Mit der Sense unterwegs

P. Dr. Herbert Schneider, Rom/Dockweiler

 

Jede Handvoll Gras für das Vieh und jede Ähre in den Händen war in einer landwirtschaftlich geprägten Welt des Dorfes noch in den sechziger Jahren unseres Jahrhunderts unmittelbar der Erde abgerungen. Früh waren die Kinder am Broterwerb und Lebensunterhalt beteiligt. Die Arbeit war oft nicht leicht, aber sie stärkte auch das Selbstbewußtsein, früh »seinen Mann« zu stehen. Ein Vierzehnjähriger konnte durchaus mit der Sense schon Gras und Getreide mähen. So ging ich denn eines Morgens auch selbst und nicht nur mit Vater zum Mähen. Im Sommer mußte man schon früh auf die Wiese gehen; das Gras war dann noch naß und ließ sich besser schneiden. Die Mittagshitze konnte das Gras zum Trocknen bringen; es verwandelte sich unter der Sonne zu Heu.

Ehe ich auf die Wiese ging, zog ich mir ein kräftiges Koppel, einen Bauchgürtel, an. An ihm hing das Schlotterfaß, das ich mit Wasser füllte. Das Schlotterfaß bestand aus Blech, mitunter auch aus Kuhhorn. In ihm steckte der Schleifstein, denn auf der Wiese mußte die Sense immer wieder scharf geschliffen werden, war es doch eigene Kunst, den Stein an der scharfen Kante der Sense vorbeigleiten zu lassen, ohne sich selbst in die Finger zu schneiden und ohne die Sense anstatt zu schleifen, stumpf zu machen. Ein erfahrener Mäher rüstete schon zu Hause die Sense her. Auf einem Eisenstock wurde das Sensenblatt gedengelt. Der Eisenstock hieß »Haustock«. Auf ihm wurde die Sense so fein geklopft, daß ihre Schneide sehr dünn, aber noch stark genug war, um widerstandsfähig beim Mähen zu bleiben. All das wollte gelernt sein. Das Gras wurde zu Maden gemäht; fast nach jeder Made schliff ich die Sense. Am Ende einer Arbeitszeit von zwei bis drei Stunden wurden die Maden zum Trocknen ausgebreitet. Dazu diente die Heugabel, die ich gleichzeitig mitgenommen hatte. Unsere Wiese im Weiherchen war so meine erste Bewährungsprobe geworden. Die Hände taten mir weh, aber es war ein Schmerz wegen ungeübter Arbeit; er machte nicht wehleidig, eher ruhig und solidarisch.

War das Wetter günstig, konnte schon am nächsten Tag das Heu eingebracht werden. Ich spannte unsere beiden Kühe an den Wagen. Das dauerte seine Zeit. Zuerst mußten die Kühe getränkt werden, um die Last der Arbeit auszuhalten. Es galt, sorgsam mit dem Vieh, der großen Kostbarkeit des kleinen Mannes, umzugehen. Da Kühe langsam sind, mußten sie mit Geduld an den Wagen gespannt werden. Ihnen wurde ein Joch an den Hörnern befestigt, und dann mußten sie in die Stränge gehen, die ihnen angelegt wurden. Es ging nun los mit dem Wagen, der zum Heuladen umgebaut war. Dafür gab es einen eigenen Aufsatz, ein Gestell, das eine drei Meter hohe Heuladung halten konnte. Der Weg zum Weiherchen war noch kurz gegenüber anderen Anfahrten in der Dockweiler Landwirtschaft. Auf der Wiese angekommen, war so zu fahren, daß der Wagen nicht einsackte und beladen wieder herauszuziehen war. Wir luden das Heu von Hand mit der Gabel auf den Wagen. Auf dem Wagen nahm meine Mutter oder eines meiner Geschwister das Heu entgegen und verteilte es gleichmäßig. Meistens lud ich auf, da ich gesund und stark gewachsen war. Die Kühe hatten ihre letzten Kräfte herzugeben, um den Heuwagen aus dem Weiherchen zu ziehen. Dann ging es heimwärts, langsam die Anhöhe hinauf. Mitunter mußten wir anhalten und das Vieh ruhen lassen, bis wir dann schließlich im »Allen« an unserem Stall ankamen. Das Vieh freute sich, in den Stall zu kommen oder direkt zum Borren getrieben zu werden, um kräftig zu saufen. Jetzt fing neues Arbeiten an, nicht minder beschwerlich. Vom Wagen wurde das Heu durch das Heuloch über der Stalltür geschoben. Von innen nahm mein Bruder oder mein Vater das Heu entgegen, das ich darbot, und verteilte es auf dem Heuboden. Nach der Arbeit wurde der Wagen wieder an seinen Platz gestellt, der Hof gekehrt, neue Vorbereitungen für den kommenden Tag getroffen.