Streuobstanbau im Landkreis Daun

Heinz Ermel, Birresborn

 

Es dient dem Verständnis der heutigen Situation des Streuobstanbaues in unserem Landkreis, wenn zunächst in gedrängter Form auf die wichtigsten Grundzüge der Heimatgeschichte dieser Landnutzungsform zurückgeblickt wird, die im ersten Teil der Abhandlung (Heimatjahrbuch 1993) eine ausführliche Darstellung gefunden hat.

Der Leser konnte dort entnehmen, daß das wohlschmeckende Obst in weiten Teilen Europas ursprünglich nicht beheimatet war. Es gedieh in den klimatisch begünstigten Siedlungsräumen des fernen Südostens. So kam beispielsweise der Apfelbaum aus Armenien, der Birnbaum aus dem Kaukasus, die Zwetsche aus der Mitte Kleinasiens und die Süßkirsche aus der Küstenregion des Schwarzen Meeres zu uns. Bevor sie aber hierzulande Wurzeln schlugen, nahmen die Bäume ihren Weg über das antike Griechenland und gelangten später nach Italien, das sehr bald zum Kernland der Obstkultur im römischen Weltreich wurde. Über Südgallien erfolgte die Ausbreitung des Obstes nach Norden und im 2. Jahrhundert wurde das vielgewundene Tal der Mosel zum ersten Anbaugebiet in der Geschichte des deutschen Obstbaues.

In der Folgezeit dauerte es mehr als anderthalbtausend Jahre, bis der Obstbau in den Höhenlagen der Eitel Fuß gefaßt hatte. Gebremst durch die Ungunst des Klimas, gehemmt durch den Mangel an widerstandsfähigen Sorten, stockte der Anbau auf karolingischen Kammergütern, Meierhöfen und Adelssitzen, in Gärten von Klöstern und Stiftskirchen.

Erst mit dem Durchbruch der Wissenschaften im 18. und 19. Jahrhundert kam die Obstkultur in der Sortenzucht eine beachtliche Wegstrecke voran. Der Fortschritt in Forschung und Lehre wurde durch die Revolution von 1789 begünstigt, die den politischen Willen nach Deutschland hineintrug, den Nutzen des Bodens durch Obstbau zu heben. Für die französische Zeit ist belegt, daß für jede Mairie (Amtsbezirk eines Bürgermeisters) die Anlage von Baumschulen verpflichtend war.

Mit dem politischen Willen verband sich aber nicht automatisch auch der angestrebte Erfolg. Der Versuch, auf kargen Böden und unter herben klimatischen Bedingungen edles Obst zu züchten, war von hartnäckigen Fehlschlägen begleitet. Erst nach einem leidvollen Marsch auf dem Pfade bitterer Erfahrungen war Mitte des 19. Jahrhunderts jener Schatz an Grundwissen angehäuft, der die Obstbaupioniere der rauhen Höhenlagen in den Stand versetzte, den Erwartungen durch Schaffung erfolgversprechender Obstkulturen nachzukommen.

Eine am 1.12.1901 im Kreise Daun vorgenommene Obstbaumzählung führte zu einem interessanten Ergebnis: 38191 Apfel-, 12662 Birn-, 10115 Pflaumen- und Zwetschen-, 1535 Kirschbäume. Vor dem Hintergrund dieser Zahlen wollen wir uns mit den gegenwärtigen Verhältnissen des Streuobstanbaues befassen.

Zur heutigen Situation der Streuobstwiesen Charakterisierung

Der von den Vätern betriebene Obstbau hatte sich in der wirtschaftlich zweckmäßigsten Form einer Doppelnutzung des Bodens als Wiese und Hochstammkultur herausgebildet. Die Bäume waren in großen Pflanzabständen über die Wiesen verstreut. Solcherart Streuobstwiesen legten sich gleich einem wärmenden Schal, schützend und schmückend, um die Dörfer herum. Die Ortsbilder erweckten weithin den Eindruck einer harmonischen Einbettung ins Landschaftsgefüge.

Nach Schätzung der Fachleute ist die Zahl der Streuobstwiesen in Rheinland-Pfalz seit Mitte der 60er Jahre in beklemmender Weise zurückgegangen. Die flächendeckende Warenverteilung auf dem Lande hatte das Obst zu einem käuflichen Gut gemacht. Das verführerische Äußere der großen, schönen und ebenmäßigen Früchte ließ den selbstversorgenden Bauern rasch seine madigen, sauren und schorfigen Erzeugnisse vergessen. Die Obstwiesen verloren an Bedeutung, wurden teilweise ausgedünnt, abgetragen oder der Weidenutzung zugänglich gemacht, vielfach der Ortsbebauung und Gewerbeansiedlung geopfert, aber auch durch die Flurbereinigung reduziert. Die verbliebenen Flächen litten unter vernachlässigender Pflege und wurden gerne als Dauerstandweiden für die immer beliebtere Schaf- und Pferdehaltung benutzt. Die Folge waren Tritterosionen im hängigen Gelände sowie Schäl- und Verbißschäden und so mancher an Konstitution und Standfestigkeit vorschnell geschwächte Baum brach unter der Gewalt der Winterstürme zusammen.

So bieten sich heute die Obstwiesen des Landkreises Daun überwiegend als lückige, meist vergreiste, zersiedelte, aber dennoch erhaltenswerte Restbestände vormals geschlossener Obstkulturen dar, die das Andenken an vergangene Epochen bewahren und den zeitgenössischen Landmann mit der Kultur seiner Väter verbinden. Zieht man die Lebensdauer der auf Sämling veredelten Bäume in Betracht, so ergeben sich landeskundliche und familiengeschichtliche Rückblicke von beachtlichem Tiefgang. Zwetschenbäume können 80 bis 100 Jahre alt werden. Süßkirschen, die wegen ihrer Anspruchslosigkeit auch noch in höheren Lagen gedeihen, erreichen nicht selten ein Alter von 100 bis 150 Jahren. Für veredelte Tafelbirnen sind 200 Jahre noch nicht die Obergrenze und Apfelbäume werden ohne weiteres 200 bis 300 Jahre alt. Unter den Mostbirnen sind schließlich Veteranen bekannt geworden, die 450 Jahre den Witterungseinflüssen widerstanden. Berücksichtigt man zudem die herausragende Stellung von Streuobstwiesen im Haushalt der Natur, so ergeben sich insgesamt gesehen geschichtliche, heimatkundliche, siedlungspflegerische und biologisch-ökologische Aspekte, die zwingend für die Erhaltung der alten Baumsubstanz sprechen und Anstrengungen auferlegen, Verlorengegangenes im Blick auf künftige Generationen wieder zu ersetzen.

Methode

In der vorliegenden Untersuchung habe ich mir die Aufgabe gestellt, die Situation der Streuobstbestände im Landkreis Daun möglichst wirklichkeitsgetreu zu erfassen. Zu diesem Zwecke wurden alle Ortsgemeinden, Ortsteile und Städte des Kreises bereist, und ich informierte mich an Ort und Stelle über die aktuellen Gegebenheiten. Aus zeitlichen Gründen blieben entlegene Einzelgehöfte unbearbeitet. Dies gilt auch für die Ortsteile Meisenthal und Rohtenbach, die politisch zur kreisfremden Gemeinde Bauler gehören.

Die Zählung berücksichtigte nur Obstbaumbestände, die aus mindestens zehn Bäumen bestehen. Dies geschah einerseits, weil diese Anzahl in der Regel eine Fläche von ca. 1000 Quadratmetern bestockt und von dieser Größenordnung an als geschlossene Anlage imponiert, andererseits, weil zahlenmäßig kleinere Baumgruppierungen eher den Charakter von Hausgärten haben.

Es blieb ins Ermessen des Beobachters gestellt, mehrere Gruppen von Hausgartenbäumen ungeachtet der Parzellierung ihrer Standorte zu einer größeren Streuobstwiese zusammenzufassen, sofern der so definierte Bestand diesen Eindruck vermittelte. Nicht minder subjektiv war die Entscheidung, in einem weiten Wiesengelände mit lockerer, unregelmäßiger Hochstammbestockung eine einzige Obstkultur oder mehrere zu sehen.

