Vor 25 Jahren:

Auflösung oder Weiterbestand des

Kreises Daun?

Helmut Klassmann, Daun

Dies war eine von vielen Fragen, die bei der Verwaltungsreform in Rheinland-Pfalz gelöst werden musste.

Nach dem Zweiten Weltkrieg und einem erfolgreichen Wiederaufbau begann Mitte der 60er Jahre eine bundesweite Diskussion über eine Neuordnung der Verwaltung. Die Verwaltungsgrenzen stammten noch aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Tiefgreifende Veränderungen im gesellschaftlichen Leben machten ein Umdenken erforderlich und durchgreifende Maßnahmen territorialer und funktionaler Verwaltungsreformen wurden immer lauter gefordert. In Rheinland-Pfalz war eine Verwaltungsneuordnung zusätzlich dringend erforderlich, da dieses Bundesland 1946 von der französischen Besatzung s m acht aus Landesteilen mit ganz unterschiedlichen Verwaltungstraditionen (Preußen. Bayern und Hessen) neu gebildet worden war.

Rheinland-Pfalz spielte in der Bundesrepublik Deutschland bei der Verwaltungsreform eine gewisse "Vorreiterrolle", die durch Einbringung der Regierungsvorlage über die Verwaltungsreform am 11. 1. 1965 eingeleitet wurde. Viele Jahre heftiger Auseinandersetzungen, Demonstrationen und Prozesse prägten das politische Geschehen in unserem Land. In diesem Beitrag wird nur auf die Kreisreform eingegangen und nicht auf die Reform der Mittelstufe durch Verringerung der Zahl der Bezirksregierungen von fünf auf drei. Die Eingemeindung von Gemeinden und die Bildung der Verbandsgemeinden fallen ebenso in diese Zeit, wie auch die Neuordnung der Gerichtsbezirke und eine umfassende Neueinteilung der Aufgabenzuständigkeit.

Die Landkreisreform gestaltete sich äußerst schwierig. Daher wurde in einem ersten Schritt am 28. 3. 1969 die Zahl der Landkreise von 39 auf 23 reduziert. Der Raum der nordwestlichen

Eifel und der Raum Koblenz/Neuwieder Becken wurden, als zu diesem Zeitpunkt noch nicht »entscheidungsreif«. zunächst aus der Regelung des dritten Vereinfachungsgesetzes ausgeklammert.

Für die territoriale Neuordnung der Eifelkreise Prüm, Bitburg und Daun sowie des Raumes Koblenz-Neuwied wurde ein Gutachten bei der Wirtschaftsberatungs-AG - Wibera - in Auftrag gegeben. Es wurde im November 1969 fertig und der Öffentlichkeit vorgestellt. Die wesentlichsten Ergebnisse des Wibera-Gutachtens lassen sich wie folgt zusammenfassen:.

Bei der Neuordnung der drei Eifel-Kreise Prüm, Bitburg und Daun musste zunächst davon ausgegangen werden, dass keiner der drei Kreise aufgrund seiner Einwohnerzahl von 39000, 57 000 beziehungsweise 43 000 auch nur annähernd eine Größenordnung aufwies, die man nach den damaligen wissenschaftlichen Erkenntnissen auch in Ausnahmefällen voraussetzen musste.

Die geringe Größe der drei Eifel-Kreise ließ zunächst die Überlegung aufkommen, sie zu einem Kreis mit etwa 140 000 Einwohnern und einer Fläche von rund 2 300 km" zusammenzufassen. Bei genauer Untersuchung der verschiedenen in diesen Flächengebieten möglichen Gliederungen schied eine völlige Zusammenfassung dieses Großraumes zu einem Landkreis aus, da sich ein solches Gebilde wegen der grossflächigkeit der Landschaft, deren Topographie und der verkehrsmäßigen Situation nicht rechtfertigen ließ. Insbesondere die topographischen Verhältnisse wirkten sich bei Mittelgebirgskreisen so hinderlich aus, dass man nur in außergewöhnlichen Fällen und bei besonders gut ausgebauten Verkehrssystemen eine Größe von 1 500 krn überschreiten sollte.

