Land erloschener Vulkane

Maare - Augen der Eifel

Alois Mayer, Daun-Piitzborn

»Als Gott die Welt erschuf und die Eifel, sein Meisterwerk begutachtete, weinte er vor Freude über das Gutgelungene. Seine Tränen fielen zu Boden und sind uns als wertvolle Perlen, als Maare, erhalten . ..«

So könnte eine noch nicht geschriebene Legende beginnen, die sich aber einig ist mit all denen, die die einmalige Schönheit der Maare verkünden. Wertvolle, schütze n s werte Kleinodien sind diese Seen, das Ziel ungezählter Besucher. Geboren vor Jahrtausenden mit Donnergetöse und sonne n verdunkelnde n Rauch- und Sandschwaden durch des Vulkanismus unheimliche Gewalt, so sind sie heute ruhig, lieblich, eine Augenweide für jeden; für alle, die aus einem Flugzeug direkt in diese unergründlich schwarz-blauen »Augen- sehen dürfen, ein unvergessliches Erlebnis.

Diese Maare sind durch vulkanische Gasexplosionen in erdgeschichtlich jüngster Zeit - etwa zehntausend Jahre vor Christus - entstanden. Bei Vulkanausbrüchen wurden riesige Mengen Sand und Gestein aus dem Erdinnern herausgeschleudert, die sich ring- und wallförmig ablagerten. Wie mögen sich die damaligen Eifelbewohner gefühlt haben? Welche angstvollen Gedanken und Schreie angesichts solcher Naturgewalten entrangen ihnen, als die Erde zitterte und bebte und glühendes Gestein magere Steppe und Gesträuch in Brand setzte, Opfer unter Tieren und Menschen forderte? Nach den Lava- und Gaseruptionen wurden ständig Asche, Lava- und Turfmassen in die Schlote und Kessel der Trichter gespült, die so den Maarboden und die seitlichen Wände abdichteten. Durch die erhöhten Niederschläge der damaligen nacheiszeitlichen Phase füllten sich langsam die Trichter bis zu der heutigen Höhe. Wie dicht der Lavaboden ist, sieht man am deutlichsten auf dem schmalen Grat an der Straße zwischen Weinfelder und Schalkenmehrener Maar, dort, wo man beide Maare sehen kann. Nahezu siebzig Meter höher liegt der Wasserspiegel des Weinfelder Maares, dennoch fließt kein Wasser ab zum Nachbarmaar, auch wenn eine alte Sage dies behaupten möchte, die schaurigschön von dem Schicksal jenes Bau er n man n es und seines Ochsengespannes berichtet, der die steilen Hänge des Weinfelder Maares hinabstürzte und mit dem Vieh einen gar jämmerlichen Wassertod fand. Erst viele Monate später gaben die tiefen Fluten des Nachbarmaares sie wieder nach oben spülend frei.

Von den etwa vierzig Kraterseen und Trockenmaaren befindet sich die Mehrzahl im Bereich der Kreises Daun. Alle tragen einen Namen, meist nach der Siedlung, die sich an deren Ufern ausbreitet. Alle nennen sich auch »Maar«, wohl von dem lateinischen »mare« abgeleitet. Und so wie jede Regel durch eine Ausnahme gekennzeichnet ist, bildet auch der Kratersee zu Füßen des Klosters Maria Laach die Ausnahme, der sich nicht Maar, sondern Laacher See nennt.