Diese Ermessensspielräume erschweren naturgemäß die Überprüfbarkeit der ermittelten Zahlen. Solche subjektiven Momente sind der unabweisbare Mangel jeder Methode, die einen Wirklichkeitsausschnitt zu gliedern und zu strukturieren versucht. Es kommt, wie so oft im Leben, auf den Standpunkt an.

Die ermittelten Zahlen beziehen sich auf das Winterhalbjahr 19907 91, in welchem die Erhebung stattfand. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß dem Beobachter einzelne Anlagen verborgen blieben, mit der Folge, daß die betreffenden Gemeinden in der tabellarischen Arbeit unterbewertet wurden. Es sei deshalb ausdrücklich betont, daß die Untersuchung keinen Anspruch auf wissenschaftliche Qualität erhebt. Ihre Befunde resultieren aus dem redlichen Bemühen, die örtlichen Gegebenheiten des Streuobstbaues mit den einfachen Methoden des Heimatkundlers (Begehung, Sichtung, näherungsweise Erfassung und Deutung) darzustellen. Im Gegensatz zu einer amtlichen Obstbaumzählung, wie sie beispielsweise 1987/88 im saarländischen Kreis Merzig-Wa-dern stattgefunden hat, war es mir im Rahmen meiner Arbeit nicht gestattet, umzäunte Grundstücke zu betreten, so daß sich die Zählung der Bäume von den Ortswegen aus manchmal sehrschwierig gestaltete. Die in geringem Umfang vorhandenen Halbstamm-Anlagen wurden mitgezählt, da diese Bäume im Alter zu ähnlichen Kronenumfängen neigen wie die Hochstämme. Neuanlagen, die in jüngster Zeit durch die Kulturämter eingerichtet wurden, gingen, soweit als solche kenntlich, nicht in die Zählung ein. Eine besondere Würdigung dieser begrüßenswerten Maßnahmen erfolgt an anderer Stelle.

Ergebnisse

Im Untersuchungsgebiet konnten in 153 Gemarkungen und Gemarkungsteilen 1087 Streuobstwiesen mit 18366 Bäumen nachgewiesen werden. Das ergibt pro Siedlungseinheit eine durchschnittliche Zahl von sieben Streuobstwiesen mit je 17 Bäumen. Es handelt sich damit im Landkreis Daun im Unterschied zu den großen und weitläufigen Streuobstwiesen Hes

sens und Baden-Württembergs um eine streu-obstbauliche Splitterflächensituation. Über die Verteilung der Streuobstwiesen auf die einzelnen Städte, Gemeinden und Ortsteile gibt die nachfolgende Tabelle Aufschluß. Sie ist in der Form einer Rangliste gehalten. Hinter den jeweiligen Ortsnamen erscheint die Summe der auf den Obstwiesen ermittelten Bäume. Anzahl der Streuobstwiesen.

 

Uralter Birnbaum in Oberbettingen, der nach mündlicher Überlieferung schon zu Beginn des letzten Jahrhunderts ein alter Veteran gewesen ist. Foto: H. Schmitz

Ortsname mit Anzahl der Obstwiesenbäume

0 Hallschlag, Jünkerath, Kerschenbach, Lammersdorf, Niederbettingen, Niederwinkel, Nitz, Ormont, Reuth, Scheid, Scheuren, Stadtkyll/Niederkyll

1 Basberg 25, Brücktal 13, Dohm 15, Glaadt 10, Gunderath 10, Kalenborn 10, Kelberg 12, Oberwinkel 11, Salcherath 10, Saxler 57, Schönfeld 30

2 Ahütte 20, Beinhausen 27, Berenbach 37, Desserath 65, Duppach 20, Kaperich 29, Mirbach 29, Neichen 20, Niederehe 25, Nollenbach 20, Oos/Neuoos 23, Pützborn 20, Rengen 20, Schüller 25

3 Bewingen 35, Bodenbach 47 Bolsdorf 35, Gelenberg 32, Hohenfels 32, Hünerbach 3o, Kerpen 35, Niedereich 40, Oberelz 49, Uersfeld 46, Ueß 51, Wiesbaum 30

4 Berlingen 53, Daun 87, Gönnersdorf 47, Heyroth 107, Hillesheim 86, Kolverath 44, Kradenbach 90, Lissingen 98, Nerdlen 46, Roth 78, Steiningen 77

5 Arbach 63, Betteldorf 60, Birgel 120, Bongard 70, Boxberg 84, Flesten 76, Gefell 54, Hörscheid 76, Lissendorf 60, Moosbruch 123, Oberbettingen 55, Rockeskyll 73, Sarmersbach 81, Sassen 84, Schönbach 61, Steffeln 92, Steineberg 67

6 Auel 67, Boverath 73, Eigelbach 86, Essingen 71, Feusdorf 68, Hörschhausen 70, Kopp 79, Kötterichen 78, Salm 131, Schutz 78, Strohn93, Zilsdorf91

7 Büscheich 109, Drees 85, Höchstberg 82, Horperath 96, Kirsbach 107, Lirstal 86, Loogh 108, Mannebach 86, Retterath 90, Tettscheid 141, Trauntzberg 235, Weidenbach 98, Welcherath 87

8 Darscheid 89, Köttelbach 115, Schalkenmehren 271, Stroheich 87, Trittscheid 99, Waldkönigen 105, Wallenborn 89, Walsdorf 100

9 Brockscheid 127, Dockweiler 108, Gillen-feld 115, Reimerath 150, Weiersbach 124

10 Borler 121, Brück 177, Dreis 132, Esch 161, Hinterweiler 132, Leudersdorf 119, Niederstadtfeld 125, Udler 167, Utzerath 159, Üx-heim 130

11 Bereborn 156, Berndorf 172, Katzwinkel 173, Mehren 161

12 Hinterhausen 418, Mückeln 191, Neunkirchen 197, Oberehe 216

13 Ellscheid316

14 Demerath 262, Gees 254

15 Bleckhausen 216, Immerath 568

16 Meisburg/Rackenb. 281, Oberstadtfeld 262

17 Michelbach 588, Deudesfeld 322

19 Neroth 281, Strotzbüsch 510

22 Densborn 409, Kirchweiler 436

23 Nohn 498

24 Birresborn 554

25 Steinborn 389

31 Üdersdor 604

33 Pelm 633

34 Gerolstein 734, Mürlenbach/Hanert 601

Auswertung

Die möglichen Folgerungen aus der Tabelle sind mannigfach. Es würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, sähe ich mich zu einer erschöpfenden Auswertung veranlaßt. Ich überlasse es dem wißbegierigen Leser, interessante Fragen aufzuwerfen und ihrer Beantwortung an Hand der Tabelle nachzugehen. Die Aufstellung bietet hierzu reizvolle Möglichkeiten. Insbesondere möchte sie den Bürgermeistern, Ortsvorstehern, Gemeinderäten und Verwaltungsbeamten dazu dienen, die Obstbausituation der Dörfer einzuschätzen und miteinander zu vergleichen. Sie möchte auch Anstoß geben, Aktivitäten zur Förderung und Ausweitung dieser Landnutzungsform zu entfalten. Entsprechende Gedanken werden in den nachfolgenden Kapiteln entwickelt. Zuvor soll aber ein Beispiel für die Tabellenauswertung gegeben werden: Überträgt man die jeweilige Anzahl der Obstwiesenbäume auf den zugehörigen Ortsnamen einer geographischen Übersichtskarte des Landkreises Daun, so ergibt sich entsprechend der Klimaunterschiede infolge der wechselhaften Oberflächengestalt des Gebietes ein uneinheitliches Bild. Es fällt jedoch auf, daß im Bereich der mittleren Kyll bis Gerolstein/Pelm, entlang der Lieser und ihrer Zuflüsse, namentlich der Kleinen Kyll und des Pützborner Baches, desgleichen in den Tälern des Alfbaches,des Ueßbaches und des Ahbaches, welcher dem Oberlauf der Ahr zufließt, fast alle Gemeinden vertreten sind, deren Streuobstbäume anzahlmäßig zwischen 100 und 734 liegen. Jene Gemeinden sind gleichsam Hochburgen des Obstbaues im Untersuchungsgebiet. Diese Tatsache bestätigt den eingangs erwähnten Sachverhalt, daß der Obstbau in geschichtlicher Zeit, von der Mosel kommend, dem Verlauf der hier genannten Täler folgend, in den Landkreis vorgedrungen ist. Wesentlich später mag dann von der Ahr her eine ähnliche Entwicklung in Gang gekommen sein.

