Die Couch

Wilma Herzog. Gerolstein

Sie war bezogen mit gestreiftem Samt, den Ziernägel am hellholzigen, hochpolierten Rahmen festhielten, der schön geschwungen ihren Rücken in zwei elegante Bögen teilte. Sie war fein, klein und - alt. Sie gehörte nicht mehr in jene Zeit, die große, glatte und funktionstüchtige Modelle vorzog. Wann sie z\j uns gekommen war, wüsste ich nicht. Sie stand, seil ich mich erinnern konnte, in unserer geräumigen, hellen Wohnküche, hinter dem großen Ausziehtisch. Irgendwie passte sie nicht dahin, so im dunklen Samt, gegenüber dem Herd, auf dem euch schon mal ein Topf mit Wäsche kochte, und wo direkt vor ihr, nach einer Hausschlachtung, die Blut- und Leberwürste hergestellt wurden. Als eines Tages bei Kölner Bekannten umdekoriert wurde, kam das Aus für »die alte Dame", wie ich dieses Möbelstück nannte, die anderen sagten dazu -Couch". Genaugenommen war es ja ein Sofa. Nun, wir drei Geschwister hatten unseren Platz auf der Couch bei den Mahlzeiten.

Bis zu dem Tag, als von einem Pferdefuhrwerk eine wuchtige Rivalin abgeladen wurde. Ihr konnte man die seitlichen Rollen entfernen, den hohen Rücken aufklappen und das Ganze in ein Bett verwandeln. Das war sehr praktisch, wenn viel Besuch kam. Ohne Ermahnung durften wir Kinder auf der neuen Couch herumtollen, uns zur sonntäglichen Märchenstunde, gemeinsam mit Vetter und Kusine, barfuss daraufstellen, um die Ohren möglichst nah an den Volksempfänger zu halten, der über der Couch auf einem Wandbrett aufgestellt war. Unterdessen stand »die alte Dame- im Flur. Sehr praktisch, um unsere Mäntel auf ihr abzulegen, anstelle sie an die Garderobe zu hängen. Wir schmissen auch noch die Schulranzen drauf, das war eben leichter, als sie an die Haken aufzuhängen. Als meiner Mutter das doch zu unordentlich geworden war, trug sie mit dem Vater die alte Couch in den Holzschuppen hinunter. Dort wurde sie sofort der Lieblingsplatz unserer Katze.

Im Schuppen lagerten auch Reisigbündel und Säcke voller Tannenzapfen, die wir Kinder aus dein Wald besorgten. Nach unserer nächsten Waldtour mit dem Handwägelchen kam soviel hinzu, dass die Couch schon halb bedeckt war. Bald verschwand sie ganz unter Reisig. Als wir sie nicht mehr sahen, vergaßen wir sie auch. Nach den großen Städten wurden gegen Kriegsende auch die kleineren bombardiert. Auch unsere Stadt kam dran. Unser Haus, alles, auch die schwere, stabile Bettcouch waren verloren. Aber - wie ein Wunder - der Holzschuppen gegenüber war heilgeblieben und »die alte Dame« darin musste überlebt haben. Soll ich noch schildern, wie wir nach ihr suchten und sie mit Tränen fanden? Und heute, fünfzig Jahre nach alldem? Sie hat die Nierentischzeit und andere Torheiten überdauert. Im Innern fest, weil aus gutem Holz geschnitzt, mit einem neuen Samtkleid versehen, ist sie der Mittelpunkt unseres Wohnzimmers: Ich übernahm sie von den Eltern. Um ihre Zukunft ist mir auch nicht bange, unsere Tochter möchte sie einmal erben.