Die Maare stehen nahezu alle unter Naturschutz, nur einige sind für den Tourismus (Angeln, Rudern, Surfen, Schwimmen, Campen) freigegeben. Jedes Maar ist in seiner Größe, Tiefe und seinem Durchmesser unterschiedlich, bietet landschaftlich ein anderes Bild; auch der Wasserstand ist von Maar zu Maar verschieden. Da gibt es Kraterseen, die Quellen, Wasserzuflüsse und -abflüsse haben, während andere ihren Wasserstand ausschließlich durch Verdunstung und natürliche Niederschläge regulieren. Ist das Wasser auch vulkanischen Kräften zu verdanken, so ist es dennoch nicht heiß oder warm. In kalten Jahreszeiten friert es zu. Eine dicke Eisschicht erlaubt Winterspiele und dem Mutigen, ein Maar trockenen Fußes zu überqueren. Doch manch

Drei Dauner Maare

einer erlebte dabei schon Schrecken, die unvergesslich Mark und Bein durchdrangen. Spannungen des Eises lösen sich und entladen sich krachend, und um ein Vielfaches verstärkt dringt der Knall aus den Tiefen des Maarbodens nach oben. »Das Maar brüllt«, trösten Kundige den Zitternden. In warmen Sommern erreicht das Wasser zwar nicht die Wärmegrade südlicher Badestrände, dennoch rühmen alle Badenden die Sanftheit und Milde des seit Jahrtausenden abgestandenen weichen Wassers ohne jedwede Zusätze.

 

Dürre Maar

Dürre Maar aus der Vogelperspektive

 

Kleine, zauberhafte Maare sind das Holzmaar und das Immerather Maar. Diese laubwaldumstandenen Seen bieten besonders im Sommer herrliche Anblicke, wenn ganze Teppiche blühender Seerosen die Wasseroberflächen zieren, wenn Schilf und Binsen ihre Halme im warmen Sommerwind wiegen. Diese nicht sehr tiefen Seen erwärmen sich schnell und bieten ideale Voraussetzungen für das Gedeihen einer zahl- und artenreichen Flora, die vielen Tieren Nahrung, Schutz und Unterschlupf bietet. Die Hauptnahrung der Fische, das Plankton, entwickelt sich in ihnen schneller und besser. So sind sie mit ihren Hechten, Schleien, Barschen, Aalen und Karpfen zu Kleinparadiesen geworden und werden es, unter Naturschutz stehend, auch in Zukunft bleiben. Dennoch sind die Jahre des Holzmaares gezählt, dessen Abfluss dereinst die Getrieberäder einer Holzmühle knarrend in Bewegung setzte, denn dieser See ist am Verlanden. Die Vielzahl der Wasserpflanzen und des Schilfgürtels, der den flachen Uferstreifen umzieht, tragen durch ihr Absterben dazu bei, dass die Schlammschicht auf dem Maarboden ständig zunimmt und das Maar selbst vom Rande zuwächst. Noch einige Jahrhunderte, und es wird so sein wie sein nordwestlicher Nachbar hinter dem lichten Buchenwald, das Dürre Maar, jenes seltene Naturdenkmal im Reigen all der vulkanischen Besonderheiten des Kreises Daun. Umringt von einem Kranz grüner Wiesen und fruchtbarer Felder liegt jenes ehemalige Maar nun schon nahezu gänzlich verlandet und vertont, und macht seinem Namen, der von Dürre und Austrocknung kündet, alle Ehre. Nur an der westlichsten Stelle ist noch ein verschwindend geringer Rest Maar zu sehen, schwarz, still und unheimlich, zwischen Büschen und verkrüppelten Birken, jedweden Blick in seine Tiefe verwehrend. Man kann dieses Maar betreten, auch wenn seltsame Gefühle aufsteigen, da der Boden schwankt und bei jedem Schritt und Tritt fettige, morastige Brühe an den Füßen hochleckt. Meterdick ist der feuchte Pflanzenteppich, bei Biologen und Naturfreunden bekannt und beliebt. Die seltensten Pflanzen und Tiere geben sich ein Stelldichein. Unscheinbar klein der Sonnentau, eine heimtückische Falle für Kleininsekten. Rote, bewegliche, wie Blüten aussehende Verdauungsdrüsen bedecken seine Blätter, locken mit süßlichen Tropfchen. Wehe dem Tierchen, das hungergetrieben den vermeintlicher Nektar kosten möchte, es klebt fest, wird durch Verdauungssäfte aufgelöst und von der Pflanze aufgesogen. Hübsch, flockig weiß und mollig weich hingegen die Blüten des Wollgrases, blutigrot das Sumpfblutauge und wie Korallen leuchten im Herbst die roten Früchte der Moosbeere. Dieses Dürre Maar ist ein Juwel in der Eifellandschaft, und es sollte jedem Herzensanliegen sein, es zu achten und zu schützen. Mehrere solcher unter Naturschutz stehende Kleinode zieren die herbe Vulkanlandschaft, tragen mehr oder weniger bekannte und volkstümliche Namen, wie das Strohner oder Hetschenmäärchen.