Zur Funktion und Erhaltungswürdigkeit der Streuobstwiesen Landes- und Siedlungspflege

Vieles spricht für die Erhaltung der betagten Streuobstwiesen, die als ein Erbe unserer Väter noch heute die meisten Eifeldörfer säumen. Manche der alteingesessenen Bauernfamilien, die im Besitze solcher Wiesen sind, empfinden Jahr für Jahr die Blütenpracht im Monat Mai als einen Gruß der Ahnen aus längst vergangener Zeit. Das Bewußtsein der Verbundenheit mit dem Fleiß der Vorfahren, die eine solche Kultur planten, schufen, pflegten und bewahrten, hat vielerorts dafür gesorgt, daß die vergreisten Stämme dem Zahn der Säge nicht zum Opfer fielen.

Dem Gefühl der Ehrfurcht vor dem Beständigen im Wandel der modernen Zeit mag sich die Einsicht hinzugesellt haben, daß dörfliche Atmosphäre leidet, wenn im Rausche der Erneuerung aller Lebensverhältnisse dem grünen Gewand des Dorfes ein städtisches Gepräge gegeben wird. Die Vielfalt der landschaftsfremden Bäume, Sträucher und Stauden, aus der schreienden Farbigkeit der Versandkataloge ausgewählt und in die schmucke Einfalt der Bauerngärten verpflanzt, hätte den Charakter der Dörfer weithin verdorben, wenn nicht die mächtigen Kronen der Hochstammgehölze von wohltuender und ausgleichender Wirkung gewesen wären.

Es ist vor allem das Verdienst der Verschönerungswettbewerbe, die Verfremdungstendenz gewendet und eine Rückbesinnung auf den Eigenwert des Dorfes eingeleitet zu haben. Dem alten Baum wurde damit eine neue Würdigung zuteil, er stieg zum namhaften Konkurrenten für Blautannen, Thujahecken und Essigbäume auf.

Gesundheitspflege

Eine gewisse gedankliche Nähe zum Essigbaum hatte das alte Eifeler Wirtschaftsobst allemal. Spät in der Blüte und früh im Blattfall, blieb dem Obstbaum nur wenig Zeit, ein Mindestmaß an Fruchtsüße auszubilden. Erst nach langem Lagern bis in den Spätwinter hinein erreichte das Obst eine bescheidene Schmackhaftigkeit. Demgegenüber erfreute es die Hausfrau durch seine lange Haltbarkeit. Die angefaulten, laufend vom Lager verlesenen Früchte, wurden zu Apfelmus und Birnenbrei verarbeitet. Bevor das Einkochen und Einwecken üblich wurde, erfolgte die Haltbarmachung durch Trocknen. Die weitverbreiteten großen Backöfen leisteten hierzu vorzügliche Dienste. Nach dem Brotbacken wurde die Restwärme dazu benutzt, die Zwetschen sowie die Apfel- und Birnenscheiben zu dörren. Alternativ dazu wurden die Obstschnitzel auch in Hürden getrocknet, die auf dem Ofen zu stehen kamen. Zur Lufttrocknung fädelte man die Obstscheiben auf Schnüre, die man in der Zugluft des Speichers oder in anderen gut durchlüfteten Räumen ausspannte. Die Aufbewahrung erfolgte dann meist in Leinensäckchen an einem kühlen Ort. Dies war nicht selten der Raum über dem Schrank des Schlafzimmers. Das getrocknete Obst wurde dann nach Bedarf wieder eingeweicht und als Kompott zu den Mahlzeiten gereicht. Eine besondere Leckerei war der braune Birnenbrei, den die Hausfrauen aus getrockneten Birnen bereiteten und der als Belag für Hefekuchen diente. Des weiteren war der Birnen- oder Zwetschentopf eine beliebte Form der Konservierung. Ein sauer-süßer Sud, aus Essigwasser, Zucker und Zimt gekocht, über die Früchte in einem Steintopf gegeben, der anschließend mit einem Tuch zugebunden wurde, sorgte für eine lange Haltbarkeit. Daneben erfreuten sich Bratäpfel, in der Röhre oder auf der Platte gegart, großer Beliebtheit. Die Äpfel und Birnen, die keine direkte Verwendung in der Küche fanden, wurden zu Getränken weiterverarbeitet. Es sei daran erinnert, daß 1867/68 eine Obstkelter in Daun installiert wurde und im Jahre 1891 ein einziger Obstbaum in Neunkirchen 22 Zentner Trankobst brachte.

Überstiegen die Obsterträge den Eigenverbrauch, so konnten die Überschüsse als wertvolles Saftfutter an die Haustiere verfüttert werden. War eine Brennerei in erreichbarer Entfernung, konnte das überzählige Obst, meist verderbliches Fallobst, dorthin geschafft und gegen Zahlung eines Aufpreises vergeistigt werden. Brennereien gab es im Bitburger und Witt-licher Land. Im Kreis Daun soll es keine Brennrechte gegeben haben.

Zugegeben, dies alles war sehr mühevoll. Heutzutage bestehen Selbstversorgungszwänge nicht mehr und die moderne agrarindustrielle Produktion und Verarbeitung liefert dem Konsumenten unabhängig von der Jahreszeit handelsübliche Ware in beliebiger Menge und zu einem erschwinglichen Preis. Abgestimmt auf die Verhaltensweise des Verbrauchers, der in seiner Kaufentscheidung vom Auge geleitet wird, bestechen die Erzeugnisse der Apfelindustrie durch Farbigkeit, Glanz und Makellosigkeit der Schale sowie durch Einheitlichkeit in Größe und Gewicht. Diese Eigenschaften werden durch Gifteinsatz (12-20 Spritzungen im Durchschnitt, bis zu 43 Spritzungen je nach Herkunftsland und Betriebsweise), Hormonbehandlung (Optimierung des Fruchtansatzes, gleichmäßige Reifebeschleunigung, Ausfärbung der Schale, Verbesserung der Pflückbarkeit), Düngung (Ertragssteigerung bis an die biologischen Grenzen des Baumes) und Lagerung in kontrollierter Atmosphäre bis zu einem Jahr erreicht. Derart gelagerte Äpfel haben nach 6-8 Monaten so gelitten, daß sie der chemischen Restaurierung bedürfen, um endlich ihren Käufer zu finden. Im Besitze solcher Äpfel kann der Verbraucher lange nach Geruch und Wohlgeschmack fahnden. Industrieäpfel sind fast immer geschmacklich verarmt. Aus der Sicht des Genießers sind sie die Tüte nicht wert, in der sie der Käufer nach Hause trägt.

