Die Deutschsprachige Gemeinschaft eine Minderheit in Belgien

Heinz-Günter Boßmann, Prüm

 

Fährt man mit dem PKW von Jünkerath in Richtung Losheim, so erreicht man in dem rund 10 Mio. Einwohner zählenden Königreich Belgien zunächst die Deutschsprachige Gemeinschaft. Sie hat etwa 70 000 Einwohner, ist also vergleichbar mit dem Kreis Daun. Als Teil der Provinz Lüttich gehört sie außerdem zur Region »Wallonie« mit dem Regierungssitz Namur. Nach einem bewegten politischen Hin und Her in diesem Jahrhundert ist die Deutschsprachige Gemeinschaft seit 1984 im föderalisierten Belgien ungeachtet ihrer geringen Größe ein absolut gleichberechtigter und gleichbehandelter Partner neben den beiden anderen Gemeinschaften - der flämischen und der französischen. Es ist schon erstaunlich, was dieses Gebiet, bestehend aus neun Großgemeinden, alles auf die Beine stellt. In der Hauptstadt Eu-pen, mit 18 000 Einwohnern die größte Stadt Ostbelgiens, befindet sich der Sitz des Rates der Deutschsprachigen Gemeinschaft. Hier haben 25 vom Volk direkt gewählte Abgeordnete auf bestimmten Gebieten »Gesetzeskraft«, wie zum Beispiel Kultur, Bildung, Soziales, Tourismus, Sport, Medien und Jugend. An der Spitze steht Mathieu Grosch als Ratspräsident, und die Exekutive mit ihrem Vorsitzenden Joseph Maraite wird durch drei Gemeinschafts-Minister von den Christlich-Sozialen, den Liberalen und den Sozialisten gebildet. Ebenfalls im Rat der Gemeinschaft sind die grüne Partei ECOLO und die Partei der Deutschsprachigen Belgier vertreten.

Historische Vennbahn, fährt an Sonn- und Feiertagen zur ostbelgischen Venn-, Wald- und Seenland

Foto: Verkehrsamt der Ostkantone Belgiens

Wie bereits erwähnt, spielt die Kultur als Motor dieser Gemeinschaft und somit auch die Medien eine besondere Rolle.

Man leistet sich nicht nur einen eigenen Ministerrat, sondern auch eine Rundfunkanstalt und einen Zeitungsverlag mit internationalen Korrespondentennetzen, für den hiesigen Raum in Prüm. Der deutschsprachige Belgische Rundfunk (BRF) mit Sitz in Eupen sendet ein tägliches 15-Stunden-Programm aus Musik, Informationen, Unterhaltung sowie Welt-und Lokalnachrichten unter dem Motto »Vier Länder (Belgien, Deutschland, Luxemburg, Niederlande) - ein Sender«. Hier war die grenzüberschreitende Berichterstattung schon vor dem EG-Binnenmarkt verwirklicht. Zu empfangen ist der BRF auf UKW 104,1 MHz oder über Kabel. Ein eigenes deutschsprachiges Fernsehprogramm ist seit Herbst 1993 mit 15minütiger Sendezeit in der Erprobungsphase. Viele kleinere, private Rundfunkanstalten wie Radio Hermann in St. Vith geben ein Beispiel für bürgernahes Lokalradio. Das Eupener Grenz-Echo berichtet als Tageszeitung in einer Auflage von 20 000 über das aktuelle Geschehen aus Politik, Kultur, Gesellschaft und Sport. Schwerpunkt bildet die Lokalberichterstattung aus dem Eupener Land und dem Eifel-Ardennen-Raum mit grenzüberschreitendem Anteil auch aus dem Kreis Daun. Ein angeschlossener Buchverlag setzt literarisch ostbelgische Schwerpunkte. Auch tragen eine Reihe von Wochenzeitungen wie das Journal aktuell aus St. Vith zur Bereicherung der Presselandschaft bei.

Auf dem Sektor »Kultur und Brauchtum« setzt die Deutschsprachige Gemeinschaft beachtliche Akzente, die Theatergruppe »AGORA«, das Literaturforum »Krautgarten«, das Ballett Irene K., das Königliche Männerquartett Eupen, die verschiedensten Museen oder die kreativen Ateliers - um nur einige zu nennen. Betrachtet man Ostbelgien genauer, so kann man es in zwei Gebiete einteilen. Der Kanton Eupen mit den Städten Raeren, Kelmis und Lontzen ist Verwaltungs- und Industriemittelpunkt; hier haben sich auch viele Deutsche aus dem Aachener Raum eine zweite Heimat gegründet. Größter Arbeitgeber ist das Eupener Kabelwerk mit 1 300 Beschäftigten. Der Kanton St. Vith im Süden ist überwiegend touristisch und landwirtschaftlich geprägt und setzt sich aus den Gemeinden Bütgenbach, Büllingen, Amel, Burg Reuland und St. Vith zusammen.

Das Verkehrsamt der Ostkantone vermarktet das gesamte Ostbelgien und den Kanton Mal-medy/Waismes, der bereits zur französischen Sprachengemeinschaft gehört.

Touristische Anziehungspunkte sind das Töpferdorf Raeren, das Hohe Venn, eines der wenigen Hochmoore Europas, die romantische Venn-Eisenbahn, die Seen von Bütgenbach und Robertville, die Abteistadt Malmedy oder die Burg Reuland. Aktiv-Urlaub mit Ski-Lang-und Abfahrtslauf, Mountain-Biking und Wandern durch romantische Flußtäler sind begehrte Angebote für gestreßte Städter aus den deutschen und holländischen Ballungszentren. Kommen Sie doch mal »rüber«!