Aus Flachs wird Leinen -

der lange Weg einer alten Pflanze

Herrn. Josef Stolz, Gillenfeld

 

Der Anbau von Flachs war früher eine selbstverständliche Aufgabe eines jeden Bauern. So wie unsere Vorfahren alles das, was sie zu ihrer Ernährung brauchten, selbst herstellten, so sorgten sie auch für ihre Kleidung. Neben der Wolle von den Schafen war früher das Leinen, ein Produkt aus Flachs, sehr verbreitet. Es wurde als Bettwäsche und Leibwäsche verwendet. Nur für den Winter stellte man Bettdecken, Strümpfe und Oberbekleidungen aus Schafwolle her. Diese Darstellung wird in der Absicht geschrieben, mühevolle Arbeit vor der völligen Vergessenheit zu bewahren.

Beim Anbau von Flachs legte man in früheren Zeiten besonderen Wert darauf, daß stets das beste Feld zur Verfügung stand. Das Flachsfeld wurde vor der Aussaat im Herbst gepflügt und der Boden aufgelockert.

Sobald die ersten Buchen im Frühjahr neue Blätter zeigten, war es an der Zeit, bei entsprechender Witterung den Flachs zu säen; etwa um St. Markus. Dabei achtete der Bauer darauf, daß der Samen dick genug gestreut wurde. Je dichter der Flachs gesät war, desto stärker und feiner wurde nachher die Pflanze. Tupfte man mit dem feuchten Daumen auf die Erde, so mußten mindestens sieben Saatkörner daran kleben bleiben. Das Saatfeld wurde nun mit großer Sorgfalt gepflegt. Sie bestand hauptsächlich in der Reinhaltung von Unkraut.

Kinder bei der Flachsernte

Frau beim Rupfen des Flachses

Frauen beim Schwingen

Arbeitsvorgänge von links nach rechts: Hecheln, Brechen, Schwingen und Spinnen

Nach dem Eineggen der Saat wurde das Feld mit Dung angereichert. War die Saat aufgegangen, so wurde auch weiterhin darüber gewacht, daß jedes Unkraut sofort ausgerissen wurde.

Die Pflanzen wuchsen immer höher und die Zeit der Blüte nahte, die in unserer Gegend in den August fiel.

Flachs ist reif zum Ernten, wenn der Stengel gelb ist, die Samenkapseln braun und die Stengelblätter abgefallen sind. Bei der Ernte wurde der Flachs mit der Hand ausgerissen; Rupfen nannte man das. Die gerupften Stengel wurden sorgfältig in Reihen ausgelegt, meistens in vier Lagen, wobei immer abwechselnd die Samenkapseln einmal nach unten und dann wieder nach oben zu liegen kamen. War der Flachs nach ein paar Tagen trocken, so wurde er zu »Kaasten« aufgestellt, bis er vollkommen trocken war. Das dauerte in der Regel etwa 14 Tage. Nach der Ernte bedurfte es noch einer Reihe langwieriger Arbeiten, ehe der weiße Leinenstoff fertig war.

Es begann damit, daß der Flachs entsamt werden mußte. Dazu diente ein Riffelkamm, ein langes Brett, das mit einer Menge Eisenstiften bestückt war. Durch diese Eisenstifte wurde dann der Flachs hindurchgezogen. Dabei zerbrachen die Samenkapseln und der Samen fiel heraus. Er wurde als Saatgut für das nächste Jahr und als Hausmittel gegen allerlei Beschwerden bei Mensch und Vieh, schließlich auch zur Herstellung des Leinöls gebraucht.

Die Flachsfasern bestehen aus Faserbündelchen. Sie haften durch eine leimartige Substanz besonders fest aneinander und an dem sie umgebenden Gewebe. Um nun eine Abscheidung der holzigen Teile vom Bast zu ermöglichen, wurde der Flachs auf einer Wiese zum Taurösten ganz dünn ausgelegt. Durch den nächtlichen Tau mit nachfolgendem Abtrocknen am Tag wurde der Stengel brüchig. Dadurch löste sich der Bast später besser heraus. Im Spätherbst, wenn die Feldarbeit beendet war, wurde der Flachs gedörrt. Dieses geschah in der Brächkaul, einem massiven Mauerwerk von etwa zwei Metern im Quadrat. In der Vorderwand war eine Öffnung für die Feuerstelle. Abgedeckt war die Brächkaul mit starken Knüppeln, worauf das Flachs zum Dörren gelegt wurde. Am Anschluß daran wurde der Flachs an Ort und Stelle gebrochen, um dieholzigen Stengelteile loszulösen, und zwar mit der sogenannten Brach, einer Buchenholzbank von etwa 1,5 Meter Länge und etwa 30 cm Breite. 30 cm von der Stirnseite entfernt war der Länge nach durch vier Nutzen durchbrochen, so daß in der Mitte drei Stege standen, die oben scharf zugespitzt waren. Darüber befand sich drehbar gelagert das Oberteil, das genauso ausgearbeitet war wie die Holzbank, so daß die Stege gegenseitig ineinandergriffen. Beim »Brächen« wurde eine Handvoll Flachs auf die Holzbank gelegt und das Oberteil auf und ab bewegt, dabei wiederholt der Flachs zwischen die Stege gedrückt, wobei die holzigen Bestandteile des Stengels zerbrochen und größtenteils abgelöst wurden. Im Backofen -nach dem Brotbacken - wurde alles noch einmal nachgetrocknet.

Die Anschlußbehandlung bildete das »Schwingen« mit Schwinge und Schwingstock, welche aus Buchenholz gefertigt waren. Der Stock bestand aus einem länglichen rechteckigen Brett, in dieses war senkrecht ein zweites Brett von etwa 60 cm Länge und 15 cm Breite eingezapft, oben etwas hohl und scharf ausgearbeitet. Die Schwinge bestand aus einem etwa 50 cm langen Brett mit angearbeitetem Griff stück und scharfen Schneiden an den Längsseiten. Beim Schwingen wurde der Flachs über den Schwingstock gelegt und mit der Schwinge geklopft und geschlagen.

Dabei trennten sich die gelockerten Holzteile endgültig von den Fasern. Nun mußte der Flachs noch gehechelt werden. Die Hechel war ein Brett von etwa 80 cm Länge und 15 cm Breite, auf der Mitte steckten etwa 30 lange, spitze Eisennägel. Dadurch wurde der Flachs gezogen, bis schließlich nur noch feine Fasern übrig blieben. Diese wurden zu Knoten zusammengedreht, der Abfall vom Hecheln weiterverarbeitet zu Kartoffelsäcken und grobem Stoff. Nun war der reine Flachs für die weitere Verarbeitung des Spinnens und Webens fertig. Auch dieses machte noch viel Mühe, bis endlich das fertige weiße Leinen in den Bauernschränken lag.

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