thekla Heinzen, Feusdorf

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