Zur Kritik der Beinhausener Urkunde von 1290

Erich Mertes. Kolverath

In der südlichen Eifel und bis weit in den Hunsrück hinein war ein Disput unter Heimatforschern entstanden, ob die obige Urkunde Beinhausen/Beinchenhusen zum Dorf Beinhausen in unserem Kreis Daun gehört oder als Wüstung bei Kappel im Rhein-Hunsrück-Kreis dem Kloster Ravengiersburg zuzuordnen sei. Nach den inzwischen abgeschlossenen Recherchen dürfen wir heute erleichtert sagen, dass wir für diesen kritischen Hinweis dankbar gewesen sind. Er hat uns zu einer Nachforschungsarbeit gedrängt, die sicher notwendig war, um die endgültige Klarstellung der Zuweisung der Urkunde Beinchenhusen von 1290 festzulegen.

Zur Überprüfung sei zunächst noch einmal der Sachverhalt der Urkunde genannt: »Ritter Friedrich vom Kloster (Monasterio| Meinfeld (Münstermaifeld) besaß um 1290 Güter in Beinchenhusen (Beinhausen). Diese hatte er an Wilkin, den Sohn des verstorbenen Ritters Franco, genannt vom Walde (de Silva], verlehnt.

Jener Wilkin schuldete seiner Schwester eine Mitgift von acht Mark und acht Schilling Kölner Währung. Weil er zur Zeit der Urkunde offenbar soviel nicht flüssig hatte, verpfändete er Einnahmen aus seinen Lehensgütern des Friedrich von Münstermaifeld in Beinhausen. Der Ritter Friedrich stimmte dieser Verpfändung ausdrücklich zu. Danach sollte Wilkin seiner Schwester und seinem Schwager Gerhard jährlich zahlen: sechs Schilling Kölner Denare, zwei Malter Hafer Kemicher Maß, sechs Hühner und einen Malter Käse. Diese Verpflichtung bestand solange, bis die genannte Mitgift bezahlt war. Ritter Friedrich hatte aber kein eigenes Siegel, um die Urkunde rechtskräftig zu bestätigen. Daher bediente er sich des Siegels von dem Edelmann Werner. Burggraf zu Treis/Mosel (MRR 4, 1805).« Die Urkunde ist durch eine Abschrift im Lagerbuch des Augustiner-Chorherrenstifts Ravengiersburg/Hunsrück bekanntgeworden. Dieses Kopialbuch tauchte im 18. Jahrhundert in Eberhardsklausen auf. Die dortigen Kanoniker halten es während ihrer Tätigkeit in Ravengiersburg an sich genommen, es ist heute verschollen. Der Dechant und Weihbischof Würdtwein zu Worms publizierte die Urkunde in Band V seiner »Subsidia« zwischen 1781-1792. Weil die Abschrift der Urkunde im Lagerbuch von Ravengiersburg auftauchte, hatte man ihren Inhalt auch dem Besitz von Ravengiersburg zugeschrieben. Diese Einordnung hat sich jedoch als Schlussfehler erwiesen. Wenige Kilometer von Ravengiersburg liegt der Ort Kappel, in dessen Gemarkung eine Flur Bennhausen/Beinhausen heißt. "Auf der Gemarkung Kappel". schreibt Herr Konrad, Ortsbürgermeister in Kappel, »bestand eine Wüstung mit dem Namen Beinhausen, die aber sponheimisch war und vor 1476 schon verschwunden ist«. (Brief vom 24.11. 1990). Er teilte weiter mit, dass Herr Rektor H. Brucker aus Simmern zur Zeit an der Ortschronik von Kappel arbeite. Diese ist inzwischen erschienen, und Rektor Brucker schreibt (S. 26): »Aus der Grenzbeschreibung (1476) geht nicht eindeutig hervor, ob mit >. . . zu bennhusen . . .< die Siedlung oder die Wüstung gemeint ist." Wenn wir also annehmen müssen, dass Beinhausen und seine Gemarkung, die wohl nicht groß gewesen sein kann, ausschließlich auf dem Gebiet der heutigen Gemarkung Löffelscheid gelegen hat, dürften die auf Kappeier Gemarkung befindliche Flur >Bennhäuser Heid< und das 1831 im Urkataster genannte >Benne-schen< lediglich Bezeichnungen darstellen, die die Angrenzung dieser Gemarkungsteile an die Beinhauser Gemarkung zur genaueren Lokalisation benutzten und nicht eigentlich Beinhauser Gemarkungsteile meinten," Brucker nimmt dann auch Bezug zur 700-Jahr-Feier der Gemeinde Beinhausen im Kreis Daun und führt dazu weiter aus:

"Eine selbstverständliche Aufregung entstand, als man dort erfahren haben will, Kappel nehme diese Urkunde für seine Wüstung Beinhausen in Anspruch. Dies ist insofern unrichtig, als wir ja davon ausgehen, dass die Wüstung Beinhausen ganz auf Löffelscheider Gemarkung gelegen war. Die jetzt in Löffelscheid entstehende Dorfchronik wird sich mit der aufgeworfenen Frage auseinanderzusetzen haben.« Damit hatte der Kappeier Chronist den Schwarzen Peter geschickt abgegeben. Unter den Autoren der Beinhausener Ortschronik hatte sich inzwischen eine rnonatelange, sehr kritische Diskussion entwickelt, die jedoch zu keinem endgültigen Ergebnis führte. W. Schild stellte schließlich fest: Die Beweisführung liegt nun einmal bei uns und nicht bei den Hunsrückern.

So blieb der "Streit" um die Zuordnung Theorie, bis der Verfasser am 14. April 1993 selbst nach Peterswald-Löffelscheid fuhr und gemeinsam mit dem Heimatforscher Heinz Meurer aus Löffelscheid eine Ortsbesichtigung der Flur Beinhausen vornahm. Das Ergebnis war überraschend und brachte schließlich die endgültige Klärung. Eine von diesem Besuch angefertigte Aktennotiz wurde unmittelbar danach allen Beteiligten zugeschickt. Darin heißt es:

"Die Flur -Beinhausen-/Bennhausen in der Gemarkung Löffelscheid umfasst eine morastige Fläche von etwa 60 Morgen Nassland, das auch mit modernen Produktionsmethoden landwirtschaftlich nicht nutzbringend zu bewirtschaften ist (>nicht mal für Wiesen geeignet*). Zur Zeit legt man dort Bau m Pflanzungen an. Dieses sumpfige 'Pachtland' (= Lehen) von 60 Morgen reichte sicher nicht aus, um daraus neben der eigenen Existenz und der von weiteren Untertanen (>auf seinen Gütern*] sowie den Lehensabgaben ('Pacht«) auch noch jährlich sechs Schilling Kölner Denare (= 72 Kölner Pfennige - 144 Trierer Pfennige = eine Trierer Mark), zwei Malter Hafer, sechs Hühner und ein Malter Käse (= 16 Stück) an die Schwester des »Pächters" (Lehensnehmer) solange jährlich zu zahlen, bis er ihr Erbteil (Mitgift) von neun Kölnische Mark weniger vier Schilling (= acht Kölnische Mark und acht Schilling oder 17 Trierische Mark und vier Schilling) an die Schwester oder ihren Mann oder deren Kinder ausgezahlt habe. Soviel (-Pacht-, eigene Existenz und Mitgift-

zins) konnte die sumpfige Flur »Beinhausen<Bennhausen in der Gemarkung Löffelscheid einfach nicht hergeben. Wahrscheinlich war der Boden nicht mal soviel wert. Der Edelmann Wilkin, Sohn des verstorbenen Ritters Franco de Silva, hat mit Sicherheit keine 60 Morgen sumpfiges Nassland 'gepachtet' (= gelehnt), um darauf Landwirtschaft zu betreiben. Kein vernünftiger Mensch würde das tun; das darf man nach Begehung der Flur >Beinhausen< bei Löffelscheid (im Weistum von 1476 •Bennhausen- genannt) wohl sagen. Aus dem Ertrag dieses Geländes hätte er seine Schwester neben den übrigen Lasten nicht auszahlen können.