Hier stellt sich die Frage, was die Hausfrau aus diesen aromafreien, rückstandsbeladenen und unreif gepflückten Äpfeln machen kann. Eigentlich ist der Apfel ein Lebensmittel von universeller Verwendbarkeit. Geschmacklich befriedigende und gesundheitsdienliche Gerichte lassen sich aber nur aus den Früchten der Streuobstwiesen, des eigenen Gartens oder spezieller Anbaugenossenschaften mit ökologischer Ausrichtung gewinnen. Solche Erzeugnisse lassen sich lagern, vergären, in Alkohol einlegen, trocknen, tiefkühlen, einkochen und in Zucker konservieren. Nach einer Rezeptsammlung des Naturschutz-Zentrums Hessen

e.V. können sie zu Apfelwein, Apfelessig, Würzessig, Schönheitsmitteln (Hamamelis-Essig, Rosenessig, Kräuteressig), Apfel-Likör, Apfelmost, Apfeldicksaft, Apfelschalentee, Apfel-Nußbrot, Apfel-Müsli, Apfel-Milch, Apfel-Paprika-Aufstrich, Apfelquark, Apfelschmalz, Apfelsuppe, Apfelauflauf, Apfelkoteletts, Apfelklößen, Apfelchutney, Apfelketchup, Apfel-Souffle, Apfel-Haselnuß-Parfait, Apfelwaffeln, Apfelkuchen, Apfelbeignets, Apfelsalaten, Apfelpunsch, Apfelbowle weiterverarbeitet werden.

Summa, summarum, der Apfel verdient es, zusammen mit Birne und Zwetsche wieder vermehrt in Gärten und Wiesen gepflanzt zu werden. Dabei gebührt dem Hochstamm der Vorzug. Bei Halbstämmen wird die Bodenbearbeitung sehr erschwert, Unterkulturen müssen entfallen und die Kronen werden im Laufe der Jahre ebenso groß wie die der Hochstämme. Das Argument der leichteren Kronenpflege und Ernte verliert dadurch sehr an Gewicht. Zudem erreicht der Hochstamm ein wesentlich höheres Alter. Die Verzögerung des Ertragsalters -Halbstämme kommen früher zum Tragen -wird durch die Neigung zum Massenertrag, ein Mindestmaß an Pflege und Düngung vorausgesetzt, mehr als ausgeglichen. Gewaltige Erträge sind durch das Beispiel des Obstbaumes zu Neunkirchen (1891) für das Gebiet der rauhen Eifel belegt.

Bedeutung als Lebensraum

Neben den siedlungs- und gesundheitspflegerischen Aspekten, die für eine Erhaltung und Vermehrung der Streuobstbestände sprechen, lassen sich weitere gewichtige Argumente aus dem Problemkreis des Naturschutzes anführen. Streuobstwiesen sind Lebensräume für zahllose Tierarten, die in gottgewollter Abhängigkeit von den Wildlingen des Apfels und der Birne dem Menschen seit der Jungsteinzeit auf seinem langen Weg in eine naturverdrängende Kulturlandschaft folgten oder dank ihrer Anpassung die von ihm geschaffenen Obstkulturen als Ersatzbiotope für verlorengegangene lichte Wälder annahmen. Auf einem einzigen Apfelbaum und seiner Standfläche konnten in günstiger Klimalage annähernd 1000 Tierarten nachgewiesen werden. Aus dem Artenspektrum seien einige wenige Namen genannt, die sich eines gewissen Bekanntheitsgrades er-freuen und dem aufmerksamen Beobachter hie und da begegnen:

Spitzmaus, Fledermaus, Haselmaus, Iltis, Marder, Wiesel, Igel, Steinkauz, Neuntöter, Raubwürger, Wendehals, Grünspecht, Star, Feldsperling und Gartenrotschwanz, dazu Frösche, Kröten, Eidechsen und Schlingnattern sowie eine Fülle von Schmetterlingen, Käfern, Heuschrecken, Bienen, Wespen, Schlupfwespen, Fliegen, Spinnen, Asseln, Ameisen, Tausendfüßlern, Blattläusen, Blattwanzen, Urtierchen, Schnecken, Würmern u. s. w.

Sehr bedeutsam ist das Vorkommen seltener Flechten, die an den Stämmen zum Teil ihre letzte Lebenschance haben. Im umliegenden Wiesenland ist infolge der intensiven Nutzung der Artenbestand vergleichsweise gering, auf dem Ackerland geht er deutlich gegen Null. Bemerkenswert ist das Vorkommen natürlicher Baumhöhlen, die infolge des Zurückfaulens von Schadstellen und nachträglicher Bearbeitung durch den Specht zu willkommenen Nistgelegenheiten für unsere Höhlenbrüter geworden sind.

Das Fallobst schließlich deckt vielen Lebewesen den Tisch, die auf den winterlich kahlen Fluren nichts finden. Es sei an die großen Schwärme der Wacholderdrosseln erinnert, die zur Winterzeit in der Eifel umherstreifen und namentlich die Obstwiesen in auffälliger Weise bevölkern. Als ständige Gäste sind Amseln, Rabenkrähen und Elstern zugegen. Stare, Mistel-, Sing- und Rotdrosseln, aber auch Rotkehlchen und Heckenbraunellen sowie das heimische Haarwild einschließlich der Beutegreifer und Greifvögel (Mauswiesel, Hermelin, Turmfalke, Sperber, Habicht, Mäusebussard) vervollständigen das wechselvolle Bild der bunten Tischgemeinschaft.

Vernetzung von Lebensräumen

Von außerordentlicher Bedeutung sind die Streuobstwiesen für die Vernetzung von Lebensräumen. In dieser Hinsicht haben sie die Funktion von Verbindungsstraßen, auf denen der Artenaustausch zwischen den Biotopen vonstatten geht. Er dient der Blutauffrischung der Individuen eines Lebensraumes.

Ist dieser Vorgang behindert, weil die Wanderbewegungen der Tiere durch menschliche Eingriffe in die Landschaft blockiert sind, so kann dies infolge genetischer Blutenge zum Aussterben ganzer Populationen führen. Mit diesem Problem ist der Naturschutz von heute in wachsendem Maße konfrontiert. Streuobstbestände, wie sie vor mehr als hundert Jahren entlang der Wege und Straßen angelegt wurden, werden durch ihren linienförmigen Verlauf der Funktion von Wanderpfaden am besten gerecht. Sie sind den Heckenanlagen insofern überlegen, als sie im Kronenbereich eine Breite von zehn Metern erreichen, Unterkulturen zulassen und verwertbare Erträge liefern.

Hausgrundstück in Gerolstein. Schmucke Kombination von Hochstämmen und Blumenwiese. Foto: H. Schmitz

Aufgabe als Genreservoir

Ein weiteres Argument, das die Erhaltung der Streuobstbestände mit allem Nachdruck gebietet, sind die in den alten Bäumen schlummernden Erbanlagen. Keiner weiß heute genau zu sagen, um welche Sorten es sich bei unseren greisen Hochstämmen handelt, von denen Tausende in der Landschaft stehen. Gerade die alten Sorten weisen oft eine höhere Schädlingsresistenz auf als die heutigen Züchtungen und haben eine Anpassung an ungünstige Standortverhältnisse und widriges Klima vollzogen. Sie stehen dem Erbgut der natürlichen Wildlinge näher als die Manipulationsergebnisse der modernen Forschung. Keiner kann ausschließen, daß künftige Züchtergenerationengerade auf die Erbanlagen der alten und uralten Sorten angewiesen sind, um zu verblüffenden Neuzüchtungen zu gelangen, die des massiven Einsatzes chemischer Behandlungsmittel nicht mehr bedürfen. Auch die Züchtung der Getreidearten geschah durch den Rückgriff unserer Vorfahren auf ganz bestimmte Wildgräser. Hätte der Mensch sie damals schon ausgerottet, stünden wir heute ohne Getreide da. Nicht nur Brot und Bier wären uns dann unbekannt geblieben.

Erosionsschutz

Unter diesem Stichwort soll eine weitere Lanze für die Erhaltung unserer Streuobstwiesen gebrochen werden.

Der Schutz des Bodens vor Abtragung durch Wind und Wasser findet heute in der Landwirtschaft große Beachtung. Die Anpflanzung von Windschutzhecken im offenen Gelände und die Duldung einer Krautschicht als neue Form der Bodenpflege im Weinbau seien hier als Beispiele genannt. Obstwiesen sind neben Wald die ideale Bodennutzungsform im hängigen Gelände. Die mißbräuchliche Nutzung steiler Wiesenlagen durch Viehbetrieb hat in der Vergangenheit oft zu schweren Bodenschäden durch Tritterosion mit schwindender Grasnarbe geführt. Unsere Vorfahren wußten um diese Gefahr und haben deshalb dem Anbau des Obstes in den Hanglagen den Vorzug gegeben. Da die Luft in abwärtsfließender Bewegung blieb und sich nicht staute, wurde möglichen Spätfrostschäden ganz entscheidend vorgebeugt.

