Andre Paquet

Norbert Kreusch. Eupen

Ein schwerer, eiserner Schiffsanker sowie ein mittelgroßer Lüfter im Vorgarten eines zu heutigen Wohnzwecken umgestalteten kleinen Ardenner Gehöftes im Zentrum des idyllischen Dorfchen Ligneuville an der Amel, das schon zeigt den Zwiespalt auf, dem das Wesen von Andre Paquet unterlegen ist. Im Grunde genommen dieser Eifel-Ardennen Region von jeher verwachsen; sein Vater, lange Jahre Volksschullehrer in einem kleinen Eifeldorf, schrieb drei Bücher mit dem Titel •.Heimaterde-, zog ihn das andere Element, die unendliche Weite des Meeres mitsamt den ihr anhaftenden Eigenschaften, der Sehnsucht nach Ferne und Abenteuer, immer wieder in seinen Bann.

Und wenn der nun alternde Maler, der diese Abenteuer auf See heute nur mehr in der Erinnerung oder in seinen Träumen erlebt, fast ausschließlich Marinebilder malt und seine Ausstellungen am liebsten in Meeres- oder Hafennähe abhält, so sieht man, wie sehr er noch von diesem Fernweh beseelt ist. Dennoch sollten wir hier eher den Eifelmaler sehen und seine Heimatbilder betrachten und nur am Rande - der Vollständigkeit halber - einige der Meeresbilder streifen, um dem Gesamtbild des Künstlers gerecht zu werden. Denn noch ein anderer Zwiespalt plagt ihn. Es ist der Drang, ungegenständlich zu malen und demgegenüber die Tatsache, das Gegenständliche zu lieben und es sogar zu benötigen, um einen Ansatz für seine Werke zu haben. So ist es gerade die Lösung dieses Zwiespalts, welche die Eigenart des Künstlers Andre Paquet ausmacht.

Er löst das dargestellte Objekt dermaßen auf, dass nur mehr große Flächen der aufgetragenen Ölfarben gegeneinanderstossen, wohinter oder wovor dann, meist nur ansatzweise, das Bildthema erscheint.

Die Töne dieser Farbflächen sind dabei derart geschmackvoll und gekonnt ausgewählt, dass das farbliche Nebeneinander den ganzen Reiz der Gemälde ausmacht. Aus den meist hellen, oft sogar schmutzig wirkenden Tönen des Bildgrundes, treten als Akzent klare, unverwaschene Farben kräftig hervor. Vor Jahren fand im Kulturhaus von Burg-Reuland eine Ausstellung zusammen mit dem kürzlich verstorbenen Eupener Architekten und Aquarellmaler Willy Emonts statt. Ohne sich dessen vielleicht bewusst zu sein, machte der Veranstalter dieser Ausstellung eine Annäherung, die auf den ersten Blick nicht augenscheinlich ist.

Beide Maler nämlich zeigen ein außerordentliches Einfühlungsvermögen für gebaute Volumen, was - wenn für einen Architekten fast normal - für Andre Paquet doch eher verwunderlich ist.

So zeigt zum Beispiel bereits das Bild des Dorfes "Bracht« Paquet's große Feinfühligkeit für gebaute Architektur. Die Ineinanderverschachtelung der Volumen, die Ausgewogenheit der Proportionen sind an sich schon eine Hymne an das Können derjenigen, die in der Vergangenheit in der Eifel diese gebauten Vorbilder für seine Gemälde geschaffen haben. Aber auch die Darstellung der dörflichen Einheit, die Idealisierung der Eifeldörfer mit ihren Häusern um die Kirche herum, quasi ohne die heute überall anzutreffende Zersiedlung und Verschandelung der Baukörper, tragen sicherlich auch einen Hauch von Wehmut in sich, verbunden mit der Mahnung, das hier Dargestellte nicht weiter zu zerstören. Im vorderen Bildgrund breiten sich bereits wuchernde Farbflächen aus, die die noch klassisch anmutende Dorfansicht zu überdecken drohen.

Das ebenfalls schon etwas ältere Bild »Hof im Winter« zeigt ein Gehöft inmitten von Wiesen, das Ganze unter einer dünnen leichten Schneedecke. Der schwere, tiefliegende Winterhimmel wird durch eine große braune, bedrohliche Farbfläche symbolisiert, vielleicht ein rein optisch etwas störendes Element in diesem illustren Farbenspiel. Die Fassaden der der Große nach gestaffelten schönen alten Volumen in Kontrast mit dem modernen hohen Siloturm in elegantem Schwarz, die Kälte des Schnees gedämpft durch ein sicher durch den braunen Himmel bewirktes Beige, symbolhaft im Bildvordergrund ein schneebedeckter Strauch und ein Zaun sowie auch hier bereits einige zaghafte Flächen aufgelösten Vordergrundes.