Karte eines möglichen Landkreises Daun entsprechend dem Wibera-Gutachten

Ging man nun von der Forderung aus, dass möglichst wirtschaftlich geschlossene Teilräume an einer Entwicklungsachse und um ein oder mehrere Mittelzentren ein Kreisgebiet bilden sollten, so schied eine Zusammenfassung der Landkreise Prüm und Daun aus. Sie bildeten keinen einheitlichen Wirtschaftsraum. Es bestanden nur sehr unwesentliche West-Ost-Verflechtungen. Ihre Zusammenfassung hätte zu einem großflächigen Gebilde von sehr geringer Leistungsfähigkeit und ungenügenden regionalen Zusammenhängen bei wenig vorhandenen gemeinsamen planerischen Problemen geführt und der Kreis wäre bei rund 1 500 km2 von der Fläche her sehr groß gewesen bei nur 83 000 Einwohnern. Zudem hätte er die äußere Peripherie des Zentralraumes Trier gebildet, mit dem er noch wenig Beziehungen aufwies. Aus diesen Gründen musste auch der Gedanke, Gerolstein als Mittelpunkt eines nördlichen Eifelkreises zu wählen, fallengelassen werden. Er widersprach allen strukturellen- Kriterien einer Kreisbildung. Eine Angliederung des Landkreises Daun an den Landkreis Mayen schied -wollte man in dem jetzigen Raster der Kreisgliederung bleiben - ebenso aus landesplanerischen Erwägungen aus, weil das Schwergewicht des Landkreises Mayen zunehmend in das Rheintal verlagert worden wäre, und sich diese Entwicklung durch Vergrößerung des Kreises in Richtung Rhein verstärkt hätte. Dann bildete aber gerade der strukturschwache Eifelzentralraum um Daun ein Anhängsel, um dessen Förderung in einem solchen Gebilde man angesichts der Vitalität der Entwicklung im Rheintal Sorge haben musste. Die regional-planerisch und verwaltungspolitisch weitaus beste Lösung wäre eine Zusammenfassung der Landkreise Prüm und Bitburg sowie Daun und Wittlich zu zwei Landkreisen der Eifel gewesen. Man hätte hier einen eindeutigen verwaltungspolitischen Effekt in Richtung genügender Kreisgröße erreicht, andererseits die strukturellen Verflechtungen im Eifelraum berücksichtigt.

Da diese aber bei der bisherigen Gesetzgebung zugunsten anderer Zusammenhänge vernachlässigt worden waren, ließ sich unter Zusammenfassung aller Gesichtspunkte nur folgender Weg beschreiten: Die Landkreise Bitburg und Prüm sollten zusammengefasst werden. Dem Landkreis Daun sollte in seinen Randgebieten alle diejenigen Räume zugewiesen werden, bei denen ein stärkerer Einfluss von Daun noch spürbar war oder wo zumindest die Einzugsbereiche anderer Mittelzentren den Einzugsbereich von Daun nicht eindeutig überlagerten. Es mussten angesichts des Ausscheidens möglicher anderer Alternativen alle Maßnahmen durchgeführt werden, um den Landkreis Daun auf eine einigermaßen ansprechende Verwaltungsgröße anzuheben, obwohl eine Größe von 120 000 Einwohnern unter keinen Umständen erreicht werden konnte. Zu der Frage, ob nördliche Teile des Landkreises Bernkastel-Wittlich dem Landkreis Daun zugeordnet werden sollten, wurde folgendes gesagt: Mit der Entscheidung, die Landkreise Wittlich und Bernkastel zusammenzufassen, war der flächenmäßige Schwerpunkt dieses Kreises eindeutig tief nach Süden gerückt. Die Hereinnahme weiterer Gebiete des Hunsrücks hatte ohnehin die Lage von Wittlich periphär werden lassen. Der Kreissitz war aus der Sicht des Hunsrückraumes problematisch. Aus dieser Entscheidung heraus mußte man jedoch die Folgerung ziehen, dass, wo auch immer der Eifel zuzuordnende Räume mit dem Mittelzentrum Daun verbunden werden konnten, diese einem Eifelkreis angegliedert werden mussten, um möglichst weite Teile der mittleren Eifel mit einer Gebietskörperschaft zu verbinden. Die Beratungen im Landtag und in seinen Ausschüssen wurden zügig vorangetrieben. Am 8. 6.1970 legte Landrat Martin Urbanusals Leiter einer Delegation aus dem Landkreis Daun überzeugend die Auffassungen vor dem Ausschuss

Karte mit den Verwaltungskreisen von Rheinland-Pfalz vor der Verwaltungsreform (Stand 1. 1. 1967)