Nach diesem Untersuchungsergebnis fällt die Flur >Beinhausen< bei Löffelscheid als Zuweisungsort für die Urkunde aus." (Zitat Ende). Mit Schreiben vom 9. Juni 1993 nahm Herr Heinz Meurer (bereits als Heimatforscher aus Löffelscheid erwähnt und zur Zeit mit der Erstellung der dortigen Ortschronik befasst) dazu wie folgt Stellung:

>>... Ich möchte Ihre Ausführungen etwas differenzieren. Die Kombination von schlechter Bodenqualität, ungünstigem Klima und hauptsächlich östlich in Richtung Kappel immer sumpfiger werdenden Bodens sind der Grund, daß Beinhausen auch heute nicht nutzbringend landwirtschaftlich bebaut werden kann. Dies gilt jedoch hauptsächlich für den oben erwähnten östlichen Teil. In Richtung Brühlhof bessern sich die negativen Faktoren etwas. Nach Überlieferung meines Großvaters Josef Jung wurde Beinhausen wegen der häufigen, selbst im späten Frühjahr auftretenden Bodenfröste, die die wachsenden Früchte erfroren, aufgegeben.

Die Nässe entsteht durch eine wasserundurchlässige Lehmschicht in etwa einem Meter Tiefe; wodurch das Wasser nicht versickern kann. Deshalb schließe ich mich Ihren Schlussfolgerungen voll an, dass zu damaliger Zeit mit den alten; noch unrentableren Anbaumethoden der Landwirtschaft kein großer Gewinn zu erzielen war. Hierin ist wohl auch der Hauptgrund des Wüstwerdens von Beinhausen zu sehen. Der Ertrag konnte nach meiner Meinung nicht ausreichen, um Lehensabgaben. Mitgiftzins und den eigenen Lebensunterhall zu bestreiten, wie sie in der Urkunde Beinchenhusen von 1290 aufgeführt sind. Deshalb ist meines Erachtens diese Urkunde nicht auf die Wüstung Beinhausen in der jetzigen Gemarkung Peterswald-Löffelscheid zu beziehen, obwohl natürlich wegen der räumlichen Nähe zu Peterswald (Ritter vom Wald) der Gedanke naheliegt, die Urkunde dem hiesigen Beinhausen zuzuordnen. Zur Etymologie Beinhausen ist zu bemerken, daß >Bennhausen-Bennese< aus dem Kappeier Platt stammt. In Löffelscheid er Platt heißt es >Behnese< wobei das -eh- fast wie ein langes -äh- gesprochen wird und >Bähn< auf hochdeutsch >Bein< heißt. Die einzelnen Bedeutungen sind aber noch zu erforschen .. .« Die Flurbezeichnung Beinhausen bei Kappel-Löffelscheid geht auf das alte Grenzweistum von 1476 zurück. Darin heißt es: »Diß ist das Wystumb, das unsern gnedigen Herrn gewyst wird zu Cappel und zu Kyre:. .. von dem Hane zu dem rech heruß zu Bennhusen zu, da der Capeller (Kappeier! zehenden wendet, zu Bennhusen unden an der lynden her, den rech herlange, biß an das bechelgin, und die bach herab biß uff Uttzenreche, und den rech herlange biß uff Maßen Hennen wiesen, die Hasen-wieß heruß biß an des scholtheysen wieß, und die bach heruß biß an Kirwiler anspann . ..« »Den hier gerneinten >Hane< kann ich nicht feststellen", schreibt Fabricius. »Bennhausen, Benneschen oder Beinhausen liegt in dem Wiesengrund, der die Gemarkung Kappel (Flur 16, Bennhauserheid und Benneschen) und die Gemarkung Löffelscheid (Flur 1, Unten-, Mitten-, Oben in Beinhausen) trennt, das untergegangene Dorf ist wohl auf der Löffelscheider Seite zu suchen. Das Bennhäuser Bächelchen hinab bis beinahe zur Mündung in den jetzt Bingerbach, ehemals Kirerbach oder Kire genannten Bach .. .«

Aus diesem »Bennhusen« von 1476 wurde später umgangssprachlich Beinhausen, wie Heinz Meurer erklärt.

Etymologisch trennen wir die Siedlungsworte Bennhausen und Beinhausen (Beinchenhusen) in das Grundwort -husen (^hausen) und die Bestimmungswörter Benn- beziehungsweise Bein-. Das Grundwort »Hausen« weist auf die Behausung. Ein hus (Haus), meist in der Pluralform -husen (-hausen) gebraucht, ist in beiden Fällen identisch und daher unstrittig. Die Bestimmungswörter Benn- und Bein indes unterscheiden sich in ihrer etymologischen Bestimmung wesentlich voneinander. Im Wörter-

