25 Jahre pädagogische Arbeit

Förderzentrum St.-Laurentius-Schule

Alois Mayer, Daun

Im Artikel 31 der Landesverfassung von Rheinland-Pfalz steht, dass dem jungen Menschen zu einer seiner Begabung entsprechenden Ausbildung verholten werden soll. Das Grundgesetz garantiert die freie Entfaltung der Persönlichkeit.

Bis in die Mitte der 60er Jahre klafften aber noch zu viele Lücken im schulischen Bereich, um diesen Forderungen nachzukommen. Denn etwa 3 % aller Schüler sind auf Grund ihrer seelisch-geistigen Entwicklung behindert und können trotz intensiver Förderung im Grund- und Hauptschulbereich nicht erfolgreich deren Ziele erreichen.

Ein adäquates Mittel, dennoch diesen behinderten Kindern zu helfen, ist die Sonderschule für Lernbehinderte.

1966 beschloss der Kreistag Daun die Bildung von Sonderschulen, um so dem Verfassungsauftrag und den Belangen der behinderten Kinder nachzukommen.

1969, nach den Sommerferien, wurde in Daun als dritte Sonderschule im Kreise eine weitere Schule für Lernbehinderte durch Herrn Landrat Urbanus eröffnet. 21 Kinder aus Daun und fünf Ortschaften der Umgebung - das war der Anfang. Diese »pädagogische Provinz«, wie sie Prof. Sanders, einer der zahlreichen Besucher

Die alte Landratsvilla in Daun, hier begann 1979 das Förderzentrum seine Arbeit.

in den folgenden Jahren, nannte, war in der ehemaligen Landratsvilla aus dem Jahre 1910 untergebracht, die später dem Erweiterungsbau einer Bank weichen musste. Mit viel Liebe und pädagogischem Einfühlungsvermögen wurden die Räumlichkeiten, die zuvor auch die hauswirtschaftliche Abteilung der Landwirtschaftsschule beherbergte, kindgemäß umgeformt.

1970 wurde die Schule in eine Ganztagsschule umgewandelt - die erste Ganztagsschule in Rheinland-Pfalz. Unter wissenschaftlicher Begleitung nahm sie an diesem Schulversuch teil und lieferte nach Abschluss des Modells wichtige Erkenntnisse, die auf Landesebene die Arbeit in Ganztagsschulen beeinflussten. Die Zahl der Schüler, Klassen und Lehrer stieg rasch an. Die Kinder blieben bis spät nachmittags in der Schule, wurden dort verpflegt und konnten ihr Können beweisen. Wissen steigern, Verhaltensregeln lernen und froh Schule erleben. Zahlreiche schulische und außerschulische Unternehmungen trugen in den letzten 25 Jahren wesentlich dazu bei. die Angebote transparenter zu gestalten, sie der Öffentlichkeit näher zu bringen und den lern behinderten Schülern das Gefühl einer positiven, angenehmen Schulzeit zu vermitteln, was sich auf ihr Gesamtverhalten und somit auf ihr späteres Leben wohltuend auswirken wird. Im Laufe der Jahre stieg die Zahl der Schüler auf über neunzig und die Klassen mit ihren vielen Klein- und Differenzierungsgruppen auf weit über zehn, so dass die »alte Villa« mit ihren provisorischen Räumen nicht mehr genügend Platz bot. Von einem Neubau wurde gesprochen, doch dieser bis heule nicht realisiert. 1976 zog dann die Sonderschule in Massiv- und Pavillonräume um, die durch den Neubau der Dauner Hauptschule auf dem Gelände der Grundschule frei wurden. Dort wurden drei Holzpavillons, im Grundschulgebäude eine Klasse, ein Mehrzweckraum und eine Küche sowie zwei kleine Kellerräume für den Werkunterricht genutzt.

Mit dem Umzug verbunden war auch die Namensgebung für die Sonderschule. Als Vorbild diente dabei der zweite Schutzpatron der Stadt Daun, der hl. Laurentius durch seinen Märtyrertod, den er für die Armen. Behinderten und am Rande der Gesellschaft Lebenden erlitt. Nicht nur räumlich, auch pädagogisch fand eine enge Kooperation mit der Grundschule statt. Gemeinsame Konferenzen und Unternehmungen, eine Hausordnung für beide Schulen, miteinander gestaltete Gottesdienste trugen ebenso zur Integration bei wie gemeinsame Schulfeste und das gemeinsame Gestalten eines schülerfreundlichen Schulhofes. 1978 endete der Schulversuch "Ganztagsschule". Die räumliche und personelle Ausstattung ließen die Fortführung jenes Modells nicht zu; ebenso sprachen sich die meisten Eltern dagegen aus, da in der flächenmäßig großen Region der Verbandsgemeinden Daun und Kelberg die Rückkehr der Schüler zeitlich oft zu spät war und so mancher Integration ins dörfliche (Vereins-) Leben entgegenstand. 1982 wurde der "Förderverein für Lernbehinderte" gegründet. Zahlreiche interessierte Bürger traten dem Verein bei, dessen Aufgabe darin besieht, lernbehinderten Menschen und deren Angehörigen vor, während und nach der Schulzeit zu helfen. Heute nennt sich dieser Verein »Jugendhilfe-Verein e. V.". Sein Tätigkeitsfeld hat sich bedeutend erweitert und beschränkt sich nicht mehr nur auf die Betreuung von Sonderschülern, sondern engagiert sich für alle problembeladenen Jugendlichen, die der unterstützenden und begleitenden Hilfe bedürfen.

