Die frühen Beinhausener Urkunden

Wilhelm Schild. Beinhausen/Kelberg

Die erste urkundliche Erwähnung einer Ortschaft gilt nach gängiger Auffassung als deren »Geburtstag-. In der Regel wird dieselbe ein gut Teil älter sein, denn die Mehrzahl erhaltener Dokumente nimmt ja inhaltlich ausdrücklich Bezug auf bereits bestehende Gemeinwesen. Für Beinhausen galt bis in die Mitte der 80er Jahre eine Urkunde vom 16. April 1311 als ältester Nachweis seiner Existenz. Ihr Inhalt wurde 1907 von Dr. Johannes Krudewig aus Köln im "Trierischen Archiv. Heft XI (S. 82)" veröffentlicht. Krudewig wird möglicherweise der letzte gewesen sein, der für den hiesigen Raum das Originalpergament eingesehen und bewusst bearbeitet hat. Wer immer sich später auf diese Urkunde bezog, wird sich wohl nur auf die Angaben in Fundbüchern oder Urkundensammlungen gestützt, aber kaum der Mühe unterzogen haben, das Original zu studieren, obwohl dieses nicht nur für Beinhausen, sondern auch für Hillesheim und die Gemeinde Tondorf im Kreis Euskirchen von Bedeutung ist.

Hillesheim nutzt dieses Dokument als Nachweis einer »Stadtgemeinde« oder zumindest eines »befestigten Marktfleckens«, denn bei den von Abt Theoderich verpfändeten Gütern in Beinhausen und Tondorf ist die Rede von ».. . 25 Mark üblicher Währung, wie sie gemeinhin im Umlauf sind in >opido< Hillesheim". Außerdem trug die Urkunde das Stadtsiegel, »sigillum opidi de Hillesheim", das leider verlorengegangen ist. Für Lateiner sei angemerkt, dass im Original nicht »in oppido« beziehungsweise »sigillum oppidi« zu lesen ist!

Über Tondorf dürfte die Urkunde in den Besitz des Adelsgeschlechtes Hompesch gekommen sein. Tondorf und das damalige »Amt Münstereifel" gehörten mit zu den umfangreichen territorialen Erwerbungen des Herzogtums Jülich bis zum Jahre 1328. Das Haus Hompesch, ursprünglich am Niederrhein zu Hause, gewann durch günstige Heiraten mit größeren Besitzungen um Jülich, vor allem mit den Gütern Bolheim und Rurich, sehr schnell an Bedeutung und Ansehen. So war beispielsweise Ferdinand Freiherr von Hompesch der letzte Großmeister des Johanniterordens (mit Sitz auf Malta bis 1798). Schloss Bolheim (bei Nörvenich) wurde Standort für das umfangreiche Familienarchiv. 1835 kaufte Wilhelm Hugo von Hompesch, der in österreichischen Militärdiensten stand, Schloss und Gut Joslowitz (Jaroslavice) in Südmähren. Dorthin wurde noch zu seinen Lebzeiten das gesamte Familienarchiv verlegt. Die Bedeutung desselben ist beachtlich, soll es doch rund 3 500 Archiveinheiten umfassen. Allein die mittelalterlichen Urkunden (bis 1500) machen 320 Originalstücke aus, überwiegend auf Pergament.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Archiv Hompesch im Rahmen der Einziehung aller adligen Besitzstände durch das kommunistische Regime 1948 zunächst in das Bezirksarchiv Znaim (Znojmo) und von dort 1956 in das Staatliche Gebietsarchiv Brünn (Brno) verlegt.

Im Zuge der Vorarbeiten für die Herausgabe einer Ortschronik von Beinhausen bemühte sich die damalige Gemeindevertretung um Einsichtnahme in das Original dieser für die Ortsgeschichte so wichtigen Urkunde. In den ersten Januartagen 1990 reiste eine dreiköpfige Delegation in die damals noch unter kommunistischer Herrschaft stehende Tschechoslowakei, also in das heutige Tschechien, um im Staatsarchiv Brunn persönlich vorzusprechen. Auch dem Schloss Joslowitz wollte man einen Besuch abstatten. Es war eine recht abenteuerliche Reise, die eine Geschichte für sich wert wäre. Immerhin war sie erfolgreich. Unserem Anliegen wurde im Archiv Brunn zuvorkommend und zügig entsprochen. Der sich im nachhinein anschließende Schriftverkehr mit den tschechischen Behörden war allerdings umständlich und zeitraubend, denn erst Mitte Mai 1990 waren wir im Besitz einer schriftlichen Genehmigung der »Archiverwaltung Prag", die sozusagen als letzte Instanz über eine Veröffentlichung zu entscheiden hatte.

Die Prüfung des Originals ergab als positive Überraschung eine andere Schreibweise für "Beinhausen" als bis dahin in der Fachliteratur üblich. Statt »Beyirhusen« war eindeutig "Beynhusen« zu lesen.

