Was junge Leute interessiert

»Zeichen setzen gegen Gewalt und Rassismus«

Eindrucksvolle Aktionswochc im Kreis Daun

Malte Blümke. Daun

Mehr als ein Jahr hatte eine Arbeitsgruppe von Schülern, Eltern und Lehrern die Aktionswoche vorbereitet. Ziel war es, der sozialen Kälte, dem extremen Egoismus und der Ellbogenmentalität entgegenzuarbeiten. Dazu wurden vor allem die Mittel der Literatur, der Malerei, der Musik und des Theaterspiels eingesetzt. Die Arbeitsgruppe war sich von Anfang an klar, dass mit einer Aktionswoche rechtsextrem Gesinnte nicht verändert, geschweige denn das Morden in Bosnien oder Ruanda verhindert werden könnte. Kreativität, Phantasie, Eigentätigkeit wurden allerdings freigesetzt, soziale Erfahrungen und ganzheitliches Lernen ermöglicht. Regierungspräsident Blankenburg nannte bei der Eröffnung der Aktionswoche Geschichtsbewußtsein, Gesprächsbereitschaft und kulturelle Identität als Voraussetzungen für ein friedlicheres Zusammenleben. An dieser Stelle knüpfte die Theater-AG des Geschwister-Scholl-Gymnasiums Daun an, indem sie bei der Eröffnung der Aktionswoche zwei selbst geschriebene Szenen aus dem Geschichtsroman von Tilman Rohrig "In dreihundert Jahren vielleicht" spielte. Anhand der Szenen aus dem Dreißigjährigen Krieg gelang es sehr anschaulich, eine Situation darzustellen, in der der Mensch zum Wolf des Menschen wird. Kritisches, hartes, makabres Schülerkabarett boten »Die Mistkäfer« vom Sankt-Matthias-Gymnasium Gerolstein, indem sie den offenen und latenten Rechtsradikalismus und den wieder auflebenden Nationalismus aufspießten, so dass den Zuschauern das Lachen im Halse stecken blieb.

Im Zentrum der Aktionswoche stand die Aus-Stellung »Bilder gegen Gewalt und Rassismus«, initiiert von der Künstlerin Silvia Izi aus Ludwigshafen. Seit 1992 ruft sie Jugendliche auf, sich^aktiv und in kreativer Weise mit der Gewaltproblematik auseinander zusetzen. Mittlerweile sind 4 000 Schülerarbeiten zusammengekommen. Die besten wurden im Forum Daun ausgestellt, darunter auch 100 Bilder aus dem Kreis Daun vom Geschwister-Scholl-Gymnasium, dem Thomas-Morus-Gymnasium und der Hauptschule Gerolstein. Ergänzt wurde die Bilderausstellung durch Buchausstellungen der katholischen und evangelischen öffentlichen Büchereien Daun und der Kreisbibliothek. Zu den Themen "Gewalt", »Ausländerfeindlichkeit und Rassismus« und "Rechtsradikalismus, Rechtsextremismus« erstellten die drei Büchereien eine 25seitige kommentierte Bücherliste, die einen wichtigen Wegweiser in der Fülle der Literatur zum Thema Gewalt darstellt.

Aufklärung gegen Fremdenfeindlichkeit muss nicht langweilig sein. Mit der Mischung aus Zauberei, Märchen, Phantasie und Realität gelang es dem Autor Peter Grosz in seinem Theaterstuck "Merhaba« (Guten Tag), Gesellschaftskritik und lustbetontes Kindertheater zu vereinbaren. 500 Schülerinnen und Schüler aus der Dauner Region gingen lebhaft mit, als der kampfeslustige Siegfried die Waldbühne

Mitglieder der Theater-AG des Geschwister-Scholl-Gymnasiums spielen eindrucksvoll Szenen aus dem Dreißigjährigen Krieg.

stürmte, die einfühlsame Birgül von ihrer Heimat erzählte, beide den tyrannischen König verjagten und schließlich den vertrottelten Drachen besiegten.

