Natur und Landschaft

Es reicht nicht allein, schön zu sein

34. Landeswettbewerb »Unser Dorf soll schöner werden« -1994 eingebettet in die Dorferneuerung

Karl-Heinz Böffgen, Daun-Gerolstein

Seit 1960 heißt die größte Bürgerinitiative in Rheinland-Pfalz und in der Bundesrepublik Deutschland »Unser Dorf soll schöner werden«.

Doch längst ist deutlich geworden, dass ein äußerlich ansprechendes und gepflegtes »schönes« Dorf nicht das einzige und wichtigste anzustrebende und damit höchstbewerteste Ziel ist. Durch den Wettbewerb »soll die gesellschaftspolitische und strukturelle Neuorientierung des ländliches Raumes auf breiter Ebene unterstützt und intensiviert werden«, lautet die Präambel zu den Richtlinien des Landes. Eine Voraussetzung, ja entscheidende Grundlage dafür sind die bürgerschaftlichen Aktivitäten und örtliche Selbsthilfeleistungen. Die Dorfbewohner sollen und müssen sich aktiv einschalten und mitmachen. Sie werden in den Wettbewerb einbezogen, sind dabei. Richtig angefasst und umgesetzt stärkt das die Dorfgemeinschaft, führt zur Identifizierung der Einwohner mit ihrem Lebensraum, ihrem Dorf. Unser Dorf soll lebens- und liebenswerter werden!

Ein Blick in die sechs Bewertungsmerkmale macht deutlich, dass ästhetische Gesichtspunkte für die Bewertung eher eine untergeordnete Rolle spielen.

Die Ortsgemeinde Kerpen hat bewiesen, was beispielhaftes Engagement einer Dorfgemeinschaft in Verbindung mit Einfallsreichtum und über Jahrzehnte gelungener Motivation der Bürgerinnen und Bürger, der Gruppen und Vereine erreichen kann, wird dies alles noch von weitblickenden und keine Mühe scheuenden Ortsbürgermeistern, Ortsvorstehern und Gemeinderäten getragen, bleiben die Erfolge nicht aus.

Im Januar erhielt die Gemeinde in Berlin in einer eindrucksvollen Veranstaltung aus den Händen

Kerpen - Detail einer alten holzgeschnitzten Haustür; in der Sandsteineinfassung Figuren und Trauben, Handwerksarbeit vergangener Jahrhunderte

Kerpen - Burgfried, vom Dorfplatz aus gesehen, im Vordergrund stilvoll restaurierte Gebäude und der Brunnen

des Bundesministers Jochen Borchert und der Gräfin Sonja Bernadotte die Goldplakette im Bundeswettbewerb 1993. Der absolute Höhepunkt in der Erfolgsgeschichte der Gemeinde war die Verleihung des Ehrenpreises im »Europäischen Dorferneuerungswettbewerb«. Kerpen erhielt diese Auszeichnung als einzige rheinland-pfälzische Gemeinde; 18 Dörfer aus 18 europäischen Ländern und Regionen hatten sich der Endausscheidung gestellt, die bemerkenswerterweise unter dem Motto »Eigeninitiative ist Trumpf« stand. Entscheidende Impulse gingen von der »Dorferneuerung« aus, die alle Wettbewerbskriterien ergänzt und vertieft.

Es kommt nicht von ungefähr, dass in der überarbeiteten Verwaltungsvorschrift des Landes für die Dorferneuerung vom März 1993 die Mitwirkung und Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger und gemeinschaftsfördernde Initiativen der Dorfbewohner besonders herausgestellt werden.

So verwundert es nicht, wenn alle elf Gemeinden und Gemeindeteile, die sich in diesem Jahr im Landkreis Daun am Wettbewerb »Unser Dorf soll schöner werden« beteiligt haben, Dorferneuerungsgemeinden sind. Ende Mai/Anfang Juni hat die Bewertungskommission folgende Dörfer besucht, besichtigt und bewertet:

Hauptklasse: Wiesbaum, Berndorf, Brockscheid, Strotzbüsch, Oberstadtfeld, Neroth und Jünkerath-Glaadt.