Dank des Reichtums an Niederschlägen tritt in der hochgelegenen Eifel kein Mangel an Feuchtigkeit auf, der den Baumbeständen in den Hanglagen der niederschlagsarmen Regionen zu schaffen macht. Unter diesem Gesichtspunkt und eingedenk der Tatsache, daß in Steillagen ein Wiesen- und Mähweidebetrieb maschinell nicht durchzuführen ist, ausschließliche Weidenutzung aber große Probleme mit sich bringt (Erosion), bietet sich die hangsichernde Nutzungsform des Obstbaus im stark geneigten Gelände geradezu an.

Wo Obstbaumbestände in solchen Lagen bereits vorhanden sind, und dies ist im Umkreis der Dörfer vielfach der Fall, sollten sie in fürsorgerische Obhut genommen und fehlende Einzelbäume tatkräftig erneuert werden. Staatliche Fördermittel stehen zu diesem Zweck zur Verfügung.

Neuanlage von Streuobstwiesen

Die Streuobstwiesen im Kreise Daun sind wie überall in deutschen Landen durch den enormen Flächenbedarf der Industrienation gefährdet. Neubaugebiete, Gewerbeansiedlungen, Großstallungen für die Massentierhaltung, Sport- und Vergnügungsanlagen wie Golf-, Tennis-, Reit-, Fußball- und Kinderspielplätze, Erholungseinrichtungen wie Stauseen und Grünflächen, Clubheime, Dauerstandweiden für die wiederbelebte Pferdehaltung, neue Straßen, asphaltierte Plätze haben historisches Bauernland für die Zwecke des Fortschritts in Anspruch genommen. Täglich wird in der Bundesrepublik eine Fläche von 100 ha für derartige und ähnliche Erfordernisse aufgebraucht. Eine Bedürfnisinflation nie gekannten Ausmaßes droht das Antlitz unserer Dörfer in besorgniserregender Weise zu verändern. Da muten die Aktivitäten der Heimat- und Geschichtsvereine, die Bemühungen um Pflege des Brauchtums und der Dialekte, die Maßnahmen des Denkmal-, Landschafts- und Naturschutzes wie Formen religiöser Ersatzbefriedigung an, zu deren Ausübung im Herzen der Empfänglichen eine Gefühlsprovinz errichtet wird.

Und dennoch wäre es tadelnswert, in Resignation und Apathie zu verfallen. Mit der gebündelten Kraft privater und behördlicher Energien, mit Augenmaß und Tatendrang sowie dem federnden Elan, den zu Gebote stehenden Gesetzen Geltung zu verschaffen, könnten die zernagten Reste unserer Streuobstwiesen und die verschlissenen Teile der ehemaligen Obstbaumgürtel in das vor uns liegende Jahrtausend hinübergerettet werden. Ergänzend hierzu müßte eine weit in die Zukunft weisende Neukonzeption von Streuobstanlagen verwirklicht werden. Hier sind in erster Linie die Kulturämter, die Landespflegebehörden, die Straßen- und Gemeindeverwaltungen sowie die Gremien der politischen Ebene angesprochen.

Eine ermutigende Entwicklung ist mittlerweile bei den Kulturämtern in Gang gekommen. Landespflegerische Maßnahmen der gewünschten Art wurden im Rahmen von Flurbereinigungsplanungen getroffen, 1987 unter dem Motto»Mehr Grün durch Flurbereinigung« mit umfangreichen Gehölzpflanzungen, meist insektenblütigen Laubbäumen, Sträuchern und Schlinggewächsen, die in den Gemarkungen von Steineberg und Demerath durch das Kulturamt Prüm ausgebracht wurden. Dabei kamen auch Hochstämme alter Obstsorten zur Pflanzung. In Demerath belief sich die Zahl der Obstbäume auf 260, davon 140 in der freien Landschaft. In Steineberg umfaßte die Obstbaumpflanzung 170 Exemplare, davon 140 in der Gemarkung. Jeder Hochstamm kostet 38,-DM, hinzu kamen Nebenkosten für Pfahl und Verbißschutz in Höhe von 6,- DM je Baum; bei Dreipunktpfählung lagen die Kosten bei über 50,— DM. Eine weitere Maßnahme wurde für die Gemarkung Saxler getroffen, durchgeführt vom Kulturamt Bernkastel. An hochstämmigen Obstbäumen in der Landschaft sind mir 152 Stück aufgefallen.

Bezüglich der Neuschaffung von Streuobstbeständen denke ich an großzügig bemessene Anlagen im weiteren Umfeld der Gemeinden, die Aufnahme in die Flächennutzungspläne finden, ins öffentliche Vermögen überstellt und durch Ausweisung als geschützte Landschaftsbestandteile einen speziellen Schutzstatus erhalten; § 1 des Landespflegegesetzes (LPflG) von Rheinland-Pfalz in der Fassung vom 1. Mai 1987 böte hierzu eine Handhabe. Da heißt es:

»Natur und Landschaft sind im besiedelten und unbesiedelten Bereich so zu schützen, zu pflegen und zu entwickeln, daß

1. die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts,

2. die Nutzungsfähigkeit der Naturgüter,

3. die Pflanzen- und Tierwelt sowie

4. die Vielfalt, Eigenart und Schönheit von Natur und Landschaft

als Lebensgrundlage des Menschen und als Voraussetzung für seine Erholung in Natur und Landschaft nachhaltig gesichert sind.«

Gemäß § 20 Abs. 1 LPflG kann unter Berücksichtigung der örtlichen Erfordernisse und zur nachhaltigen Sicherung der Anlagen ein entsprechender Schutzstatus hergeleitet werden: »Geschützte Landschaftsbestandteile sind durch Rechtsverordnung festgesetzte Teile von Natur und Landschaft (Bäume, Baum- und Gehölzgruppen, Raine, Alleen, Landwehre, Wallhecken, Röhrichte, Schutzpflanzungen, Feldgehölze, Parks und Friedhöfe sowie kleine Wasserflächen), deren besonderer Schutz

1. zur Sicherstellung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes,

2. zur Belebung, Gliederung und Pflege des Orts- und Landschaftsbildes oder

3. zur Abwehr schädlicher Einwirkungen erforderlich ist. Der Schutz kann sich in bestimmten Gebieten auf den gesamten Bestand an Bäumen, Hecken oder anderen Landschaftsbestandteilen erstrecken.«

Es darf davon ausgegangen werden, daß solcherart geschaffene Streuobstbestände im weiteren Umfeld der Gemeinden von Nutzungsansprüchen und Zielkonflikten im Rahmen der siedlungsbaulichen Entwicklung weitgehend unberührt bleiben.

Wer bei Kostenkalkulationen die Überlegung ins Felde führt, daß andere insektenblütige Holzgewächse (Bergahorn, Feldahorn, Spitzahorn, Eberesche, Robinie, Roßkastanie, Traubenkirsche, Sommer- und Winterlinde) preisgünstiger und von ähnlicher ökologischer und ästhetischer Qualität wie die Obstbäume sind, der übersieht, daß infolge des herbstlichen Fruchtfalls die Bandbreite der positiven Wirkungen unserer Obstgehölze ungleich größer ist, als die der anderen Gruppe. Ein Tischlein-deck-dich, das der Tierwelt in ausgeräumter Landschaft bis weit in den Winter zur Verfügung steht, ist für die Natur von unschätzbarem Wert. Als ein vertretbarer Kompromiß kann die Pflanzung von Wildobststämmen (Apfel, Birne, Kirsche) angesehen werden, wie dies von der Jägerschaft zur Verbesserung der Äsungsverhältnisse in den Jagdrevieren stellenweise praktiziert worden ist.

