Kirchliches Brauchtum im Wandel der Zeit

Von Pfingsten bis zum Ende des Kirchenjahres

Matthias Thömmes, Philippsheim

 

Schon für Goethe war Pfingsten das «liebliche Fest«. Meist noch im schönen Monat Mai gilt es als Höhepunkt des Frühlings und »Tor zum Sommer«. Die festlichen Gottesdienste sind Auftakt für mancherlei Aktivitäten. So viele Touren, Wanderungen und Fahrten wie an den Pfingsttagen werden sonst kaum unternommen. Kaum sind die feierlichen Melodien aus den Pfingstgottesdiensten verklungen, die alle die Wiederkehr des Heiligen Geistes erbitten, zieht es die Menschen nach sonntäglichem Festmahl hinaus in die schöne Natur, frohgestimmt; der sonnige Tag tut ein übriges zum Wohlbefinden.

Das Fest ist seit jeher auch Auftakt für die Übungen der Schützen im Freien. Nicht von ungefähr kommen die vielen Schützenfeste, die an diesem Tage veranstaltet werden und oft durch das Motto »Für Glaube, Sitte und Heimat« (wie beispielsweise in Wallenborn) auch den Bezug zur Kirche und zur Feier des Tages herstellen.

Während am folgenden Sonntag das »Dreifaltigkeitsfest« in aller Stille und fast unbemerkt vorübergeht, wird der »Fronleichnamstag« in voller Pracht gefeiert. Schon am Tage vorher ist alt und jung auf den Beinen, um den Prozessionsweg festlich zu gestalten. Vier Altäre werden in den vier Himmelsrichtungen aufgestellt, und die Mädchen machen es sich zur Ehre, herrliche Blumenteppiche in allen Farben mit christlichen Symbolen davor anzulegen. Die Straßen werden mit frischem Laubwerk und kleinen Fähnchen begrenzt und am Fronleichnamstag selbst sind die Hauswände und Fensternischen mit Altärchen, Sträußen, Girlanden und wehenden Fahnen geschmückt.

Nach dem feierlichen Hochamt zieht dann die Prozession von Altar zu Altar, um da jeweils ein Evangelium der vier Evangelisten Matthäus, Markus, Lukas und Johannes zu hören und durch den Priester den Segen zu empfangen. Festlich erklingen unterwegs die alten Weisen

»Deinem Heiland, deinem Lehrer«, »Frohe Jubellieder bringen wir«, »Preiset alle Nationen« oder »Ihr Geschöpfe kommt heran«; eine machtvolle Demonstration des Glaubens und gleichzeitig Lobpreis des »Allerheiligsten Sakramentes«. Damit verbunden ist auch wieder -ähnlich wie bei den Bittprozessionen - die Bitte um Schutz und Segen für Dorf, Stadt und Land. Die Prozession endet in der Kirche mit dem feierlichen »Te Deum« und dem Choral »Großer Gott, wir loben dich«. Im Zuge der liturgischen Reform wird heute an vielen Orten nur noch ein Altar aufgestellt.

Der Maimonat ist seit alters her der Gottesmutter geweiht. Wenn die Natur ihr schönstes Blütenkleid angelegt hat, ehrt man auch die Mutter Gottes auf ganz besondere Weise. In vielen Wohnstuben steht dann auch heute noch das mit frischen Blumen geschmückte Maialtär-chen, und die abendliche Maiandacht ist nach wie vor gut besucht. Öfters als sonst pilgert man zum Marienkapellchen, das sich in der Nähe nahezu jeder Eifelortschaft befindet, um seine Anliegen vorzubringen. Das gleiche gilt für die größeren Wallfahrten zu den bekannten Marienorten Barweiler und Klausen, die in der Volksfrömmigkeit ihren hohen Stellenwert bis heute nicht verloren haben.

Kriegerdenkmal in Mehren; Foto: Ursula Thömmes

Martinszug

Marienkapelle Wallenborn

Foto U. Thömmes

Die nun folgenden Sommerwochen sind liturgisch wenig ereignisreich. Wenn nicht gerade der »Tag des Ewigen Gebetes« in diese Zeit fällt, bleibt im Sommer eigentlich nur der »Krautwischtag« am 15. August als herausragendes kirchliches Fest. Der Tag des »Ewigen Gebetes« wurde früher auch an Werktagen festlich begangen. In meinem Heimatort Wal-lenborn fiel er regelmäßig in den arbeitsreichen Heumonat. Trotzdem hätte es niemand gewagt, an diesem Tag bäuerliche Arbeiten zu verrichten. Festlich gekleidet besuchten alle das vom Kirchenchor feierlich gestaltete Hochamt und die anschließend für Männer, Frauen und Kinder getrennt angesetzten Betstunden, ebenso die dazwischen liegende lateinische Vesper. Kaum war allerdings das »Te Deum« und der Festgesang »Großer Gott, wir loben dich« in der abendlichen Schlußandacht verklungen, eilte man schnellsten nach Hause, um die Festtagskleidung abzulegen und die restlichen Stunden noch zu nutzen, das wertvolle Heu einzufahren. So klapperten denn schon kurz nach der Andacht wieder die Leiterwagen über holprige Dorfstraßen, als wäre nie ein Feiertag gewesen.