Karte der Verwaltungskreise von Rheinland-Pfalz nach der Verwaltungsreform (Stand einschl. 9. Landesgesetz)

für Verwaltungsreform des Landtages dar. Die Abgeordneten und die Minister der Landesregierung, allen voran Ministerpräsident Dr. Helmut Kohl, informierten in zahlreichen Veranstaltungen die Bürger vor Ort und versuchten, die gesetzten Ziele der Verwaltungsreform zu verdeutlichen. Bürgerinitiativen bildeten sich und in den Gemeinden und Kreisen war nur noch ein Thema im Gespräch, die Verwaltungsreform. »Besitzstandswahrung«, Erhalt des Verwaltungssitzes, Zugehörigkeit zu einem bestimmten Verwaltungsbezirk prägten die Diskussion. Im Raum Jünkerath-Stadtkyll lagen sehr unterschiedliche Reaktionen vor. Die Gemeinden des ehemaligen Amtes Lissendorf sprachen sich für eine weitere Zugehörigkeit zum Kreise Daun mit dem Sitz einer Verbandsgemeindeverwaltung in Jünkerath aus. Anders die Diskussion in Stadtkyll. Zunächst sprach man sich für einen Verbleib im Landkreis Prüm oder im Laufe der Beratungen für eine Zuordnung zum Landkreis Bitburg-Prüm aus. Schließlich wurde für eine Neubildung der Verbandsgemeinde »Oberes Kylltal« mit Sitz in Stadtkyll plädiert. Ende Juni 1970 war aus dem Raum Stadtkyll zu hören, dass vorrangig aus den bisherigen Ämtern Lissendorf und Stadtkyll eine Verbandsgemeinde gebildet werden sollte. Für die Bevölkerung dieses Raumes sei dieser Zusammenschluss von sehr großer Bedeutung und wichtiger als die Frage der Kreiszugehörigkeit. Selbstverständlich setzten sich die Vertreter des damaligen Landkreises Prüm für den Erhalt ihres Kreises einschließlich Stadtkyll ein. Auch wurde die Bildung eines Großkreises Westeifef mit den Landkreisen Bitburg, Daun und Prüm immer stärker in die Diskussion eingebracht, aber im Zuge der Beratungen letztendlich nicht weiter verfolgt. Maßgebend hierfür waren auch die im Wibera-Gutachten genannten Gründe, Die Bevölkerung des Kreises Mayen reagierte im November 1969 mit einer allgemeinen Empörung, als die Zielvorstellungen der Landesregierung zur Auflösung des Kreises bekannt wurden. Auch im ehemaligen Amt Kelberg stießen diese Zielvorstellungen auf wenig Verständnis. Zu dieser Zeit war folgende Lösung geplant: 21 Gemeinden des bisherigen Amtes Kelberg sollten mit drei Gemeinden der Verbandsgemeinde Lutzerath (Auderath, Filz, Ulmen-Meiserich) sowie fünf Gemeinden der Verbandsgemeinde Daun (Gefell, Hörschhausen, Katzwinkel, Schönbach, Utzerath) und einer Gemeinde der Verbandsgemeinde Gillenfeld (Demerath) die neue Verbandsgemeinde Ulmen-Meiserich bilden mit Sitz in Ulmen. Diese neue Verbandsgemeinde Ulmen sollte den Vorstellungen des Innenministeriums zufolge dem Kreis Daun zugeschlagen werden und Kelberg nicht nur die Kreiszugehörigkeit wechseln, sondern auch der Sitz der Verbandsgemeinde verlorengehen.

Bereits Anfang Januar 1970 war das Hauptaugenmerk auf den Erhalt des Verwaltungssitzes gerichtet. Die Eingemeindungen der Dörfer Hünerbach, Köttelbach, Rothenbach und Zermüllen nach Kelberg erfolgte, um den Ort zentral zu stärken und so den Sitz einer Verbandsgemeinde sicherzustellen. In der Sitzung des Verbandsgemeinderates am 11. 2. 1970 wurde mit zehn gegen fünf Stimmen bei drei Enthaltungen beschlossen, für die Erhaltung des Amtes Kelberg eventuell auch in einen vergrößerten Kreis Daun einzutreten. Aus dem im Jahre 1969 neu gebildeten Landkreis Cochem-Zell gab es zahlreiche Wortmeldungen, die als Bestrebungen laut wurden, den Bereich Ulmen dem Landkreis Daun zuzuschlagen. Während seitens des Kreises der Verbleib von Ulmen im Landkreis Cochem-Zell gefordert wurde, waren aus dem Bereich Ulmen andere Töne zu hören als in den übrigen Randbereichen des Kreises Daun. Die Ulmener sprachen sich offen für einen Anschluss an den Kreis Daun aus. Sollte eine Verbandsgemeinde Ulmen nicht zu realisieren sein, so wurde sogar ein Anschluss an die Verbandsgemeinde Daun gefordert.