Was die landespflegerischen Aufgaben der Gemeinden und Straßenverwaltungen angeht, so fehlte es besonders in der Vergangenheit nicht an nachahmenswerten Beispielen. Wie an anderer Stelle bereits ausgeführt, begann im Jahre 1859 die Bepflanzung der Staatsstraßenränder mit Obst- und anderen Laubbäumen. Diese Entwicklung, von den Ortsgemeinden aufgegriffen und in der Folgezeit fast wie ein guter Brauch gepflegt, wurde bis zum 1. Weltkrieg in rühriger Weise fortgesetzt. Was viele Gemeinden bis heute davon abgehalten hat, sich dieser ortsbild- und ortsflurbelebenden Maßnahmen wieder zu erinnern, ist mir bislang ein Rätsel geblieben. Der Verdacht liegt nahe, daß die Gemeinden das herbstliche Fallobst fürchtetenund deshalb gewöhnlichen Laubbäumen den Vorzug gaben. Was aber hielt die Gemeinderäte davon ab, eine Bepflanzung der Feldwege mit Obstbäumen ins Auge zu fassen? Vielleicht war es der Mangel an Aufklärung hinsichtlich der eindeutigen ökologischen und ästhetischen Überlegenheit des Obstgehölzes gegenüber einem anderen. Der Nachholbedarf bezüglich der Wieder- und Neubepflanzung von Gemeindewegen und Straßenrändern ist außerordentlich groß und sollte beherzt angepackt werden.

Wo Streuobstwiesen bereits bestehen, wäre zu wünschen, daß diese als Vermächtnisse der Väter begriffen und ihre Bewahrung wie auch Erneuerung zu einem Herzensbedürfnis der Gemeinderäte würde. Für die Sicherung vieler dieser Wiesen, die zum Teil im Innenbereich der Gemeinden liegen, bietet das Landespflegegesetz wieder die rechtliche Grundlage. In § 2 Ziffer 13 heißt es:

»Historische Kulturlandschaften und -landschaftsteile von besonders charakteristischer Eigenart sind zu erhalten.«

Auf diese zwingende Norm sollte seitens der Gemeinden hingewiesen und im Antragsverfahren auf Mittelzuweisung aus dem Landespflegeetat abgestellt werden. Dabei schließt die Erhaltung einer historischen Kulturlandschaft immer auch den Ersatz bereits verschwundener Elemente ein. Dies beinhaltet in unserem Zusammenhang notwendig werdende Baumersatzmaßnahmen.

Weckruf an Privatpersonen, Vereine und Schulen

Neben den öffentlichen Maßnahmen zur Neuanlage von Streuobstbeständen, die einen richtungweisenden und modellhaften Charakter haben, ist selbstverständlich das Engagement von Privatpersonen ganz vordergründig gefragt.

An erster Stelle wendet sich der Appell an die Bauern, die Großeigentümer von Grund und Boden. Im Blick auf die Erhaltung vorhandener Bestände greift das Biotopsicherungsprogramm »Streuobstwiesen« des Landes Rheinland-Pfalz dem Landwirt ganz kräftig unter die Arme. Es möchte einen wirkungsvollen Beitrag zur Sicherung der biologisch-ökologischen und landschaftlichen Vielfalt leisten und beabsichtigt daher (Zitat):

»Extensivierung und Pflege bestehender Streuobstflächen zu gewährleisten, Neupflanzungen von Hochstämmen an geeigneten Standorten durch finanzielle Anreize zu fördern, mit derartigen Maßnahmen Bestandslücken zu beheben und längerfristig eine möglichst netzartige Verteilung der Obstwiesen über ganze Regionen zu erreichen.«

Immerath: Teil des alten Baumgartens oberhalb des Dorfes. Einer der wenigen Lebensräume im Landkreis, die dem Neuntöter verblieben sind.

Foto: H. Schmitz

Den interessierten Grundeigentümer oder Pächter berät die zuständige landwirtschaftliche Beratungsstelle oder die Untere Landespflegebehörde bei der Kreisverwaltung. Ein Merkblatt steht zur Verfügung.

Was die Neuanlage von Streuobstbeständen anbelangt, so hat die Europapolitik inzwischen sehr ermutigende Schritte unternommen, um auf der Grundlage einer umweltschonenden Landbewirtschaftung Anreize für eine Ausweitung dieser Landnutzungsform zu setzen. Es wurde ein Förderprogramm auf den Weg gebracht, das den an Flächenstillegung interessierten Grundbesitzer dazu anregt, Hochstamm-Wildobstwiesen anzulegen. Aus Pressenotizen der Kreisverwaltung Daun verlautete, daß die Finanzierungsrichtlinien etwa ab Sommer 1993 in Kraft treten werden.

Da es im ländlichen Raum immer noch recht große Hausgrundstücke gibt, richtet sich der Appell zum Streuobstbau an einen weiteren Personenkreis, die zahlenmäßig starke Gruppe der Gartenfreunde. Diese Liebhaber der kleinen Scholle haben nicht selten verstreuten Grundbesitz in der Flur, der sich ohne großen Aufwand in lohnende Obstwiesen verwandeln ließe. Für das eigene Hausgrundstück empfiehlt sich die schmucke Kombination von Hochstämmen mit einschürigen Blumenwiesen in Unterkultur.

Aber auch die Vereine des Natur- und Umweltschutzes, die Imkerorganisationen und Jagdschutzverbände sind angesprochen. Sie alle sollten danach trachten, Streuobstwiesen zur Dokumentation ihrer satzungsmäßigen Aufgaben in Natur und Landschaft sinnfällig und vor jedermanns Augen anzulegen, zu pflegen, zu ergänzen oder zu erweitern. Die Glaubwürdigkeit ihrer Naturschutzarbeit wäre damit eindrucksvoller als bei manch anderem Vorhaben unter Beweis gestellt.

Ein letzter Appell sei an die Schulen gerichtet. Für mich als Pädagoge ist es immer wieder beschämend, wie wenig die weitläufigen Schulgrundstücke als Trainingsfeld für umweltgerechtes Verhalten genutzt werden. Sie liegen als pflegeaufwendiges didaktisches Brachland um die Schulgebäude herum und könnten doch lebendige Stätten der Begegnung von Jugend und Gottesschöpfung sein.

Die nationale Herausforderung unserer Tage, das Naturerbe der Väter in die Hände der Kinder und Enkelkinder hinüberzuretten, ist allemal zum Scheitern verurteilt, wenn es nicht gelingt, die jungen Herzen für die Einmaligkeit der Naturwerte empfänglich zu machen. Da nützt es wenig, Umweltwissen aus anmutigen Schriften aufzunehmen und auf anspruchsvollen Fragebögen abzuprüfen. Da kommt es maßgeblich auf den handelnden Umgang mit dem Lebendigen an, durchdrungen von Verantwortung und Ehrfurcht. Darum, liebe Kollegen, lasset uns Obstbäume pflanzen, damit das Erleben von Wachsen und Pflegen, Gedeihen und Ernten zum gemütsbildenden und sinngebenden Gegenpol gegen die ausufernden Zwänge der modernen Konsum- und Wegwerfgesellschaft wird.

Eine Streuobst-Musteranlage für Unterrichtszwecke befindet sich auf dem Grundstück der Hubertus-Rader-Schule in Gerolstein und ist für alle Interessenten zugänglich.

Sortenproblematik

Bevor die Thematik des Pflanzens und Pflegens zur Sprache kommt, soll das Problem der Sortenwahl näher erörtert werden.

Grundsätzlich ist darauf zu sehen, daß in der Vulkaneifel nur folgende Obstarten anbauwürdig sind: Apfel, Birne, Zwetsche, Süßkirsche und Mährische Eberesche. Letztere ist eßbar, aber wegen ihres aufstrebenden Wuchses nur schwierig zu beernten. Für den Hausgarten kommen außerdem Mirabelle und Reneklode in Frage. Als Solitärbaum hat die Walnuß eine gewisse Berechtigung. Das Wildobst schließlich erfüllt da seine Aufgabe, wo edle Sorten versagen.