Gillenfeld ist stolz auf sein Pulvermaar mit dem klaren, ruhigen tiefblauen Wasser. Es ist der Kratersee mit den Superlativen. Das jüngste Maar, erst achttausend Jahre jung; das geometrisch vollkommenste Maar, mit siebenhundert Metern nahezu kreisrund; mit vierundsiebzig Metern wohl auch der tiefste See nördlich der Alpen. Seinen Namen leitet es ab von der feinkörnigen, fast pulverartigen Lavaasche. Viele Besucher lockt dessen reines Wasser zum Bade- und Bootsbetrieb, der lichte Buchenwald zum Wandern und Spazierengehen und das Lavagestein zum Suchen und Sammeln von Mineralien.

Nach einem etwas beschwerlichen Aufstieg am östlichen Steilhang des Lieserbaches bietet sich dem Rastenden und würzigen, mineralhaltgen Sauerstoff Atmenden in einem tiefen Trichter, umgeben von steilen Waldhängen, der Anblick des Gemündener Maares, des kleinsten der sogenannten »Drei Dauner Maare«, fast vierzig Meter tief und über dreihundert Meter im Durchmesser. Aber mit seinem lebendigen Bade- und Bootsbetrieb schlägt es jeden Besucher in seinen Bann und vermittelt heitere und unbeschwerte Stimmung. Selbst der "Schlachtenlenker« Moltke, dessen Relief auf basaltenem Monument Andenken fordert, erwähnte es lobend in seinen Briefen.

In einem offenen Kessel, von Ginster, Heide und fruchtbaren Feldern umgeben, liegt das rund zwanzig Meter tiefe, aber von seinem Umfang her das größte der Dauner Maare, das Schalken mehren er Maar. Den Namen hat es von dem gleichnamigen Dorf, das sich malerisch an seinem Ufer ausdehnt und trotz der Touristen ströme noch viel von ehemaliger rein dörflichen Idylle erahnen lässt. Ein Doppelmaar war hier ursprünglich zu verschiedenen Zeiten entstanden. Das ältere lässt sich noch gut im Osten als der versumpfte, mit Auswurfmassen des jüngeren Maares gefüllte Teil erkennen. Im Gegensatz zu den meisten Kraterseen hat es Zuflüsse und einen Abfluss, den man regulieren und dadurch den Wasserspiegel beeinflussen kann. Dieses Maar steht hoch in der Gunst der Erholungssuchenden, die heutigen Luxus und Wohlstand genießen und sich nur ungern jener Eifeler Not- und Hungerjahre erinnern, von denen jenes mächtige hölzerne Kreuz auf der Berg spitze kündet.