Ein kleines Bild mit dem Titel »Ardennen« zeigt die weißen Volumen des Dorfes winzig klein hinter in verschiedenen Rot- und Brauntönen aufgelöstem Vordergrund unter grauem Himmel.

Es ist nicht die heimische Heimat, die hier wiedergegeben wird, sondern eher die Verlorenheit der menschlichen Existenz, symbolisiert durch die Kleinheit der Häuschen in dieser kargen, bedrohlichen, gnadenlosen Landschaft. Im Jahre 1993 wurde Andre Paquet in Prüm mit dem Kaiser-Lothar-Preis ausgezeichnet. Die zwei zu diesem Anlass prämierten Bilder stellen die Weiterführung der eben erwähnten Dorfansichten dar, indem die Elemente des Dorfes jetzt nurmehr sporadisch, sprich versatzstückhaft auftauchen, der Rest der Fläche allerdings derart aufgeteilt wurde, das die bisher gekannte Ruhe wohl endgültig Vergangenheit geworden ist.

Dabei haben die übriggebliebenen Volumen, so reduziert sie auch wurden, die althergebrachte Schönheit der Formen beibehalten. Die Farbflächen selbst aber haben ihre Großflächigkeit verloren und wurden völlig zerstückelt, nervös, als habe der Maler Ängste, eine seiner ihm liebgewonnenen Farben nicht verwenden zu können.

Ein weiteres beliebtes Thema bei Andre Paquet neben den beiden großen der Eifel- und Seelandschaften sind Schafe. Auch wenn das Hüten der Tiere in großen Herden in unserer Gegend schon lange nicht mehr üblich ist, so sind sie dem Maler Thema, Erinnerung an in anderweitiger wilder ländlicher Gegend verbrachte Tage, Sehnsucht danach? Oder nur sensible Farbtupfer in ebenso sensiblem farbigem Hintergrund? Unzählige, beliebig multiplizierbare knäuelförmige Tupfer in Kontrast mit dem etwas anderen Umriss des Hirten. Neben den klassischen Marinebildern, wie in etwa Schiffe im Sturm auf hoher See oder vor Anker im Hafen, bei denen die Farben denen der Realität mehr oder minder nahe kommen, das Bildformat fast perfekt in den Ausmaßen, die Ausführung der Malerei ebenso, gibt es wiederum welche, deren Töne überhaupt keine Farben der See sind, beispielsweise leuchtendes Gelb neben Schwarz, ein Marinebild als Vorwand also.

Dann ergibt der Versuch der totalen Auflösung des Gegenständlichen das Nebeneinander sensibler Farbflächen in den gewohnten Tönen. Was im vorigen Bild noch die Farben des Marinebildes waren, steht dann als Farbspiel alleine da.

 

Das Dorf »Bracht«, Öl auf Leinwand.   Hof im Winter.

 

Dies zeugt davon, dass die Schiffe eigentlich nur Vorwand waren, die Farben in derartiger Kombination nebeneinander zusetzen oder umgekehrt.

Bemerkenswert ist dabei, dass die Entwicklung zum Ungegenständlichen nicht unbedingt geradlinig verläuft. Die reine Ungegenständlichkeit bleibt sowieso die Ausnahme, ein Versuch, ein Experiment.

Ebenso wie bei den Landschaftsbildern wird die Technik der farblichen Auflösung in geometrische Flächen auch bei den Marinebildern verwandt, die oft dargestellten Kutter vor Anker im Hafen in farblicher Auflösung. Die natürlichen Farben, das helle Blau des Himmels, das Dunkel des Schiffes und der Mole nebeneinandergestellt.

Andre Paquet wird sicherlich auch weiterhin der bivalente Maler bleiben, der einmal so, ein andermal so, je nach Stimmung, sein Sujet auswählt.

Vor allem aber wird er der Maler der schönen Farbnuancen bleiben, der den neugierig erwartenden Betrachter bei jedem seiner Werke immer aufs Neue überrascht. Ich hoffe, ab jetzt gehört auch der Leser dieser Zeilen und vor allem der Betrachter dieser wenigen Abbildungen dazu.