Die Schreibwerkstatt mit Autor Josef Beding produzierte keine literaturpreisverdächtigen Werke, aber eine ganze Reihe guter Kurzgeschichten und Gedichte zum Thema Gewalt. Zwanzig Schülerinnen und Schüler der beiden Dauner Gymnasien und der Hauptschule Daun hatten drei Tage lang Gelegenheit, mit einem ausgewiesenen Profi zusammenzuarbeiten. Wer wäre besser geeignet als Josef Reding, der mehr als 30 Bücher mit Kurzgeschichten, Gedichten, Kinder- und Jugenderzählungen zum Thema Außenseiter, Unterdrückte und Schwache geschrieben hat? So dienten zwei Geschichten aus dem Reding-Buch »Nennt mich nicht Nigger!« als Einstiegslektüre, um Thematik und Erzählformen kennenzulernen. Anschließend wurden Ideen und erste thematische Entwürfe zusammengestellt, die von offener Fremdenfeindlichkeit bis hin zu subtilen Formen von Gewalt handelten. Durch den Autor und das Gespräch im Plenum wurden immer wieder Rückmeldungen gegeben, so dass die Geschichten in Aussage und Erzählform Schritt für Schritt verbessert wurden. Am letzten Tag der Schreibwerkstatt wurden nach dem Verfahren der Assoziation Begriffe zum Thema Liebe und Gewalt zu Gedichten zusammengestellt. Die Ergebnisse der Literaturwerkstatt werden in einem vom Kultursommer Rheinland-Pfalz geförderten Buch veröffentlicht.

Das internationale Ensemble »Litera Cantat« bot mit der Symbiose aus Musik und Literatur ein eindrucksvolles Plädoyer für die Freiheit. Der Autor Tilrnan Röhrig, die Sängerin Claudia Adrario aus Österreich und der Pianist Alejandro Moreiras aus Spanien zeigten anhand des Geschichtsromans »Sand oder der Freiheit eine Gasse« von Tilman Röhrig und dem nationalistischen Liedgut aus dem 19. Jahrhundert, wie falsche vaterländische Parolen junge Leute verführen können, bis hin zum politischen Mord. Die Konzert-Lesung stellte eine gelungene Mischung von Poesie und Musik dar, die

Josef Reding gibt jungen Autoren während der Schreibwerkstatt im Leseclub »Bücherwurm« am GSG professionelle Tips.

Blick in die Ausstellung »Bildergegen Gewalt und Rassismus«

mehr war als die Summe der Teile. Der Gesprächskreis »Gewalt in der Familie" der katholischen Erwachsenenbildung, die Autorenlesung mit Gisela Kalow in den Dauner Kindergärten und die Schaufenstergestaltungen der Grundschule Daun setzten weitere Akzente in der an Höhepunkten reichen Aktionswoche. Der Offene Kanal Daun e. V. hielt das Wichtigste der Aktionswoche im Bild fest; die Schülerzeitungen »Klecks« und »Renaissance« dokumentieren die Ereignisse in einer eigenen Zusammenstellung.

Ein Projekt dieser Qualität und Größenordnung der Aktionswoche '94 ist ohne die tatkräftige Unterstützung der öffentlichen Hand und von Kultursponsoren nicht möglich. Deshalb gilt der Dank dem Ministerium für Bildung und Kultur Rheinland-Pfalz, dem Landkreis Daun, der Kreissparkasse Daun, der Volksbank Daun, dem Kultursommer Rheinland-Pfalz und der Buchhandlung Werner.

Schließlich sind es auch immer Personen, die für das Gelingen von Projekten verantwortlich sind; deshalb stellvertretend für die vielen Helfer der Aktionswoche Dank an Stephanie Loenenbach, Gabriela Haferkamp, Brigitte Weinz-heimer, Johanna Schiffels, Maria Gurski, Wilma Schuff, Magret Beyer, Stefan Gundert, Siegfried Czernohorsky, Anette Jondral, Therese Zilligen, Reinhold Heinz-Hachgenei, Nele Bednarczyk, Gerhard Deussen, Christel Werner.