Sonderklasse: Mirbach, Oberbettingen, Schalkenmehren und Gerolstein-Hinterhausen. Größere und kleine Gemeinden, wettbewerbserfahrene und neue waren also dabei, insgesamt ein beispielhafter Querschnitt der Dörfer im Landkreis Daun. Waren es im Jahre 1993 16 Teilnehmergemeinden, stellten sich in diesem Jahr noch 11 dem Wettbewerb. Dies muss bei rund 85 Dorferneuerungsgemeinden im Landkreis Daun ebenso kritisch festgestellt werden, wie die Tatsache, dass aus einer Verbandsgemeinde nur eine, aus einer anderen gar keine Teilnehmergemeinden gemeldet wurden.

Die Bestplazierten waren in der Hauptklasse:

1. Jünkerath-Glaadt,

2. Berndorf und

3. Neroth;

Kerpen - Blick zur Kapelle St. Stefan und Sebastian, zum Rundturm der Burganlage

Glaadt - Torbogen mit Blick zur ehemaligen Eisenbahnersiedlung

in der Sonderklasse:

1. Oberbettingen,

2. Schalkenmehren und

3. Gerolstein-Hinterhausen.

Die Ortsgemeinden Jünkerath-Glaadt und Oberbettingen vertreten den Landkreis Daun im Bezirkswettbewerb.

Herausgepickt aus dem Gesamtbewertungssrahmen werden einige Punkte, die der Kreis-Bewertungskommission besonders positiv aufgefallen sind:

- die aktive Beteiligung vieler Bürgerinnen und Bürger am Wettbewerb, auch anlässlich des Besuches der Kommission;

- die Erhaltung, gelungene Sanierung und Revitalisierung zahlreicher historischer Gebäude, insbesondere in den beiden Siegergemeinden;

- gemeinsame Dorfkern- und Ortsrandbegrünungsaktionen mit heimischen Laubgehölzen und Sträuchern, durchgeführt auf privaten und öffentlichen Grundstücken;

- das rege Gemeinschafts- und Vereinsleben in vielen Gemeinden;

- viele natürliche Bauerngärten;

- beispielhafte Einzelprojekte, wie die Teichanlage in Oberbettingen; das Mausefallen-Museum sowie die intensive, in die Dorferneuerung eingebundene Informations-, Bildungs- und Beratungsarbeit mit Gründung von Arbeitskreisen in Neroth; die Denkmalzone »Ehemalige Eisenbahnersiedlung« in Jünkerath-Glaadt und die Schotterrasenflächen als Parkplatz in Mirbach. Neben diesen guten Beispielen sind besonders negativ aufgefallen:

- Neubauten im und um den Ortskern herum, die sich entgegen den Aussagen im eigenen Dorferneuerungskonzept der betreffenden Gemeinden nicht einpassen, fremd und modisch wirken. Neubaugebiete, die ebenso ihr Eigenleben führen, ohne Bezug zum alten, gewachsenen Ortskern aufzunehmen.

Übrigens: Kerpen ist das einzige Dorf im Landkreis,

Glaadt - Treppe vom Dorfplatz zur Kirche Heilig-Kreuz. Noch fehlt Grün, um den kleinen Rund zum Treff für den Plausch zu machen, einen Brunnen gibt's schon. Fotos: Marianne Schönberg

das eine Gestaltungssatzung besitzt!

- Immer noch viele durchgehend befestigte (versiegelte), meist ehemals landwirtschaftlich genutzte Hofflächen;

- fehlendes, durchgängiges Beratungsangebot, das, konsequent umgesetzt, verhindern kann, dass immer noch vieles dorfuntypisch ausgeführt wird, von der Bepflanzung bis zum Baudetail;

- mangelhaftes Verständnis für ökologische Belange bei Bachläufen und Begrünung.

Der Wettbewerb 1994 hat aber trotz der relativ geringen Beteiligung gezeigt: Die Teilnehmergemeinden haben begriffen, dass das Dorf nicht nur schön, sondern, allen tiefgreifenden strukturellen Veränderungen zum Trotz lebendiger und lebenswerter werden muss. Der Wettbewerb »Unser Dorf soll schöner werden« bietet zusammen mit der Dorferneuerung die Möglichkeit, dieses Ziel zu erreichen