Als Unterlage (Wurzelbildner) kommt beim Hochstamm nur der Sämling in Betracht. Die Unterlage muß auf dem Etikett der Baumschule ausgewiesen sein. Birnen auf Quittenunterlage (Etikettvermerk: »Cydonia«) sind wegen ihres schwachen Wuchses dem Hausgarten vorbehalten.

Wegen des allgemein rauhen Klimas im Landkreis Daun - Spätfröste sind oft noch Ende Mai zu erwarten - sollte der Auswahl geeigneter Hochstammsorten größte Aufmerksamkeit geschenkt werden. Alten und bewährten Sorten gilt der uneingeschränkte Vorzug. Diese sind nicht immer leicht beschaffbar, und es erscheint deshalb angebracht, sie rechtzeitig bei einer anerkannten Eifelbaumschule in Auftrag zu geben.

Wird der Ertragsleistung einer nun zu schaffenden Streuobstwiese Priorität eingeräumt, so ist darauf zu achten, daß stets mehrere Apfel-, Birnen- oder Kirschsorten mit gleicher Blühzeit gepflanzt werden. Dies ist wichtig, weil das genannte Obst zu jenen Arten zählt, die selbstunfruchtbar und damit auf sortenfremde Pollen angewiesen sind. Gleiche Blühzeit ist gegeben, wenn sich die Blühzeiträume der frühen, mittelfrühen, mittelspäten und späten Sorten mindestens drei Tage überschneiden. Im Regelfalle ist eine Überschneidung bei frühen und späten Sorten nicht mehr gewährleistet. Auf frühe Sorten sollte wegen der Frostgefahren überhaupt verzichtet werden. Zu den frühblühenden Sorten gehört beispielsweise der sehr beliebte Boskoop.

Eine weitere Komplizierung der Befruchtungs Verhältnisse tritt dadurch ein, daß manche Sor ten keine befruchtungsfähigen Pollen habei und deshalb als Partner versagen. Solche Sor ten sind der Boskoop, der Gravensteiner, de Jonagold, der Jakob Lebel, der Bohnapfel, de Kaiser Wilhelm und der Winterrambour.

Es wäre aber nun ein Fehler, die vier letztge nannten, alten und bewährten Sorten von weiterer Betrachtung auszuschließen. Wir werde: jeglicher Probleme Herr, wenn bei der Planung einer Streuobstwiese die folgende Faustrege beachtet wird:

Trachte danach, deinen Apfel- und Birnbäumen im Umkreis von 40 m einen Pollenspende zu geben, der zur gleichen Zeit blüht und befruchtungsfähig ist!

Man lasse sich von der Baumschule beraten Ich habe mir die Mühe gemacht, unter Auswer tung verschiedener Tabellen eine Sortenemp fehlung zu erarbeiten, die der angesprochene: Problematik weitgehend gerecht wird. Die ge kennzeichneten Sorten (x) sind in der Regel in Standardsortiment der Baumschulen enthal ten. Es bedeuten: T = Tafelobst, W = Wirt schaftsobst. M = Mostobst.

Apfelsorten

Boikenapfel, T/W

Bittenfelder, M (x)

Danziger Kantapfel, T/W

Erbacherhof, M (x)

Geflammter Kardinal, T/W

Gewürzluiken, T/W/M

Gelber Edelapfel, M (x)

Großer Bohnapfel, T/W/M (x)

Hauxapfel, W/M (x)

Jakob Lebel, T/W (x)

Kaiser Wilhelm, T/W (x)

Landsberger Renette, T/W

Luxemburger Renette, T/W (x)

Jakob Fischer, T/W, (x)

Maunzapfel, M (x)

Ohringer Blutstreifling, W/M

Nordhausen, M (x)

Porzenapfel, M (x)

Rote Sternrenette, T/W (x)

Roter Trierer Weinapfel, M

Signe Tillisch, T/W

Spätblühender Tafelwinterapfel, M

Wiesenapfel, M (x)

Winter-Rambour, W (x)

Birnensorten

Amanlis Butterbirne, T/W

Gelbmöstler = Welsche Bergbirne, M

Gellerts Butterbirne, T/W (x)

Großer Rommelter, M

Gute Graue, T/W, Straßenbaum

Herzogin Elsa, T/W

Hofratsbirne, T/W

Köstliche von Charneu, T/W

Luxemburger Mostbirne, M (Straßenbaum)

Oberösterreichische Mostbirne (x)

Palmischbirne, M

Pastorenbirne T/W

Pleiner Mostbirne (x)

Schweizer Wasserbirne, M (Straßenbaum) (x)

Sievenicher Mostbirne (x)

Ulmer Butterbirne, T/W

Wildling von Einsiedel, M (Straßenbaum)

Wolfsbirne, M

Weil Birnen früher blühen, sind sie der Gefahr von Frösten stärker ausgesetzt als Äpfel. Man pflanze sie unbedingt in eine sonnige Lage. Auch Birnen sind selbstunfruchtbar und benötigen einen sortenfremden Partner.

Zwetschen: Nur eine Sorte ist für das Grasland wirklich empfehlenswert: Die Hauszwetsche. Sie wächst rasch, ist überaus fruchtbar und gedeiht überall auf guten Böden. Da die Sorte selbstfruchtbar ist, kann auf eine Partnersorte verzichtet werden.

Süßkirschen: Empfehlenswerte Sorten für die Eifeler Höhengebiete gibt es nicht. Ihr Anbau im Streuobstbestand ist aus wirtschaftlicher Sicht nicht lohnend (schwierige Beerntung, Vogelfraß). Als Blütenbaum ist sie jedoch von höchstem Reiz und verdient es, um Haus und Hof und entlang der Wege gepflanzt zu werden. Da Kirschen ebenfalls selbstunfruchtbar sind und außerdem komplizierte Befruchtungsverhältnisse vorliegen, ist die Auswahl geeigneter Partner dem Fachmann zu überlassen. Folgende Sorten stellen keine besonderen Wärmeansprüche und sind deshalb bedingt geeignet:

Hedelfinger Typ Diemitz, Große Schwarze Knorpel Typ Diemitz, Große Prinzessin, Souvenir de Charmes, Frühe Rote Meckenheimer. Mährische Eberesche (Edeleberesche): Sie eignet sich als sehr anspruchslose Art für den Anbau entlang der Wege und Straßen in unseren höchsten Berglagen. Ihre eßbaren Früchte haben einen hohen Vitamin-C-Gehalt. Wildobst: Vogelkirsche (Wildkirsche) - Prunusavium - und Holzapfel - Malus sylvestris ssp. sylvestris - eignen sich zur Bepflanzung der Weg- und Straßensäume auf kalkhaltigen Böden in rauher Lage.

Walnüsse: Für spätfrostfreie Hanglagen und als Hofbäume geeignet. Bei Pflanzung von zwei Sorten kann bei gutem Maiwetter mit Zufallserträgen gerechnet werden. Unveredelte Sämlingsbäume haben ein stärkeres Wachstum als die Edelsorten, letztere scheiden aber in aller Regel aus klimatischen Erwägungen aus.

Pflanzung

Nachdem die Sortenwahl getroffen und der Standort zur Anlage einer Streuobstwiese festgelegt ist, kann die Pflanzung vorbereitet werden. Ein Mindestabstand zur Nachbargrenze von zwei Metern, bei Walnußbäumen von vier Metern ist nach dem in Rheinland-Pfalz geltenden Nachbarschaftsrecht einzuhalten. Als Mindestabstand von Baum zu Baum haben in geschlossenen mehrreihigen Anlagen für Zwetschen 6-8 m, für Äpfel, Birnen und Süßkirschen 10-12 m und für Walnüsse 15-18 m zu gelten. Eine Heraufsetzung der Abstände kommt der Besonnung der Wiese und damit der Tier- und Pflanzenwelt zugute. Die Untergrenze der Zahlenangaben bezieht sich auf schlechtere Böden, auf Hangbepflanzung und kleinkronige Sorten. Schmale Wege und Straßen werden einreihig bepflanzt, breite hingegen zweireihig im Viereck. Dabei ist es zweckmäßig, die Bäume nicht auf die Wegränder, sondern einige Meter seitlich derselben zu pflanzen. Sie profitieren dann vom freien Acker- und Wiesenland, sind Beschädigungen weniger ausgesetzt und dem Verkehr nicht hinderlich.

