Balthasar-König-Orgel in Niederehe Kleinod barocker Orgelbaukunst

Thomas Romcs. Nohn

Wer die schöne, ehemalige Klosterkirche in Niederehe beiritt, sollte einen Blick auf die Empore werfen, denn hier befindet sich eine der ältesten Orgeln in Rheinland-Pfalz. Es handelt sich um das erste Werk eines bedeutenden Orgelbaumeisters, Balthasar König.

Balthasar König, ein

"bayerischer" Orgelbauer in der Eifel

Am 18. Juni 1684 wird dem Orgelmacher Johann König ('1639 t1691) in Ingolstadt als sechstes Kind ein Sohn geboren; den er Balthasar taufen lässt. Er wählt diesen Namen nicht ohne Grund, hat er doch jetzt - entsprechend seines »königlichen« Namens - die hl. drei Könige beisammen: Kaspar '1675, Melchior *1680 und last not least »unseren Meisler« Balthasar. Waschechte Bajuwaren sind diese Königskinder nicht, denn die Heimat des Johann König ist Solothurn in der Schweiz, dort war Balthasars Großvater Urs (*160711681) als Prospektmaler tätig.

Wohl um seiner Orgelbaufamilie keine Konkurrenz zu machen und Neues zu erfahren, begibt sich der Letztgeborene auf die Reise. Über diese Lehr- und Wanderjahre sind wir nicht unterrichtet, doch wird er seine Grundkenntnisse im Orgelbau vertieft und viele neue Einflüsse aufgenommen haben. Vermutlich kommt er über Würzburg und Mainz in die Eifel. In Mainz arbeitet Ende des 17. Jh. der aus Weibern bei Kempenich stammende Johann Jakob Dahm f*1659 11727) als Domkapitelorgelmacher. Dieser Elfler hat in Mainz und Umgebung bedeutende Orgeln erbaut. Vielleicht hat König seine Aus- und Fortbildung bei Dahm erhalten. Dieser könnte den talentierten jungen Mann mit Empfehlungen in die Eifel gesandt haben; das bleibt aber Hypothese. Eindeutig widerlegen lässt sich jedoch die Annahme, König sei in Mainz mit dem berühmten Orgelbauer Joseph Gabler zusammengetroffen und dieser hätte »unseren Meister- beeinflusst. Im Jahre 1711 war Balthasar König bereits in der Eifel und Gabler (*1700 t1771) erst elf Jahre alt. Der 27jährige Balthasar lässt sich als »Orgelmacher und Organist" im Eifel Städtchen Münster-eitel nieder. Eine Reparatur führt er im Oktober 1711 an der Orgel der Schlosskirche in Blankenheim durch, dieses Werk aus dem Jahre 1660 steht heute noch über der gräflichen Empore. 1714/15 baut er nun »unsere« Orgel für die Prämonstratenser in Niederehe, diese Arbeit muss tadellos ausgeführt worden sein, denn später wird er mit dem Neubau (unter Verwendung alter Pfeifen) der Orgel im Prämonstratenserkloster Steinfeld betraut. Hier dürfte die enge Verbindung der beiden Klöster (Niederehe war Steinfeld unterstellt) eine Rolle gespielt haben. 1716 heiratet König in Münstereifel Maria Barbara Berchrat und leistet den Bürgereid. Aus der Ehe gehen acht Kinder hervor. Die Söhne Christian Ludwig (*1717 11789), Johann Kaspar 1*1726 +1736) und Johann Nicolaus ('1729 t1775) werden allesamt Orgelbauer. Vor allem Christian Ludwig erlangt Ruhm, neben der Orgel in Schleiden (um 1770) ist sein Werk für die Stevenskerk in Nijmegen in den Niederlanden (1776, mit 54 Registern verteilt auf drei Manualen und Pedal) heute noch beeindruckendes Zeugnis eines Künstlers aus der Eifel! 1735 verlässt Balthasar König die Eifel und überlässt seinem Schwiegersohn Johann Odendahl aus Dernau (*1715? 11795) die Werkstatt in Münstereifel. König verlegt seine Wohnung in die Stadt der Heiligen Drei Könige, Köln. Seit 1741 hat er eine Wohnung in der Breite Straße. Von Köln aus erstreckt sich sein Wirken über das ganze Rheinland, so dass Orgeln aus seiner Hand von der Mosel bis zur Ruhr nachgewiesen werden können. Die größte erhaltene Orgel stammt aus seiner Eitler Tätigkeit, es ist die schon erwähnte in der Basilika Steinfeld, die um 1727 entstand. Regelmäßige Konzerte und eine Reihe von LP- und CD-Einspielungen haben