Der von der Landesregierung am 11. 5. 1970 eingebrachte Entwurf eines siebten Lartdesgesetzes über die Verwaltungsvereinfachung sah für den Kreis Daun folgende Regelung vor: 1. Es wird neu gebildet der Landkreis Daun

a) aus den Gemeinden des aufgelösten Landkreises Daun mit Ausnahme der Gemeinden Birgel, Esch, Feusdorf, Gönnersdorf, Jünkerath und Lissendorf der Verbandsgemeinde Lissendorf,

b) aus den Gemeinden Büdesheim, Duppach und Oos der Verbandsgemeinde Prüm-Land des aufgelösten Landkreises Prüm,

c) aus den Gemeinden Birresborn, Densborn, Kopp und Mürlenbach der Verbandsgemeinde

Birresborn des aufgelösten Landkreises Prüm,

d) aus den Gemeinden der Verbandsgemeinde Kelberg des aufgelösten Landkreises Mayen,

e) aus den Gemeinden Boos, Ditscheid, Lind und Münk der Verbandsgemeinde Mayen des aufgelösten Landkreises Mayen,

f) aus den Gemeinden Bauler, Mohn, Senscheid und Wiesemscheid der Verbandsgemeinde Antweiler des Landkreises Ahrweiler,

g) aus der Gemeinde Mülienbach der Verbandsgemeinde Adenau des Landkreises Ahrweiler.

2. Rechtsnachfolger des aufgelösten Landkreises Daun ist der neugebildete Landkreis Daun. Sitz des Landratsamtes ist Daun. Am Ende der politischen Diskussion stand schließlich die 2. und 3. Lesung des Gesetzes im Landtag. Dieser verabschiedete am 28. 6. 1970 das für den Landkreis Daun so wichtige Gesetz.

Durch dieses Gesetz wurden im Bereich der Eifel die Landkreise Bitburg, Daun und Prüm aufgelöst, ein neuer Landkreis Bitburg-Prüm und ein neuer Landkreis Daun gebildet. Der neue Landkreis Daun umfasst das heutige Kreisgebiet mit den Verbandsgemeinden Daun, Gerolstein, Hillesheim, Kelberg und Obere Kyll. Das Gebiet des Landkreises Daun wurde gegenüber früher um folgende Gemeinden erweitert: früher Landkreis Prüm (Duppach, Oos, Birresborn, Densborn, Kopp, Mürlenbach) - heute VG Gerolstein früher Landkreis Prüm (Hallschlag, Kerschenbach, Ormont, Reuth, Scheid, Schönfeld, Schüller, Stadtkyll, Steffeln) - heute VG Obere Kyll früher Landkreis Ahrweiler (Mohn) - heute VG Hillesheim früher Landkreis Mayen (Arbach, Bereborn, Berenbach, Bodenbach, Bongard, Borler, Brücktal, Drees, Gelenberg, Gunderath. Höchstberg, Horperalh, Kaperich, Kelberg mit den Ortsteilen Hünerbach, Köttelbach, Rothenbach/Mei-senthal und Zermüllen, Kirsbach. Kötterichen, Kolverath, Lirstal, Mannebach, Mosbruch. Nitz, Oberelz, Reimerath, Retterath, Sassen, Uers-feld, Uess und Welcherath) - heute VG Kelberg. Neben dem Gutachten, das positiv für den Kreis Daun war, sei an dieser Stelle ganz besonders erwähnt, dass der damalige Amisbürgermeister und Landtagsabgeordnete Julius Saxler, Daun, maßgeblichen Anteil am Erhalt des Kreises hatte. Saxler, auch Vorsitzender des Innenausschusses des Landtages, unterstützt von den Kommunalpolitikern des Kreises, war es gelungen, so viele Argumente in die Waagschale zu werfen, dass letztendlich der_ heutige Kreis entstanden ist. Der Landkreis' Daun mit seinen nun rund 60 000 Einwohnern war seit der Verwaltungsreform in der Lage, eine positive Entwicklung zu nehmen und konnte in vielen Bereichen Anschluss an das Mittelfeld der rheinland-pfälzischen Kreise finden und zum Beispiel im Bereich des Fremdenverkehrs eine führende Position im Lande Rheinland-Pfalz erreichen.

Quellen:

Archiv der Kreisverwaltung Daun - Band 3 und 4 der Schriftenreihe Verwaltungsvereinfachung in Rheinland-Pfalz, Herausgegeben im Auftrage der Landesregierung von der StaatskanzIei des Landes Rheinland-Pfalz, Deutscher, Gerneindeverlag, Mainz. 1969 und 1971.