Seltener Besuch

Christa Feltgen, Steffeln

In der Eifel ist man vor Überraschungen nicht sicher, Überraschungen, die die Natur hier den Menschen freigebig anbietet, und die besonders diejenigen immer wieder verblüffen, die hier nicht aufgewachsen sind. Da kann es passieren, dass wir bei tiefen Minusgraden im Winter vor die Tür treten und vor dem Haus liegt das Dorf im reinsten Sonnenschein, alle Konturen klar, wie gezeichnet. Und hinter unserem Haus steht eine blaugraue Nebelwand, die böse und dunkel die Nachbarschaft ganz einfach ausgelöscht hat. Da kann es auch passieren, dass wir Anfang März überlegen, warum es gerade auf die beiden Wiesen unterhalb des Kapellenberges geschneit hat und sonst nirgendwo hin. Bis wir merken, dass die Sonne diesen Schnee gar nicht wegschmelzen kann, weil es sich um Millionen von winzigen weißen Hungerblümchen handelt, die alle zur gleichen Zeit ihre kleinen Blüten ins Licht halten. Das ganze Jahr über geht es so verschwenderisch weiter, mit Wiesen, die übersät sind von Himmelsschlüsselchen oder Löwenzahnblüten und Waldrändern, die

großzügig von einem Kranz goldener Ginstersträucher umrahmt sind. Aber man findet auch unscheinbarere Dinge. Da wächst zum Beispiel in einer Astgabel des alten Lindenbaumes ein kräftiger Ebereschenschößling, dessen Same irgendein Vogel dorthin verfrachtet hat. Und dazu, als wolle sich die Natur einen besonderen Spaß erlauben, wächst am Fuße dieser Eberesche noch eine Löwenzahnpflanze. Vögel sehen wir hier fast nur in Gruppen, die Krähen, die hinter dem Pflug des Bauern nach Essbarem suchen, Schwalben bei der Insektenjagd, eine Rotkehlchenfamilie, die mit ihren Jungen das Fliegen übt. Spatzen fallen in ganzen Wolken in unseren kleinen Ebereschenbaum ein, um plötzlich, wie auf Kommando, eine Etage tiefer in einem Gartenbeet ein Sandbad zu nehmen, gänzlich unbeeindruckt von den Mühen, die der Gärtner sich da gegeben hat. Wenn wir im Sommer morgens in unserer Küche beim Frühstück sitzen, können wir oft den Blick von dem Treiben da draußen kaum abwenden.

An einem solchen Morgen schoss plötzlich etwas Helles auf unsere Hauswand zu, direkt über dem Küchenfenster. »Eine Taube!«, dachte ich. »Sie wird den Sturz nicht abfangen können!«. Aber wir warteten vergebens auf den Aufprall eines Körpers und schauten daraufhin etwas genauer in den Garten hinaus. Und da stand er auf den Steinen, die zum Haus führen, kaum zwei Meter von unseren Fenster entfernt. Ein Sperber! Er hatte bei seinem Sturzflug einen Spatz erbeutet und hielt ihn jetzt mit seinen Fängen fest. Es war eine ausgesprochen fette Beute, die sich noch tapfer wehrte. Der kleine Raubvogel schaute wachsam um sich, dabei hatte er ein wenig mit dem kräftigen Spatz zu kämpfen, der keine Ruhe geben wollte. Plötzlich nahm der Sperber dem kleinen Vogel mit einem einzigen, gut gezielten Schnabelhieb das Leben. Dann, als ihm von der nun nicht mehr zappelnden Beute keine Gefahr mehr beim Fliegen drohte, erhob er sich leicht und schnell mit ihr. Sicher wartete irgendwo ein Junges auf Futter.