Hier wurde also ein Abschreibefehler, vermutlich durch Krudewig, jahrzehntelang in den einschlägigen Veröffentlichungen mitgeschleppt. Besonders für die Namensdeutung erschloss sich damit eine ganz andere Ausgangslage. Das uns überlassene Fotonegativ der Urkunde von 1311 wurde Ende 1990 dem Landeshauptarchiv Koblenz übergeben. Es kann dort im Bestand 717, Nr. 875 eingesehen werden. Das Originalpergament im Staatsarchiv Brno ist im Bestand T 4 (Familienarchiv Hompesch), Inv.-Nr. 547 zu finden.

Doch nun zu einer weiteren frühen Urkunde Beinhausens.

In seiner Publikation über die Dörfer der Verbandsgemeinde Kelberg, ihre erste Erwähnung und Nennung in der Literatur (Landeskundl. Vierteljahresbl. Trier, Heft 3/1986) wies Erich (viertes erstmals unserem Beinhausen im Kreis Daun die Urkunde von 1290 zu (S. 75). Zwar hatte dies W. Jungandreas in seinem »Historischen Lexikon der Siedlungs- und Flurnamen«' auch schon getan, allerdings -Beinchenhusen« noch mit einem Fragezeichen versehen. Mertes hingegen hatte nach seinen Forschungen dieses weggelassen und die Zuweisung der Urkunde zu Beinhausen für bestimmt festgestellt. Aufgrund dieser Festlegung und einer von der Ortsgemeinde selbstverständlich eingeholten Absicherung durch das Landeshauptarchiv Koblenz feierte Beinhausen am 10. August 1990 seine 700-Jahr-Feier, und zwar auf den Tag genau ("Datum Anno Domini MCCXC, mense Auguste die beati Laurentii«). Dazu erschien dann auch ein 237 Seiten starkes Buch, indem nicht nur der Vorgang der frühen Urkundenforschung ausführlich dargelegt wurde, sondern auch die Tatsache, dass - im Gegensatz zu vielen anderen Gemeinden - für den Ortsnamen Beinhausen/Beinchenhusen im gesamten deutschsprachigen Raum kein Pendant gefunden werden konnte. Diese Feststellung spielt für die folgenden Ausführungen eine besondere Rolle.

Einige Wochen nach dem gelungenen Fest ließ nämlich ein sachkundiger Leser der Chronik die Autoren wissen, dass »Beinchenhusen « von 1290 möglicherweise eine Wüstung bei Kappel im Hunsrück sei und zum Kloster Ravengiersburg gehört habe. Diese Aussage, durch Literaturhinweise belegt, enthielt für die Veranstalter zwar nicht gewollt, aber doch unterschwellig den kritischen Hinweis, die 700-Jahr-Feier unter Umständen 21 Jahre zu früh begangen zu haben.

Die Folge war ein erneutes umfangreiches Quellen- und Literaturstudium vornehmlich des Hunsrückraumes. Besonders aufschlussreich waren die Veröffentlichungen von Friedrich Back "Das Kloster Ravengiersburg und seine Umgebungen«' (Koblenz 1811), von Bernhard Schemann »Die Wüstungen des vorderen Hunsrücks«« (Köln 1968) und von Willi Wagner »Das Augustiner-Chorherrenstift Ravengiersburg« (Simmern.1977). Walter Wies, Köln, untersuchte für uns daselbst die Würdtweinsche Urkundensammlung speziell zum Kloster Ravengiersburg auf weitere mögliche Hinweise, jedoch ohne Erfolg (»Subsidia Diplornatica" Bd. V, S. 396-448, Bd. VI, S. 121-187 und Bd. XI, S. 164-356).

 

Vor allem für Erich Mertes bedeutete dies eine Herausforderung. Er hat nicht zuletzt auch im Interesse der Ortsgemeinde Beinhausen und in enger Zusammenarbeit und Abstimmung mit dem Verfasser, den nachfolgenden Aufsatz im Sinne einer Erwiderung und Klarstellung verfasst, wofür wir ihm in besonderer Weise zu Dank verpflichtet sind.

So gesehen kann dieser Beitrag auch als ein notwendiges »Vorwort" zu dem seinigen verstanden werden.

Quellen:

l Beinhalten Peter Blum +Erich Mertes ,Theo Pauly. Wilhelm

Schild "Geschichtliches und  Persönliches aus Beinhausen". Daun

1990

2. "Geschichtlicher Handatlas der deutschen Länder am Rhein''. Köln

1950

3 Hlavacek/Hledikova  "Nichtbohemikale mittelalterliche Orginalurkunden im den böhmischen Ländern". 1977

4. Meyer. Hermann: "Hillesheim - De Geschichte eines Eifelstädlichens». Trier 1990

5. Handschriftliche Aufzeichnungen aus einem Vortrag von Dr. Wolfg. Löhr,

Direktor des Stadtarchivs Mönchengladbachs, zum Thema ''Die Freiherrn Hompesch-

eine niederrheinische Familie macht Karriere'' vom 8. Mai 1992 in Wickrath.