Blick auf die ehem. Nonnenempore mit der Balthasar-König-Orgel. Zu beiden Seiten der Orgel steht seit 1964 das spätgotische Chorgestühl (1530). Die Sicht zur Orgel wird durch einen Teil des urspr. 5 m hohen Chorgitters verdeckt, der ebenfalls 1964 auf die Emporenbrüstung gesetzt wurde. Die Orgel befand sich 1715 direkt hinter dieser Brüstung.

dieses Werk im In- und Ausland bekanntgemacht. Balthasar König stirbt 72jährig am 16. Dezember 1756 beim Bau der Orgel in Menden/Sauerland.

Die älteste erhaltene König-Orgel in Niederehe

Im Pfarrarchiv von Niederehe ist vermerkt, dass mit Balthasar König die Lieferung einer Orgel im Jahre 1714 für 285 Imperialen (Reichstaler) und zwei Weinlieferungen verakkordiert wurde. Übrigens schätzte der Meister den Wein, denn auch im Vertrag mit Ahrweiler von 1717 wird ihm die Lieferung von »zwei Ohmen Weins« zugesagt. 1715 wurde die Orgel in Niederehe fertiggestellt, die ursprüngliche Zusammenstellung der Register (Disposition) konnte 1984 ermittelt werden:

1. Principal: Hauptstimme einer Orgel, die sichtbaren Pfeifen des Prospekts gehören zu diesem Register.

2. Bordun: Das weich klingende Grundregister, der Ton verbindet sich klanglich gut mit den anderen Registern.

3. Flaut travers: Ahmt den Klang der Querflöte nach.

4. Cornet: Hier erklingen drei Töne pro Taste, das Cornet soll eine hohe Trompete imitieren.

5. Sesquialtera: Bei jedem Ton erklingen zwei Pfeifen, eine Terz und eine Quint, welche den Klang hornartig färben.

6. Flaut douce: Weich klingendes Flötenregister.

7. Superoctav: Gehört zum Principal, klingt eine Oktav höher.

8. Mixtur: Gehört ebenfalls zum Principal, gibt der Orgel, als Klangkrone, ein feierliches silberglänzendes Gepränge, pro Taste erklingen drei Pfeifen; hohe Quinten und Oktaven.

9. Trompete: Sie ahmt den Klang der Barocktrompete nach, ein kräftig schmetterndes Register Die Bauform weicht von den anderen Registern ab, der Ton wird durch eine schwingende Messingzunge erzeugt und durch einen Metalltrichter verstärkt.

Trotz der spärlichen Anzahl der Register stellt König eine außerordentlich vielseitige und farbige Disposition auf. Ähnlichen Klangreichtum können wir bei den erhaltenen und rekonstruierten Orgeln im nahen Aremberg / Kr. Ahrweiler und Wollmerath / Kr. Cochem-Zell hören, die um die Mitte des 18. Jahrhunderts die König-Werkstatt verließen.

