»Der Haferbrei ist dem Kaffee gewichen*
Wie der Pfarrer von Gillenfeld vor 150 Jahren die Eifelbevölkerung beurteilte
Dr. Martin Persch, Trier
Johann Hubert Schnitz, der seit dem 1. Januar 1838 als Pfarrer in Gillenfeld amtierte, gilt als einer der engagiertesten Förderer des Volksschulunterrichtes und der Männergesangvereine der Eifel. Bekannt wurde er vor allem als Volkskundler durch die Erforschung des Eifeler Brauchtums. Geboren am 27. August 1807 als Sohn des Manderscheider Friedensrichters, empfing er nach dem Studium der katholischen Theologie in Trier am 18. Mai 1834 die Priesterweihe und war anschließend als Kaplan in Wittlich tätig. In Gillenfeld wirkte er fast zwanzig Jahre, ehe er als Pfarrer nach Zell überwechselte, wo er am 11. Oktober 1882 starb. In Anerkennung seiner Verdienste als Volksschriftsteller und Volkskundler hat ihm die Universität Freiburg i. Br. am 14. Juli 1857 die Würde eines Doktors der Theologie ehrenhalber verliehen.
Als Pfarrer von Gillenfeld veröffentlichte Johann Hubert Schmilz im Jahre 1844 in Prüm ein Buch, dessen Titel wie folgt lautete: "Allseitiges Gemälde der Eifel und ihrer nächsten Umgebungen. Eine Schrift, zunächst für die einheimische Bevölkerung, dann aber auch für den Fremden, welcher den Landstrich näher zu kennen wünscht.« Dieser Schrift entnommen ist die nachfolgende Charakterisierung der Bevölkerung:
"Die Eitler sind durchschnittlich von stämmigem oder untersetztem, kräftigem Körperbau, und mit guten geistigen Anlagen von der Natur begabt. Für das Letztere zeugen ihre Schulen, welche, sofern sie mit geeigneten Lehrern versehen sind, jenen anderer Gegenden in keiner Beziehung nachstehen. Mühevolle Arbeit und ein rauhes Klima haben die Bewohner der Eifel abgehärtet, so dass sie allen Beschwerden trotzen. Der Ernst der Natur, welcher sie umgibt, hat sich ihren Gesichtern eingeprägt, dabei sind sie jedoch gesprächig, treu und gutmütig, ohne Falsch und Heimtücke. Willig unterziehen sie sich ihren Pflichten und Obliegenheiten gegen den Staat und führen nicht leicht Beschwerde gegen Vorgesetzte, wenn nicht die Not sie dazu zwingt oder Anreizung dazu verleitet. Treu dem Glauben ihrer Väter, ohne Unduldsamkeit gegen Andersgläubige zu kennen, sind sie der Neuerung in religiösen Dingen abhold, weshalb sie auch, nachdem sie in früheren Zeiten ihrem Glauben, durch Zeitverhältnisse teilweise abtrünnig gemacht worden waren, alsbald zu demselben wieder zurückkehrten.
Obgleich die Eifel im Durchschnitte nur schwach bemittelt ist (was zum Teile den klimatischen und Bodenverhältnissen, und dem bisherigen Abgange der erforderlichen Wege, wodurch der Landstrich, als eine Wüste daliegend, dem Handel und Verkehre nach Außen verschlossen war, und vielfach noch ist, zugeschrieben werden muss); so teilen ihre Bewohner doch gerne von Dem, was sie haben, mit; besuchen Freunde und Anverwandte; empfangen Gastfreundschaft, und halten es für eine Schande, dieselbe nicht zu erwiedern. Auch lässt man das empfangene Gute, die Wohlthat, nicht aus dem Gedächtnisse schwinden, und die Gelegenheil, sich erkenntlich zu erweisen, ist erwünscht.