Der »Krautwischtag«, liturgisch »Maria Himmelfahrt« genannt, ist das höchste Marienfest im Jahr und hat seit jeher eine ganz besondere Bedeutung. Bis heute hat sich an dem Brauche nichts geändert, für diesen Tag den »Krautwisch« zu binden. Es ist ein Strauß aus vielerlei Nutzpflanzen und Heilkräutern, die von Kindern gesammelt und zur Kirche gebracht, dort in einem festlichen Gottesdienst gesegnet werden. Sie gelten nach der Überlieferung als »Heiltum gegen Krankheiten und Unwetter für Mensch und Vieh«. Die Anzahl der Krauter und ihre Zusammensetzung ist je nach Landschaft verschieden. In der Hoch- und Westeifel (so auch im Kreis Daun) sind es neben den gewöhnlichen Nutzpflanzen (Getreidearten, Zwiebeln, Lauch) auch noch Johanniskraut, Wermut (Aloe), Beifuß und verschiedene andere Würz- und Heilkräuter. In seiner Segenswirkung ähnelt der Krautwisch dem geweihten Buchsbaum vom Palmsonntag und wird auch ähnlich verwendet (beispielsweise bei Unwettern im Ofen verbrannt). Wenn dies für Menschen unserer modernen Zeit auch fraglich erscheint, so dokumentiert der schöne Brauch der Kräutersegnung doch die Verbundenheit der Eifelbevölkerung mit der Natur und der Religion und sollte nicht in Vergessenheit geraten.

September und Oktober gelten auch heute noch als Engel- und Rosenkranzmonate. Vor allem das Fest der Erzengel Michael, Gabriel und Raphael am 29. September sowie der Schutzengeltag am 2. Oktober werden zumindest im Gottesdienst mit Gebeten und Liedern gefeiert. In manchen Orten gibt es sogar ein eigenes Schutzengelfest.

Wenn dann das Erntedankfest am ersten Sonntag im Oktober verklungen ist - heute wieder groß gefeiert mit Dankgottesdienst, Früchtesegnung und nachmittäglichem Festzug -begann früher für die Eifelregion die ruhige Zeit. Schnell hereinbrechende Dunkelheit leitete geruhsame Abende ein, die nun zum Besuch des Rosenkranzgebets einluden. Sie führten allmählich hin zu den Festen Allerheiligen und Allerseelen am 1. und 2. November, die nach wie vor ganz im Zeichen der Totenverehrung stehen. Schon Tage vorher schmückt man die Gräber mit frischen Blumen und Kränzen; abends leuchtet ein Meer von Lichtern auf allen Friedhöfen.

Vielerorts wird im November auch die Martinskirmes gefeiert, wie überhaupt der Martinstag in früheren Zeiten eine besondere Bedeutung für den Bauern hatte. Geblieben sind die bunten Fackelzüge der Kinder am Vorabend des Martinstages (11. 11.), neuerdings vielerorts eingeleitet durch eine kirchliche Dankandacht, womit man des großen »Heiligen der Nächstenliebe« gedenkt. Es gibt an diesem Abend wohl kaum einen Eifelort, in dem nicht das Martinsfeuer brennt und das Lied »Sankt Martin ritt durch Schnee und Wind« erklingt. Volkstrauertag, Büß- und Bettag sowie der Totensonntag setzen die Reihe der Totengedenktage fort und verstärken noch die trübe Stimmung des Novembers, allgemein auch als »Totenmonat« bezeichnet. Vor allem der Volkstrauertag wird als Gedenktag für die Gefallenen und Bombenopfer der beiden Weltkriege auch von der katholischen Kirche mit Gedenkfeiern an den örtlichen Ehrenmälern begangen.

Nur St. Hubertus (Schutzpatron der Jäger am 3. 11.), Sankt Elisabeth (Thüringische Heilige der Nächstenliebe am 19. 11.) und das Cäcilienfest als »Tag der Kirchenmusik« bringen neben dem Martinstag etwas fröhlichere Abwechslung in die dunklen, ernsten Novembertage. Wenn dann die ersten Schneeflocken fallen, ist das schon die Einstimmung auf den nahen Advent, mit dem das neue Kirchenjahr beginnt.