Das Pflanzloch sollte dem doppelten Wurzelvolumen entsprechen. Auf keinen Fall darf in übertriebener Fürsorge eine zu reichlich bemessene Grube, ausgehoben werden. Das Wurzelwachstum konzentriert sich in diesem Falle zu sehr auf den verfügbaren Lockerboden und nach Ausschöpfung desselben besteht die Gefahr einer Wurzelstockung. Ein weiterer Fehler, der vielfach begangen wird, ist die liebevolle Anreicherung des Grubenaushubs mit Kompost oder Mist. Zum einen wird der Wühlmaus ein behagliches Winterquartier geschaffen, in welchem sie nicht nur ruht, sondern allmählich den Baum von unten her auffrißt, zum anderen wird das vegetative Wachstum des Baumes so angeregt, daß infolge mangelnder Triebverholzung im Herbst winterliche Frostschäden zu befürchten sind. Es ist in der Regel völlig ausreichend, ein Pflanzloch von 0,6 m Kantenlänge und 0,4 m Tiefe auszuheben.

Vor der Pflanzung, die aus Gründen der Arbeitsersparnis am vorteilhaftesten im Herbst geschieht - Frühjahrspflanzung macht ein Angießen erforderlich - ist ein Wurzelschnitt vorzunehmen. Dabei werden alle Wurzelenden leicht eingekürzt und lose Wurzelteile abgeschnitten. Im Pflanzloch kommt der Baum so tief zu stehen, daß die Veredelungsstelle etwa eine Handbreit aus der aufgefüllten und eingeschlämmten Grube herausragt. Diese Maßarbeit wird mittels eines Brettes, das über die Grube gelegt wird, sehr erleichtert.

Der Baum erhält einen Stützpfahl, dessen oberes Ende bis zum Kronenansatz des Hochstammes reicht. Der Pfahl wird vor der Pflanzung eingeschlagen. Die Errichtung des Pfahles geschieht nachträglich, wenn eine Schrägpfählung vorgesehen wird. Auf Viehweiden erhält der Jungbaum eine 3- oder 4-Punkt-Pfäh-lung und wird mittig mittels Kokosstrick eingebunden. Eine Schutzlattung oder Maschendrahtverkleidung verhindert Schälschaden. Ist der Baum mit einem Einzelpfahl ausgestattet, wird dem Verbißschutz durch Wildkaninchen, Hasen und Schafe mit einer Drahthose von mindestens 1,20 m Höhe Rechnung getragen. Ein um den Stamm gewundener Plastikstreifen, auch im Fachhandel erhältlich, leistet dieselben Dienste. Die Bindung, die dem Baum Stütze und Halt gegen Windeinflüsse bietet, ist in mindestens zweijährigem Turnus entsprechend dem Dickenwachstum des Stammes zu regulieren.

Die Krone wird unmittelbar nach der Pflanzung zurückgeschnitten. Wer Frostschäden befürchtet, kann den Rückschnitt auch auf das nächste Frühjahr verschieben, dann weiß er, was der Winter an brauchbaren Knospen übriggelassen hat. Walnüsse erhalten keinen Kronenschnitt.

Eine dünne Mulchdecke aus strohigem Mist verhindert das Austrocknen des Bodens im Wurzelbereich des Baumes und unterdrückt dort lästigen Graswuchs. Die Bodenauflage muß im Herbst zur Seite geschoben werden, damit eine Einwanderung von Wühlmäusen unterbleibt. Wühlmausgeschädigte Bäume, deren

 

Rinde am Wurzelhals zu drei Vierteln weggefressen ist, sind zu einem Kümmerdasein verurteilt und sollten baldmöglichst durch neue ersetzt werden.

Hinterhausen - Streuobst verleiht der Landschaft einen malerischen Reiz

Pflege

Bezüglich der Pflege der jüngeren und älteren Bäume durch Schnittmaßnahmen, zu deren Ausführung eine theoretische und praktische Fundierung erforderlich ist, wird dem Unkundigen das Studium der Fachliteratur und die Teilnahme an Schnittkursen angeraten. Hier sei nur soviel erwähnt, daß der Erziehungsschnitt die gesamte Jugendentwicklung des Baumes für die Dauer von 10 bis 20 Jahren begleitet. Ist der Aufbau einer leistungsfähigen Krone abgeschlossen, folgen nur noch die jährlichen Maßnahmen des Überwachungsschnittes. Das anfallende Schnittgut wird zweckmäßigerweise zu einem Moderhaufen aufgeschichtet, der vielen Kleintieren einen willkommenen Unterschlupf gewährt. In Abwandlung dazu können Äste und Reisig auch linienhaft entlang der Grundstücksgrenze abgelagert werden, wodurch der raschen Ausbildung einer Naturhecke infolge Verrottung des organischen Materials und Aufkeimung der durch Wind, Vögel und Kleinsäuger eingetragenen Samenkörner Vorschub geleistet wird. Mit dem Aufkommen einer Hecke ist stets eine ökologische Aufwertung der Streuobstwiese verbunden. In diesem Zusammenhang ist auch an das Einrichten von Lesesteinhaufen und das Anbringen von Nisthöhlen und Insektennisthölzern zu erinnern.

Je vielfältiger die Lebewelt in einer Streuobstwiese ist, umso verläßlicher kann auf eine biologische Schädlingsbekämpfung gesetzt werden. Naturreines Obst, schön in der Farbe, gut im Geschmack und lagerbeständig ist dann der Lohn, der dem gebührt, der Dorf und Landschaft mit neuem Schmuck belebt und Pflanzen und Tieren eine bleibende Heimstatt errichtet.

Literatur

Blum, P., Entwicklung des Kreises Daun, Daun 1925 Hessisches Ministerium für Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz, Streuobstbau, Wiesbaden 1987

Kapfelsberger, E./Pollmer, U., Der Sündenfall, in: natur, Horst Sterns Umweltmagazin, November 1982, Ringier-Verlag München Klauck, E.-J., Die Bedeutung der Streuobstwiesen im Naturschutz, in: Naturschutz in Rheinland-Pfalz, Dezember 1985, BV-Verlag Trier

Lenz-Graf, Marie-L. et al., Köstlichkeiten aus heimischem Streuobst, Naturschutz-Zentrum Hessen e.V., Wetzlar 1989 Lukas, E./Winkelmann, H., Anleitung zum Obstbau, Stuttgart 1923, Ulmer Verlag

Ministerium für Umwelt und Gesundheit Rheinland-Pfalz, Informationen zum Biotopsicherungsprogramm »Streuobstwiesen« Rheinland-Pfalz, Mainz 1986

Nellessen, H.-J. et al., Obsternte und Obstverwertung in der alten Zeit, in: Der Prümer Landbote, Zeitschrift des Geschichtsvereins »Prümer Land« 11785

Schuster, G., Ohne Saft und Kraft, in: natur, Horst Sterns Umweltmagazin, Oktober 1988, Ringier-Verlag München Wtrth, Befruchtungsverhältnisse im Garten berücksichtigen, in: Eisenbahn-Landwirt, November 1990, Druckhains Karlsruhe GmbH., Karlsruhe

Witt, R./Rissler, A., Natur in Not, Stuttgart 1988, Franck'sche Verlagshandlung

Bildnachweis

Dank gilt Herrn Heinz Schmitz, Gerolstein, der sämtliche Fotos für den 1. und 2. Teil der Abhandlung zur Verfügung stellte!