Römische Wasserleitung in Retterath

Erich Mertes, Kolverath

Bei Kanalisationsarbeiten wurde in Retterath im Oktober 1969 ein Felsenstollen angeschnitten. Die Stelle liegt im Hohlweg »Jeuch«, das ist am westlichen Ortsausgang, im alten Kolverather Kirchweg, etwa 50 m vom letzten Wohnhaus entfernt. Dort befindet sich heute ein Kanaleinstieg.

Bei Anlegung des Sammelschachtes durchbrach der Bagger damals den First einer im Stollenbau durch den anstehenden Fels angelegten römischen Wasserleitung. Die Linienführung dieser Leitung verläuft in süd-nördlicher Richtung. Nach Meinung des verstorbenen Bürgermeisters Josef Biewers liegt die Quelle der Leitung im Quellgebiet des Steinbachs und die Mündung im Anwesen Heinz Gutreuter. Das ergäbe theoretisch ein Gefalle von etwa 480 m Höhe auf 450 m bei einer Länge von kaum einem km, also 30 m Gefalle auf ca. 900-1000 m oder rund 1:30. Wir kennen ähnliche Gefalle römischer Wasserleitungen, zum Beispiel bei Mosbruch. Der Hohlweg »Jeuch« ist an der Fundstelle 3-4 m tief eingeschnitten. Von der Fahrsohle bis zum anstehenden Fels liegt eine Erdschicht von etwa 90 cm Höhe, von der Felsoberkante bis zum Stollenfirst ist es rund ein Meter. Der Stollenfirst liegt also 1,90 m unter der Fahrsohle des Hohlweges. Wenn man den Einschnitt des Fahrweges und die Stollenhöhe hinzurechnet, dann liegt die Wasserleitung an dieser Stelle 7-8 m unter der Erdoberfläche.

Blick auf die angeschnittene römische Wasserleitung von oben. Man erkennt auf der Stollensohle ein Begrenzungsmäuerchen mit Abdeckplatten. Die Rille führt heute noch Wasser.

Foto: Nikolaus Hermann

Eine solche technische Leistung vor fast 2 000 Jahren muß auch heute noch unsere Bewunderung hervorrufen!

Der Stollen hat eine Höhe von 1,55 m und ist 70 cm breit. Auf der Stollensohle sind im Abstand von 20 cm zwei Begrenzungsmäuerchen (zwei Steinschichten} mit einer Höhe von 20 cm angelegt, die mit Schieferplatten abgedeckt sind. Die heute noch wasserführende Rille hat ein Gefalle in nördlicher Richtung und weist auf ihrer Sohle eine dünne Schwemmschicht auf. Die Leitung führte 1969 noch 4-5 cm hohes Wasser.

In Abständen von 0,8-1 Meter sind in den Seilenwänden des Stollens in Brusthöhe kleine dreieckige Nischen für Öllampen ausgehauen, die oben noch von den dort bei der Arbeit vor fast 2 000 Jahren aufgestellten Lämpchen angerußt sind.

Ein so tief unter der Erde liegender Stollen muss Luftschächte haben. Bei Brey am Rhein lagen solche Schächte zwischen 5 und 10 m auseinander. Mögliche Dellen in der Flur geben Hinweise auf den Verlauf der Wasserleitung. Die wissenschaftlichen Mitarbeiter des Landesamtes für Denkmalpflege, Abt. Bodendenkmalpflege, Außenstelle Koblenz (ADK) schließen eine Überbauung der Wasserleitung nicht aus, obwohl beim Abgehen des Geländes keinerlei Spuren von Ziegeln gefunden wurden. Hier bleibt Raum für Retterather Heimatforscher.

Als man diesen sensationellen Fund am 16. Oktober 1969 machte, meldete der Relterather Ortsbürgermeister Hermann Mindermann dies pflichtgemäß beim Bürgermeisteramt in Kel-berg. Der Amtsbürgermeister Hans Baulig rief sofort beim Landesamt für Denkmalpflege in Koblenz an, und von dort erfolgte am nächsten Tag eine Besichtigung der Fundstelle. Seitdem ist es still geworden um diesen außergewöhnlichen Fundplatz. Woanders werden solche Fundstellen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. In der entlegenen Hocheifel, dem Dreigestirn1 Hohe Acht-Nürburg-Hochkelberg, gibt es so etwas aber noch nicht. Schade. Die Quellfassung der Wasserleitung wird man noch suchen müssen. Die Mündung der Leitung lässt sich hingegen leicht ermitteln, wenn man der Wasserführung im Stollen eine harmlose Lebensmittelfarbe beigibt. Die Färbung des Wassers zeigt beim Austritt den Verlauf der

Leitung von der »Jeuch« bis zur Mündung an. Dort stand dann vor fast 2000 Jahren ein sehr bedeutender römischer Herrenhof, denn einfache Bauern konnten sich auch damals eine so kostspielige Wasserleitung sicher nicht leisten.

Quellen und Literatur

ADK

Archiv Erich Mertes, Kolverath, Neuwied

Alois Mayer/Erich Mertes, Geschichte Kultur und Literatur der Verbandsgemeinde Kelberg, Adenau 1993, S 49 (Mosbruch 2), S 52 (Retterath 2)