Das Fenster zur Welt

 

Bei uns zu Haus ward es kürzlich klar,

dass nichts so ist und bleibt wie es war;

die Jugend braucht Raum zum Leben.

So haben wir überlegt und geschaut

und dann geplant, es wird umgebaut.

 Für mich heißt das: Abschied nehmen.

 

Von den Räumen, die wir mit Leben erfüllt,

wo unsere Kinder so glücklich gespielt.

Doch was mich am meisten quält:

Von unseres Hauses liebstem Ort,

aus meiner Küche muss ich fort,

vom Küchenfenster, dem Fenster zur Welt.

 

Hier sah ich im März das erste Grün,

im Sommer auf Wiesen die Blumen blüh'n,

unseren Garten, mit Liebe gepflegt;

den Wald, den der Herbst so bunt gemalt

Wintersonne, die über Rauhreif strahlt,

wenn der Schnee um die Hausecken fegt.

 

Von hier nahm ich teil an des

Dorfes Gescheh'n,

ich sah die Menschen zur Arbeit geh'n,

den Nachbarn, der freundlich mir winkt.

Sah die Vögel fliegen vom nahen Wald,

die Tannen sich biegen unter Sturmesgewalt,

die Sonne, wenn rot sie versinkt.

 

Nun hat man mir mit liebevollem Bedacht

unterm Dach eine neues Fenster gemacht,

das mir genauso gefällt.

So lass ich Geliebtes, Vertrautes, zurück,

um mich zu freuen an neuem Glück:

Ich hab1 es ja wieder, mein Fenster zur Welt.

 

Thekla Heinzen. Feusdorf