Das Schicksal der Orgel nach 1715

Nach der Auflösung des Klosters verstummte auch die Orgel, da von 1802-1836 ein Organist fehlte. 1866 erhielt sie ein selbständiges Pedalwerk mit den Registern Subbass, Oktavbass und einer Trompete durch den Orgelbauer Christian Müller aus Reifferscheid. Müller hat auch die Stumm-Orgel in Hillesheim erweitert und 1868 in Nohn eine Barockorgel aus Trier, St. Matthias, aufgestellt und vergrößert. Er tastet den ursprünglichen Zustand in Niederehe kaum an. Seine Erweiterung ist durchaus sinnvoll und stellt heute eine erhaltenswerte historische Substanz der König-Orgel dar. Erst später, vor allem in unserem Jahrhundert, wurde die Orgel stark verändert und ihrer originalen Pfeifen beraubt, dass zur Zeit nur drei Register von König erhalten sind: Principal (mit den Pfeifen im »Gesicht« der Orgel), die Flaut douce und die Superoctav.

Heutiger Zustand und Blick in die Zukunft

Trotz des Verlustes der meisten Register birgt die Orgel einen erstaunlichen Originalbestand, der sonst - auch bei anderen Denkmalorgeln -selten anzutreffen ist. Eine Kostbarkeit ist das Vorhandensein der alten Klaviatur von Manual und Pedal sowie der Registerzüge. Auch ist die Windlade mit den Stockbohrungen und Pfeifenbänken erhalten geblieben. Im Text zu einem Kalenderblatt schreibt der Orgelbauer Jacques Stinkens aus Zeist in den Niederlanden: »Die älteste noch bestehende König-Orgel steht in der ehemaligen Prämonstratenserklosterkirche und jetztigen Pfarrkirche St. Leodegar zu Niederehe . .. Das Instrument ist momentan noch nicht restauriert und befindet sich in einem erschütternden Zustand. Das reiche Schnitzwerk ist beschädigt und fehlt teilweise, viele Pfeifen sind verbeult, die Windlade undicht, man kann das Instrument wohl mit einer Stradivarigeige vergleichen, deren Saiten gerissen sind! Die Orgel pfeift buchstäblich aus dem letzten Loch. Die Achtung vor den Leistungen unserer Vorfahren, die sie zu Ehre Gottes und zur Freude der Menschen vollbrachten, müsste uns darin bestärken, dieses außergewöhnliche Kulturerbe zu erhalten!«

Erste Schritte zur Erhaltung und zur Rekonstruktion des Instrumentes sind in Niederehe durch Privatinitiative dankenswerterweise bereits eingeleitet worden. Die Verbandsgemeinde Hillesheim besitzt neben der prächtigen Orgel der Gebrüder Stumm in Hillesheim (1772) und den schönen barocken Orgelprospekten in Nohn (um 1750, vermutlich Stumm-Pfeifen, teilweise erhalten), Üxheim (großer Prospekt des 18. Jh., Pfeifenwerk von 1927) und Walsdorf (Ende 17. Jh.) mit der Balthasar-König-Orgel von 1715 den bedeutendsten Bestand dieser Kulturdenkmäler. Es wäre beklagenswert, wenn gerade im Kreis Daun, der ja mit solchen Denkmalorgeln nicht gesegnet ist, ein Instrument, das dem Gotteslob dient, verloren ginge.

Anmerkungen:

Herzlichen Dank Herrn Helmuth Koenig aus Gaienhofen/Bodensee. dem direkten Nachfahrer' Balthasar Königs., er stellte die Lebensdaten der Orgelbauerfamilie zur Verfügung Dank auch an Christoph Fischbach und Klaus Kemn aus Niederehe, die sich maßgeblich für die Erhaltung und Rekonstruierung der Orgel einsetzen.

Literaturhinweis:

Peter Kees : Kloster Niederere in der Gemeinde Üxheim, Rheinische Kunststätten Heft 144

Hans Klotz: Das Buch von der Orgel. Verlag Bärenreiter

 Matthias Thömmes: Orgeln im Rheinland-Pfalz und im Saarland. Trier 1981

Friedrich W. Riedel: Die Orgel als sakrales Kunstwerk, Mainz 1992

Franz-Josef Vogt: Die Orgel der ehem. Schlosskirche Schleiden, Rheinlische Kunststätten Heft 381