buch der mittelhochdeutschen Urkundensprache (WMU) auf der Grundlage von Originalurkunden bis zum Jahr 1300 und im Wörterbuch der älteren deutschen Rechtssprache (Dt. Rechtswörterbuch) finden wir: Benn- für Bann; bennic = in einen Bannbezirk gehörend, auch: irn Kirchenbann befindlich. Bennagium = Bannzwang, zum Beispiel Mühlenzwang, in einer bestimmten Bannmühle mahlen zu lassen, bennen für bannen (Brmckmeier 1,335). Danach ist Bennhusen aus dem Weistum 1476 richtig als Bannhausen zu interpretieren. ». . . zu Bennhusen zu, da der Capeller (Kappeier) zehenden (Zehnt) wendet". Dort war also die Banngrenze für die Abgabe des Zehnten. »Die Deutung >Bannhausen< ist einleuchtend. Daraus lässt sich auch in alter Schrift kein Bannchenhusen machen«, schreibt Herr Walter Wies aus Köln, der viele Jahre in Beinhausen/Eifel einen Zweitwohnsitz hatte. Ganz anders dagegen verhält es sich mit unserem Beinhausen/Beinchenhusen im Kreis Daun.

Das Bestimmungswort Bein- wird allgemein als "Bein- bezeichnet. »Bein", lat. os, ossis, n, plur. ossa, eigentlich und übertragen = »Ge-beinje)«; eines der merkwürdigen Wörter, mit welchem unsere Sprache ganz für sich steht... »Bein« = bei den (DWB 1, 1381). »Bei den husen" hatten auch Wilhelm Schild und Walter Wies das Beinchenhusen von 1290 schon richtig gedeutet, unter Heranziehung des Urkundenoriginals von 1311 (s. Chronik Beinhausen, S. 23).

Aus der Urkunde von 1290 bleibt schließlich noch das »Kemicher Maß« erwähnen. Es wird in einiger Literatur als »Kaimter Maß" (Zell-Kaimt) ausgelegt. Aber ein Kairnter Maß hat es nie gegeben. Es wird weder bei Aldefeld noch bei Barsch erwähnt. Auch Dr. K.-J. Gilles vom Rheinischen Landesmuseum Trier, der aus Zell stammt und durch viele populärwissenschaftliche Beiträge zur Lokalgeschichte des Eifel-Mosel-Hunsrückraumes bekannt ist, kennt kein »Kaimter Maß". Das Kemicher Maß muss also ein anderes gewesen sein. Vermutlich handelt es sich hier um einen alten Lesefehler. Vielleicht »Kemicher Maß« (Moselkern)? Das spräche für die Nähe der Urkunde zu Münstermaifeld.

Mit diesen Darlegungen dürfte der Beweis erbracht sein, dass die Urkunde Beinchenhusen von 1290 nicht auf die Wüstung Bennhausen/Beinhausen bei Kappel-Löffelsctieid im Hunsrück anzuwenden ist, wohl aber auf unser Beinhausen im Kreis Daun. Das Landeshauplarchiv Koblenz hatte schon 1990 (Brief vorn 30. 3. 1990) festgestellt: -Bei dem Ort Beinchenhusen handelt es sich um Beinhausen, Kreis Daun."

Quellen:

Privatarchiv des Verfassers

Literatur:

Beinhausen = Peter Blum + / Erich Mertes / Theo Pauly / Wilhelm Schild,

Geschichtliches und Persönliches aus Beinhausen, Daun 1990

Brinckmeier = Eduard Brinckmeier, Glossarium diplomaticum, 2 Bde., Gotha 1855/56

DWB = Deutsches Wörterbuch,von Jakob und Wilhelm Grimm, 33 Bde., Leipzig/München 1854-1971

Fabricius = Wilhelm Fabricius, Erläuterungen zum Geschichtlichen Atlas der Rheinprovinz, Bd. II: die Karte von 1789;

Bd. V: die Trierer und Mainzer Kirchenprovinz, die beiden Karten der kirchlichen Orga 1450

und 1610; Bd. VI: die Herrschaft des unteren Nahegebietes; Bd. VII: die Herrschaft des Mayengaues.

Gilles = Karl-Josef Gilles, 1250 Jahre Kaimt, Zeller Heimathefte 2/83

MRR = Mittelrheinische Regesten, von Adam Goertz, 4 Bde., Koblenz 1876-1886

WMU = Wörterbuch der Mittelhochdeutschen Urkundensprache, auf Grundlage des Corpus des altdeutschen Originalurkunden bis zum Jahr 1300, mehrere Lieferungen, Berlin 1986-1991