Der Inbegriff des Kreises Daun ist aber das Weinfelder Maar, der bekannteste und romantischste See inmitten des vulkanischen Kegelkranzes im Zauberland Vulkaneifel. Es ist am meisten fotografiert, gemalt, beschrieben und bedichtet worden und das mit Recht. Nicht nur der Dichterin Clara Viebig bot es Stoff für eine tragische Novelle. Breit, still, ja andächtig liegt es im Maarkessel, an dessen schwarzen Rändern noch deutlich sein vulkanischer Ursprung abzulesen ist. Ginster taucht es im Frühsommer in leuchtendes Gold, vereinigt in sich den Namen »Eifelgold«, verströmt sich in herbsüßlichem Duft. Mageres Gestrüpp, dorniges Gesträuch und nussreiche Hecken umkränzen seine Ufer. Kein Zufluss, kein Abfluss stört das Wasser, nur Regen und Verdunstung regulieren seinen Wasserspiegel, der sich mehr als fünfzig Meter über dem verstopften Auswurfloch des Kraters in leichten Wellen kräuselt. Zu welcher Tages- oder Jahreszeit man dieses Maar auch betrachtet, stets vermittelt es Eindrücke, die mit melancholisch, schwermütig oder voll von stiller Trauer beschrieben werden. Unwillkürlich verlangsamt sich der Schritt, verstummt allzu lautes Gerede, und ernstere Gedanken befallen den Betrachter. Im Inneren des mit allen Sinnen genießenden Naturfreundes werden Gefühle wach, die auszudrücken wahrlich Mühe machen. Dieses Maar hat zwei Namen. Weinfelder Maar wegen des vor Jahrhunderten untergegangenen Dorfes gleichen Namens, von dessen Existenz lediglich noch eine kleine Wallfahrtskapelle, errichtet auf den Fundamenten einer römischen Villa, inmitten eines Dorffriedhofes am nördlichen Rand des Maares kündet. Den zweiten volkstümlichen Namen, Totenmaar, wird es vermutlich von der Tatsache haben, dass der ehemalige Ort Weinfeld zur Gänze Opfer einer Pestseuche wurde, vielleicht auch wegen des düsteren Kapellchens voll schwermütiger Poesie, in dessen Inneren flackernde Kerzen von den zur Schmerzhaften Muttergottes Bittenden künden, oder wegen des uralten Friedhofes, auf dem noch heute die Verstorbenen des weit entfernten Dorfes Schalke n m ehre n zur letzten Ruhe gebettet werden. Vielleicht gründet der Name Totenmaar auch auf Sagen, die sich gerade um jenes Maar ranken und von Tod und Vergänglichkeit, von Verzweiflung und Gottes rächendem Strafgericht künden. Keineswegs stimmen aber Gerüchte, dass im Maar tödliche Strudel seien, die jeden Schwimmer auf den Grund ziehen, oder dass im Maar kein Leben existiere, denn es sei tot. Schwimmen, Luft- und Sonnenbaden sowie Bootsbetrieb sind zwar aus Naturschutzgründen verboten, aber Strudel sind keine vorhanden. Und von »lebendigem" Wasser und zahlreichem Tierleben in und auf ihm mag ein jeder sich selbst überzeugen beim Betrachten der vielen Wasservögel oder beim Wellenschlag luft- und beutesuchender Fische.

Mächtige Eschen raunen, schlanke Bäume schwanken im Wind, schwere Wolken jagen über vulkanische Kuppen, flackerndes Schattenspiel wechselt Farben und eine gezwitscherte Symphonie dringt aus unzähligen Vogelkehlen. Würziger Duft verschenkt sich aus einem Meer von Blüten in einer Farbpalette sondergleichen, gleißendes Sonnenlicht lässt warmen Atem vulkanischen Gesteins steile Kraterschlote emporsteigen, zarter Glockenklang dringt von ferne her, herbstliche Nebel füllen wabernd dunkle Mulden, glitzernder Schnee bedeckt die Hänge, aus denen Köpfe fahl verdorrten Grases ragen, eine Stille, die man hören kann. Kleine Städte, ruhige und doch so lebendige Dörfer - und inmitten dieser bizarr-herben Vulkaneifel künden die Maare von vergangener Feuerkraft, wie Tränen in einer großen Schale, wie Augen der Eifel.

 

 

Pulvermaar bei Gillenfeld

Immerather Maar