Grenzenloses Wandern in Eifel und Ardennen

Karl Thormann, Gerolstein

Politische Grenzen, wie sie als Folge der Neuordnung Europas auf dem Wiener Kongress und nach 1918 auch in der Region von Eitel und Ardennen gezogen wurden, haben selten die Zustimmung der betroffenen Bevölkerung gefunden.

Heimatverbundene Menschen haben derartige Grenzziehungen eher als Herausforderung empfunden und als Hindernis begriffen, das es zu überwinden galt.

Der Schriftsteller Ludwig Mathar (1882-1958) gab dieser Empfindung und Einstellung bei der Formulierung einer Erlebniswanderung im Hohen Venn Ausdruck, als er schrieb: «Was kümmern mich die neuen Grenzsteine. Das ist meine Heimat! Kein Grenzstein kann sie mir rauben!« Und im Anblick von Zollhäusern an einer Grenzstraße formulierte er weiter: »Bah! Das ist die Mauer der Menschen, die das Venn in Deutschland und Belgien zerschneiden will. Nein, hüben und drüben ist meine Heimat.« Mathars Bekenntnis mit seiner Höherbewertung des Lebensraumes »Heimat« vor einer nationalen Zuordnung mag manchem heute zu extrem erscheinen. Vielleicht ist es aber auch, ein Jahr nach den laut Schengener Abkommen entfallenen Grenzkontrollen, der richtige Ansatzpunkt für die Bevölkerung beiderseits der politischen Grenzen, sich im Alltag stärker als bisher bei der Schaffung eines gemeinsamen Europas mit einzubringen.

Vom Schmuggelpfad zum Wanderweg

Schon einmal - nach 1945 - war entlang der Grenzen in der Region von Eifel und Ardennen in den 50er Jahren in Teilen der Bevölkerung eine Bewegung »pro« Europa in Gang gekommen. Bevor es aber dazu kommen konnte, hatte sich von der kriegszerstörten Eifel her entlang der grünen Grenze ein Schmuggeltourismus auf der Basis von Zigaretten-, Butter- und Kaffeewährung entwickelt, mit dessen Hilfe die erste Phase des Wiederaufbaues der durch

den Kriegsverlauf an der Westgrenze zerstörten Ortschaften möglich wurde. Dabei kamen den Bewohnern der Grenzgebiete die besseren Orts- und Geländekenntnisse zu Hilfe. Den Nacht für Nacht bei illegalen Grenzübertritten sowohl von Einzelpersonen als auch von ganzen Dorfgemeinschaften und Schmugglergruppen benutzten zahlreichen grenzüberschreitenden Pfaden an schwer zugänglichen Stellen hatten die mit der Schmuggelbekämpfung beauftragten Zöllner kaum eine wirksame Überwachung entgegenzusetzen. Mancher dieser Schmuggelpfade blieb, nachdem sich die Verhältnisse mit der Währungsreform von 1948 allmählich zu normalisieren begannen, weiter im Gebrauch, sei es nun zu heimlichen Kirmes- und Verwandtenbesuchen oder auch nur zum Wandern in den Landschaften jenseits der Grenzen.

Wallonische Trachtengruppe beim Eifel-Ardennen-Tag 1957 in Prüm

Ein Weg der kleinen Schritte

Mit der Wiederbegründung des Eifelvereins für die gesamte Eifel setzte in den Orts- und Bezirksgruppen entlang der Grenzen zu den Benelux-Ländern von Aachen bis Trier eine rege ehrenamtliche Tätigkeit mit Schwerpunkten grenzüberschreitender Wanderveranstaltungen und Kontaktaufnahmen zu folkloristischen Gruppenein.

In oft mühevoller Kleinarbeit mit Hilfe lokaler und regionaler Behörden wurden Wanderwegenetze weiterentwickelt, die auch grenzüberschreitende Ansätze hatten. In ihnen kam immer spürbarer der in Teilen der Öffentlichkeit beiderseits der Grenzen vorhandene Wille zum Ausdruck, mit dem Blick nach vorn Trennendes zu überwinden und Gemeinsames neu zu entdecken.

Gründung der Europäischen Vereinigung

Der Wille zu mehr Gemeinsamkeit fand dann 1956 seinen Niederschlag in der Gründung der Europäischen Vereinigung für Eifel und Ardennen (EVEA). Eine Gruppe von Persönlichkeiten aus dem Spektrum von Politik, Verwaltung und Vereinsleben in Belgien, Frankreich, Luxemburg und der Bundesrepublik traf sich im Eifelhaus in Kronenburg, um die Vereinigung aus

Wanderroute im Dreiländereck bei Ouren

In den 60er Jahren: Vogelfang im Höhengebiet an der Wasserscheide zwischen Amel und Our

der Taufe zu heben. Den Gründervätern schwebte vor Augen, in der Bevölkerung der Region eine breite Basis für die Idee des Vereinigten Europa zu legen und zu fördern, u. a. auch durch die Entwicklung eines grenzüberschreitenden Wandertourismus. Georges Wagner, in Clerf lebender luxemburgischer Mitbegründer, artikulierte die Gründungsidee mit den Worten, das Vereinigte Europa müsse neben seinem politischen und wirtschaftlichen Zusammenschluss ein «Europa der Bürger« und ein »Europa der Herzen« werden. In keiner europäischen Region seien die Voraussetzungen dafür geeigneter als in der von Eifel und Ardennen.