Durch Arbeitsamkeit sucht man seinen Lebensunterhalt auf verschiedene Weise, jedoch gewinnen ihn die Meisten durch Ackerbau und Viehzucht. Insbesondere rührig und unverdrossen erblickt man den Landmann wahrend der Jahreszeiten, wo ihn der Ackerbau in Anspruch nimmt. Im Winter wartet er sein Vieh ab, drischt seine Früchte, fällt Holz und weiß teilweise die Stunden, welche ihm hierbei erübrigen, durch verschiedene nützliche Nebenbeschäftigungen auszufüllen. Diese Beschäftigungen nehmen jedoch nicht die ganze dazu fähige Bevölkerung in Anspruch; ein Teil derselben bringt hinter'm Ofen mit Nichtsthun die winterlichen Stunden hin, welche gar leicht- auf eine der häuslichen Wohlfahrt ersprießlichere Weise verwendet werden könnten und sollten. Wer es blos seine Beschäftigung sein läßt, während des Winters zu verzehren, was er mühevoll im Sommer erworben hat, nimmt auf seinen Wohlstand geringen Bedacht. Es gibt Gegenden, wo sich die Mannsleute auch in den müssigen winterlichen Stunden nützlich zu beschäftigen wissen. Sie flechten Filzschuhe von Tuchleisten, verfertigen Bürsten, Körbe, Besen. Harken, Löffel und Gabeln von Ahornholz, Schnitzwerk und Spielsachen für Kinder, Spinnräder, hölzerne Uhren, sie stricken, spinnen, weben Tuch für den Hausbedarf und Niemand schämt sich einer solchen Beschäftigung. Wie viel könnten solche Nebenbeschäftigungen, wenn sie auch im Eifellande allgemein einheimisch würden, dazu beitragen, den Wohlstand zu erhöhen! Wieviel würden durch sie die guten Sitte, welche der Müssiggang zu Grunde richtet, gewinnen!
Je unfruchtbarer der Boden ist, welchen der Landmann bebaut, und je länger der Winter für ihn andauert und ihn demselben entzieht, um so nothwendiger ist es, dass er sich Nebenbeschäftigungen mache, wenn sich dieselben auch nur auf den eigenen häuslichen Bedarf beschränken.
Obwohl der Eifler in seiner Lebensweise nicht üppig genannt werden kann; ist er doch in derselben von der Einfachheit seiner Voreltern abgewichen, und dieselbe ist im Verhältnisse zu seinen dürftigen Erwerbsquellen zu kostspielig geworden. Der Haferbrei, diese Lieblingskost der alten Eifler, ist dem Kaffee gewichen, welcher jährlich mehr Geld aus dem Lande schleppt, als die Steuern betragen, und der Türtig, wovon das Sprichwort: Selbst gesponnen, selbst gemacht, ist des Landsmanns beste Tracht, galt, hat weniger haltbaren und deshalb kostspieligeren Zeugen den Platz räumen müssen.
Nüchternheit ist noch einheimisch und Trunksucht ziemlich selten; doch sind Schenken bereits im Überflusse vorhanden; Orte, wo schon eine für eine hinreichende Befriedigung des Bedürfnisses gelten könnte, haben deren drei bis vier. Ihre Zunahme kann nur als ein schlimmes Zeichen angesehen werden, und sie wird mit der steigenden Verarmung gleichen Schritt halten.
Auf die Mundart der Eifler, welche mit dem Hochdeutschen eben in keiner Verwandtschaft steht, haben die verschiedenen Herrschaften, worunter die Eifel lange gestanden, Einfluss geübt, und man findet darin die kölnische, trierische und luxemburgische wieder. Die Volkssprache hat sich jedoch durch die Schulen, deren überall vorhanden sind, die sich im Allgemeinen in einem guten Zustande befinden und während des Winters von den Schülern regelmäßig, dagegen im Sommer wegen der Viehhut hier und da minder regelmäßig besucht zu werden pflegen, schon bedeutend verbessert. Das gebräuchlichste Spiel des gemeinen Mannes ist, wie auch anderwärts, das Kartenspiel. Dasselbe verdient jedoch die wenigste Empfehlung, da es sehr leicht zur Leidenschaft, und dann gar oft für den Menschen verderblich wird. Fluchen, Zank und Streit, Ungerechtigkeit, Familienzwiste, Vernachlässigung der Geschäfte und Verarmung sind leider nicht selten seine Folgen.«
Soweit die Beurteilung des Gillenfelder Pfarrers. Mögen die Beurteilungen unserer Tage in 150 Jahren als ebenso von echter Sorge und wohlmeinendem Verständnis und Liebe zur Eifel diktiert bewertet werden, wie wir dies über die Urteile von Johann Hubert Schnitz sagen können. Kein Geringerer als Karl Simrock hat treffend über Schmitz geurteilt: "Nur glückliche Begabung, nur angeborener Sinn, wie sie Frohsonntagskindern eignet, kann ihm die Augen für den Wert der heimischen Güter, die Schönheit und Herrlichkeit des alten Lebens geöffnet haben. Dabei hat ein glücklicher Stern über seiner Bemühung gewaltet: er wohnte im Herzen des Landes, dessen Leben und Glauben er schilderte, und wenn sein geistliches Amt ihm Zutrauen erweckte und vielfache literarische Tätigkeit Verbindungen schuf, so war es vor allem seine Leutseligkeit, seine Liebe zum Volke, die das Volk vermochte, ihm seine liebsten Kleinode zu erschließen.«