Ein »steinreiches« Dorf

Maria Kraemer, Oberbettingen

 

So kann man - im wahrsten Sinne des Wortes -Oberbettingen nennen. Bis etwa über die erste Hälfte unseres Jahrhunderts hinaus hatte das Steinmetzgewerbe noch eine wirtschaftliche Bedeutung. Zwischen den beiden Weltkriegen arbeiteten zweitweise 140 Leute in den Oberbettinger Steinbruchbetrieben. Es waren viele Männer aus den umliegenden Dörfern dabei, von denen einige einen Fußmarsch von zwei Stunden zur Arbeit und die gleiche Zeit nach Hause zu bewältigen hatten. Viele der längst verstorbenen Steinmetzen schufen Werke von hoher künstlerischer Qualität. Das dokumentieren die heute noch erhaltenen Grabsteine, Ehrendenkmäler, Altäre, Wegekreuze und natürlich schöne Arbeiten an Kirchen, öffentlichen Gebäuden zum Beispiel alten Bahnhöfen, Brücken und Wohnhäusern.

In den Distrikten »Auf dem Heidchen«, »In der Birrenbach«, »Auf dem Weißling« und »An Heirech« lagen die größten Sandsteinbrüche, die auch jetzt noch »Steinkaulen« heißen. Ihre Wohnhäuser und Wirtschaftsgebäude erbauten die Vorfahren aus dem Material, das am Ort vorhanden war. Aus diesem Grund standen in unserem Dorf keine Fachwerkhäuser.

Vor dem letzten Krieg stellte eine Firma aus Solingen am »Heidchen« Schleifsteine her.

An vielen bekannten Gebäuden wurde Oberbettinger Sandstein verwendet; an der Hauptpost in Düsseldorf, am Landratsamt Zell/Mosel und an der ehemaligen Reichskanzlei in Berlin. Die schöne Pfarrkirche in Niederbettingen und die Kirche in Eisenborn sind mit Oberbettinger Sandstein erbaut. Nicht zuletzt fand er beim Bau etlicher Autobahnbrücken Verwendung.

»Kaulemänn« 1893, historisches Foto

Steinbruch

Foto: Rose-Marie Gericke, Basberg

Der Abbau von Basalt bekam Bedeutung, als in den zwanziger Jahren der Ingenieur Gustav Schauer aus Berlin die Gewerkschaft »Mühlenberg« gründete. Zuerst am Mühlenberg, dann im »Lüh«, wurde Basalt abgebaut. Im »Lüh« standen Brecher, angetrieben von einem starken stationären Dieselmotor. Viele Männer aus dem Dorf fanden dort Arbeit. Sprengmeister war Stefan Michels (|). Sein Bruder Jakob (t) war Maschinist und Josef Schmitz (t) arbeitete als Schmied. Der Basaltschotter wurde beim Straßen-, mehr noch beim Eisenbahnbau verwendet. Der Abtransport des Basaltschotters aus dem Bruch im «Lüh« erfolgte mit einer Seilbahn bis zum Bahnhof Oberbettingen-Hillesheim.

Reine Basaltvorkommen sind im »Lüh« und im »Ruderbüsch«. Im »Roßbüsch« ist Basaltlava von der Firma Bender aus Mayen abgebaut worden. Treppenstufen, Pflastersteine und Grenzsteine wurden gehauen. Täglich wurde im »Roßbüsch« der Lavabasalt von der Wand losgesprengt und mit schweren Hämmern kleingeschlagen. Dabei mußte die gewachsene Struktur des Steines berücksichtigt werden. Der Bedarf an Packlage für den Bau der Reichsautobahn im Kreis Wittlich und für die Errichtung des Westwalles wurde so dringend, daß die in der Landwirtschaft arbeitenden französischen Kriegsgefangenen zur Arbeit in den Steinbruch kamen.

Vom Steinbruch im »Roßbüsch« wurde eine Kleinbahn bis an die zwischen Ober- und Niederbettingen verlaufende Straße gelegt. Ab dort übernahmen Lastwagen den Weitertransport der Packlage. Ganz ungefährlich war der Betrieb der Kleinbahn nicht. Nach starken Regenfällen kam es vor, daß der Druck der vollbeladenen Loren die Kleinlok ins Rutschen brachte, und der Lokführer mußte sich mit einem schnellen Absprung in Sicherheit bringen. Nach einem solchen »Bahnunfall«, so wird berichtet, galt die erste Frage des Bruchbetreibers dem Zustand der Kleinlok. Sie war wichtiger als das Befinden des Lokführers. Nach 1941 wurde es still im »Roßbüsch«. Die Maschinen und Gleisanlagen waren nach Rußland verfrachtet, die Männer in den Krieg geschickt, aus dem viele nicht mehr heimkamen.

Reste des einstmals betriebsamen Steinbruchs sind noch zu erkennen. Steinreich hätten die Leute werden müssen, wäre die gefahrvolle Knochenschinderei dementsprechend bezahlt worden. Für einen Stundenlohn von 50 Reichspfennig mußten sie ihre Kräfte in Hitze und Frost, in Schnee und Regen für diesen, heutzutage unvorstellbar geringen Betrag einsetzen. Im »Ruderbüsch« kommt reiner Basalt in Säulenform vor. Eine Firma Roth stellte die erste Brechanlage dort hin, sie lieferte Packlage für den Westwallbau. Familie Matthias Ganser betrieb einige Jahre den Steinbruch, in dem nun schon seit vielen Jahren die Arbeit ruht.

Eine sehr hohe Steilwand bietet vom Rand ihres Plateaus einen weiten Blick auf das Dorf und das breite Kylltal. Die Steingewinnung am Vulkan »Ruderbüsch« datiert schon zurück in die Zeit vor Christi Geburt. Man fand dort eisenzeitliche Getreidereibstein-Fragmente. Unvollendete Mühlsteine lassen den Schluß zu, daß die Arbeit in diesen uralten Steinbrüchen im Mittelalter eingestellt wurde. Urkundlich wird die Gewinnung von Mühlsteinen in der Westeifel erst im 16. Jahrhundert belegt. Über welchen Zeitraum die Mühlsteinbrüche im »Ruderbüsch« betrieben wurden, konnte nicht festgestellt werden.

Größere Lavavorkommen sind im »Mühlenberg« und im »Lüh«. In der Nachkriegszeit wurde für den Wiederaufbau und den bald einsetzenden, über Jahre währenden Bauboom im öffentlichen und privaten Bereich die Lavagrube im »Lüh« weitgehend ausgebeutet. Wasserrechtliche Bestimmungen und Einwände der Naturschutzbehörden verhinderten eine Genehmigung zum Abbau des Lavalagers im »Mühlenberg«.