Erster Rundwanderweg durch Eifel und Ardennen

In der Erkenntnis, dass die regionalen Gemeinsamkeiten am wirksamsten mit dem Kennenlernen der Landschaft, ihrer Erd- und Siedlungsgeschichte und ihrer Natur und Kultur möglich sei, wurden zahlreiche Maßnahmen für

 

Der hochgestellte Schlagbaum an der »Grünen Grenze" über dem Ourtal zwischen Manderfeld/B und Roth (bei Prüm) symbolisiert die heute offene Grenze

einen grenzüberschreitenden Wander- und Bildungstourismus initiiert. 1957, im Anschluss an den Kongress der EVEA in Prüm, wurde ein erster internationaler Rundwanderweg durch das grüne Herz Europas gemeinsam von Wanderern aus den vier Ländern eröffnet.

Der markierte Vierländerweg verläuft in der Eifel über die Hauptwanderwege (HWW) des Eifelvereins von Echternach über Bitburg, Kyllburg, Manderscheid; (durch den Kreis Daun über Gillenfeld, Daun, Kelberg) weiter nach Nürburg, Adenau, Blankenheim, Schleiden nach Monschau; von dort über die deutsch-belgische Grenze nach Eupen, auf Wanderwegen des belgischen Jugendherbergswerkes durch das Hohe Venn nach Malmedy, Stavelot, Remouchamps, Houffalize La Röche, St. Hubert, Hastiere; in den französischen Ardennen bis nach Montherme an der Maas, durch das Tal der Semois zurück nach Arlon; von dort über Wiltz, Clerf, Hosingen, Vianden an den Ausgangspunkt Echternach.

Hauptwanderwege (HWW) zur belgischen und luxemburgischen Grenze

Eine Reihe der von Ost nach West durch die Eifel führenden Hauptwanderwege, so der HWW

10 (Krönungsweg) von Bonn nach Aachen, der HWW 11 (Ahr-Venn-Weg) von Sinzig nach Monschau, der HWW 12 (Rhein-Rureifel-Weg) von Brohl nach Monschau, der HWW 15 (Karolingerweg) von Cochem nach Prüm (durch den Kreis Daun auf dem Teilstück von Schönbach über Darscheid, Daun, Neroth, Mürlenbach, Weißenseifen) und der HWW 16 (Mosel-Our-Weg) von Alf nach Vianden finden in Grenznähe grenzüberschreitenden Anschluss über örtliche und regionale Wanderwege in Ostbelgien und Luxemburg und über die europäischen Fernwanderwege E 2 (Bergen op Zoom/NL - Nizza/F) und E 3 (Atlantik - Böhmerwald) Weiterführung in alle europäischen Wanderlandschaften.

Grenzüberschreitende Weit- und Fernwanderwege

Die genannten europäischen Fernwanderwege E 2 und E 3 werden in ihren wallonisch/luxemburgischen Streckenabschnitten im Ourtal berührt und führen von Ouren über St. Vith, Malmedy, Spa nach Lüttich beziehungsweise über Clerf, Martelange, Florenville, Bouillon, Sorendal ins Maastal.

Der Rhein-Maas-Weitwanderweg, mit der »weißen Welle« markiert, verbindet auf einer Länge von etwas mehr als 500 km Siedlungen und Landschaften zwischen Rhein und Maas. Dabei überquert er drei nationale Grenzen. Anlässlich des Jahreskongresses der EVEA 1982 in Gerolstein wurde er in einer Sternwanderung von den Anfangs- und Endpunkten Montherme und Andernach erstmals begangen und durchgehend markiert. Von Andernach a. Rh. aus verläuft er auf dem HWW 13 (Vulkanweg) und dabei durch den Kreis Daun über Gillenfeld (Manderscheid), Schutz, Üdersdorf, Schalkenmehren, Daun, Hinterweiler, Berlingen, Pelm nach Gerolstein und von hier aus weiter auf dem HWW 4 (Josef-Schramm-Weg) über Büscheich, Michelbach, Birresborn bis Mürlenbach, um von dort aus auf dem HWW 15 (Karolingerweg) über Weißenseifen Prüm zu erreichen.

Die weiteren Etappen durch die Westeifel sind die Schneifel, Buchet, Bleialf, Habscheid, Kesfeld, Großkampenberg, Lützkampen und das Ourtal am Dreiländereck B/D/L mit den Europa-Steinen. Tagesetappen in Luxemburg sind Clerf und Wiltz, in Belgien Bastogne, St. Hubert, Carlsbourg und Bouillon, in Frankreich das Semoistal mit Sorendal und dem Endziel Montherme an der Mündung der Semois in die Maas.

