Ein Zeitdokument - nicht nur für Landwirte und Ostbelgier

Wolfgang Fettweis, Eupen

Heinrich Cremers Buch »150 Jahre Landwirtschaftliche Vereine und Genossenschaften in Eupen - Malmedy - St. Vith« herausgegeben vom Verband der Bauerngilden des Bezirks Verviers mit Unterstützung des Kulturministeriums der Deutschsprachigen Gemeinschaft, erschien es im Grenz-Echo Verlag GEV Eupen, 371 Seiten, und reichlich illustriert durch zum Teil bisher unveröffentlichte Fotos und Dokumente.

Dies heimatgeschichtliche Werk gehört vor allem wegen der genauen und präzisen Nachforschungen des Autors zweifellos zum Bemerkenswertesten und Wichtigsten, was seit Kriegsende auf diesem Gebiet in Ostbelgien erschienen ist, und das ist bekanntlich nicht wenig.

Schon ein flüchtiges Durchblättern des Buchs lässt die außergewöhnliche Sorgfalt erkennen, mit der der Autor bei seinen Recherchen in Archiven und anderen Informationsquellen vorgegangen ist. Oberflächlichkeiten oder unbeweisbare Behauptungen würden seinem Wesen widersprechen. Unterteilt ist die Dokumentation in drei bedeutende Zeitepochen: Die preußische Zeit, genauer gesagt von der Gründung der ersten landwirtschaftlichen Vereine zu Beginn oder Mitte der dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts bis zum Inkrafttreten des Versailler Vertrages und damit der Angliederung der bis dahin preußischen Kreise Eupen und Malmedy (St. Vith war zur preußischen Zeit Bestandteil des Kreises Malmedy) an Belgien, die Jahre zwischen beiden Weltkriegen und schließlich die Zeit danach bis zur Gegenwart. Natürlich unterschieden sich die materiellen und wirtschaftlichen Verhältnisse und Notsituationen, die um 1832 und später in den Kreisen Eupen und Malmedy zur Gründung der ersten landwirtschaftlichen Vereine und deren Nachfolgeorganisationen führten, nicht von denen in den Nach bar kreise n wie etwa Monschau, Schleiden oder in der gesamten damaligen Rheinprovinz. Gleiches gilt auch für die immer auftauchenden Namen von Landräten, Bürgermeistern oder Bauernfürsprechern. Einigermaßen erstaunt macht die Feststellung, dass den Bauern der Zusammenschluss als Kampfmittel gegen die wirtschaftliche Notlage und Ausbeutung Jahrzehnte vor dem Kommunistischen Manifest und Gründung der ersten Arbeitergewerkschaften gelang. Der letzte Teil des Buches lässt erkennen, dass mit Ende des Zweiten Weltkrieges die Probleme keineswegs zu Ende waren, ökologische Fragen wurden immer dringender, hunderte junger Landwirte blieben auf den Schlachtfeldern, die Rundstedt-Offensive hatte ganze Dörfer dem Erdboden gleichgemacht, und es mussten neue Absatzmärkte gefunden werden. Auch*hier spürt man, dass der Verfasser weiß, wovon er spricht. Somit gehört dies Buch nicht nur dem Landwirt, sondern jedem, der sich für Geschichte - auch die jüngere - interessiert.