Die »Grüne Straße« Eifel Ardennen

Der Bildungstourismus bekam durch die Schaffung der »Grünen Straße« für Autotouristen einen wesentlichen Impuls, der von der Tourismuskommission der EVEA ausging. Die Straße ist gekennzeichnet mit Schildern, die eine zwischen grünen Tannen verlaufende Straße und die Aufschrift «Ardennen Eifel« oder »Ardennes Eifel« zeigen. Die Route beginnt in Rethel/F, verläuft über Le Chesne, Sedan nach Bouillon/B, Florenville, Abtei Orval, Haby-La-Neuve nach Esch an der Sauer/L, Wiltz, Clerf, Hosingen, Diekirch, Vianden, weiter durch die Eifel über Bitburg, Kyllburg, Kloster Himmerod, Manderscheid, Daun, Rengen, Beinhausen,

Wanderfreunde aus der Eifel-Ardennen-Region am zentralen Stein des Europa-Denkmals Ouren

Kelberg, Nürburgring, Kempenich, Ramersbach, Bad Neuenahr-Ahrweiler nach Sinzig am Rhein.

Grenzüberschreitende Naturparks

Anfang Juni 1994 wurde in einer Feierstunde im Schloss von Clerf der Gründung des ersten internationalen Naturparks gedacht. Im Staatsvertrag zwischen Rheinland-Pfalz und Luxemburg konnte vor 30 Jahren dieser Deutsch-Luxemburgische Naturpark als grenzüberschreitende gemeinsame Einrichtung verbrieft und besiegelt werden.

Wie der langjährige deutsche Präsident Konrad Schubach ausführte, verkörpert der Vertrag eine Rechtsgrundlage, in der europäisches Denken seinen Niederschlag gefunden hat. Die Vertragspartner verpflichten sich, die Schönheit und Eigenart der Landschaft mit den Mitteln des Naturschutzes und der Landespflege zu schützen und zu erhalten und gleichzeitig eine naturbezogene Erholungsfunktion zu sichern.

Der Bau von sieben Wanderbrücken an Sauer und Our von Ralingen bis Ouren am Europa-Denkmal, die von Beginn an ohne Grenzkontrollen begangen werden konnten, stellt sich bis heute als der wohl wichtigste Anstoß zur Entwicklung des grenzüberschreitenden Wander- und Erholungstourismus dar. Eine ähnliche Bewertung darf auch dem Jahre später gegründeten Deutsch-Belgischen Naturpark testiert werden. Maßnahmen der Steuerung des Besucherstromes im Hohen Venn zum Zweck der Bewahrung der Natur in diesem einmaligen Hochmoor haben Priorität. In Zusammenarbeit mit Vereinigungen des Natur- und Vogelschutzes auf belgischer wie auf deutscher Seite konnte der Deutsch-Belgische Naturpark auch eine Eindämmung des herbstlichen Vogelfanges im Hohengebiet an der Wasserscheide zwischen Amel, Our und Kyll erreichen.

Zusammenarbeit ist gefragt

Die Landschaft der Region von Eifel und Ardennen besitzt in ihrer Ursprünglichkeit ein großes Erholungspotential. Um es zu nutzen, ist gemeinsames Planen und Handeln beiderseits der Grenzen eine Notwendigkeit, die von den zuständigen Verkehrsämtern und Verkehrsvereinen erkannt ist.

Dazu schreibt der Haupt werbe wart des Eifelvereins in »Die Eifel«, Heft 3/94: >>Die grenznahen Verkehrs v ereine aus dem Bereich Südeifel, also Vulkaneifel, Prümer Land und Bitburg und Nordeifel, nämlich aus den Kreisen Euskirchen und Aachen, sowie aus der belgischen Eifel von St. Vith bis Malmedy haben offenbar den besseren Durch- und Überblick. Sie arbeiten zusammen: ... übrigens gemeinsam mit dem Eifelverein, der sich mit seinen Möglichkeiten... zur Verfügung stellt.«

 

Quellen:

Vaters Land und Muttors Erde - Verlag des Eifelvereins

Die Eifel - Zeitschrift des Eifelvereins

Eifelführer - Eifelverein/36. Auflage

Kartenwerke des Eifelvereins

Europäische Fernwanderwege - Europäische  Wandervereinigung

 

Bezugsquellen für Wanderkarten:

Verlag des Eifelvereins. Postfach 100532, 52305 Düren

Verkehrsverein »Erholungsgebiet Oberes Kylltal<<  54589 Stadtkyll

Verkehrsamt/Kurverwaltung Daun, 54550 Daun

Verkehrsamt der VG Gerolstein, 54568 Gerolstein

Verkehrsamt der VG Prüm, 54595 Prüm

in Belgien: Fremdenverkehrsamt der Ostkantone, B-4780 St Vith,

Groute Routepaden, Van Stralenstraat 40, B-2008 Antwerpen

in Luxemburg: Fremdenverkehrsverein L-9714 Clervaux/L