Ein vom Verein seit 1986 eingestellter Sozialarbeiter hat sein Büro in der Schule und ist für jeden Hilfesuchenden Ansprechpartner. In sehr vielen Fällen wurde bereits konkret geholfen und mit dazu beigetragen, dass Sonderschule stärker und positiver ins Bewusstsein der Bevölkerung tritt und Jugendliche besser und leichter in die Gesellschaft integriert und vor einem Abgleiten in soziale Missverhältnisse bewahrt werden.

Am 22. 6.1984 feierte die St-Laurentius-Schule ihr 15jähhges Bestehen. Rektor Alois Mayer konnte bei einer Feierstunde im Hotel Stadt Daun zahlreiche Gäste und Vertreter öffentlicher Institutionen begrüßen, darunter Landrat Orth und Landrat a. D. Urbanus, der vor fünfzehn Jahren während seiner Amtszeit mit als Gründer Pate stand. Die Festrede hielt Dr. Siepmann, Köln. Zu dieser Zeit wurden 60 Kinder aus 37 Ortschaften unterrichtet. Aus Anlass dieses Jubiläums schenkte die Schule dem Kreis eine von Kindern erstellte Kachelsäule mit Dauner Motiven, die bis heute

Jugendhilfeverein Daun, Eltern, Lehrer und Schüler bei der Erstellung des Lern-Spiel-Raumes am Förderzentrum

im Foyer der Kreisverwaltung steht und Besuchern von erfolgreicher Arbeit mit behinderten Kindern kündet.

1985 informierte sich bei einer Kreisbereisung der damalige Ministerpräsident Dr. Vogel in Hillesheim bei den Schülerzeitungsredakteuren der St.-Laurentius-Schule (»Oos Blättchen«) über deren Arbeit und lobte deren Engagement.

In den kommenden Jahren verzeichneten alle Schulen einen deutlichen Schülerrückgang, so auch die St.-Laurentius-Schule, die auf durchschnittlich 60 Schüler absank. 1. 9. 1987: Die St.-Laurentius-Schule zog aus den alten provisorischen Baracken und Pavillons in die Freiherr-vom-Stein-Str. 16 um. Ein ehemaliges Internatsgebäude, das vom Kreis aufgekauft und in Umbauarbeiten zu einer Schule umgestaltet wurde, bildet nun das neue schulische »Heim« für viele Kinder. In diesem Gebäude, in dem Schüler und Lehrer sich wohlfühlen, befindet sich die St.-Laurentius-Schule bis heute. Die offizielle Einweihung in Anwesenheit von Staatssekretärin Rickal, Ministerium für Bildung und Kultur, Mainz, war am 15. 12.1988.

In der St.-Laurentius-Schule werden Schüler vom 1. bis 9. Schuljahr unterrichtet, wobei von der Möglichkeit einer Schulzeitverlängerung Gebrauch gemacht werden kann. Sie werden -gleich den Regelschülern - in allen Fächern, ausgenommen Englisch, unterwiesen. In den letzten Jahrgängen vor der Schulentlassung wird verstärkt Gewicht gelegt auf die spätere berufliche Eingliederung. Zahlreiche Betriebsbesichtigungen und -erkundungen, mehrere viel wöchige Betriebspraktika und das bedeutende Unterrichtsfach »Arbeitslehre« tragen zu Abschlüssen bei und erleichtern den Einstieg in die Berufs- und Arbeitswelt nach erfolgter Schulpflicht.

1988, im Juni, wurden die Außenanlagen der Schule in einem ersten Schritt gestaltet. In Zusammenarbeit mit Jugendhilfeverein, Eltern, Schülern und dem Vorsitzenden des Dauner Gartenbauvereins, Karl Steil, wurden etwa 150 heimische Bäume und Sträucher gepflanzt. Sie verschönern nicht nur die Außenanlagen, sondern bieten vielfältige Möglichkeit zu einer naturnahen Erziehung, Pflege und Beobachtung, und zur Erntezeit werden Pausen noch »schmackhafter«.

Im gleichen Jahr gewann die AG »Heimatkunde und Geschichte« den 1. Preis beim Wettbewerb des Kreises Daun anlässlich der 50. Wiederkehr der sogenannten Reichskristallnacht. Diese Arbeit, eine Befragung im Interviewstil, fand breite öffentliche Anerkennung. Ein Exemplar befindet sich sogar im Archiv des jüdischen Museums »Yad Vashem« in Jerusalem. Zum Schuljahresbeginn 1989/90 wurde die St.-Laurentius-Schule - zusammen mit den Sonderschulen in Gerolstein und der Stadt Worms - in einen landesweiten Versuch einbezogen mit dem Titel »Erprobung einer Förderschule im Verbund mit integrierten Fördermaßnahmen an allgemeinen Schulen«. Dieser Versuch endete mit Ablauf des Schuljahres 1993/94. Das Ende des erfolgreichen Modells hat unter anderem das Ergebnis, dass sich die St.-Laurentius-Schule nunmehr in gänzlich neuer und erweiterter Form präsentiert. Als »Förderzentrum Daun« ist sie nicht mehr Schülern einer bestimmten Behinderungsart vorbehalten, sondern betreut mit 15 Lehrpersonen nun fast 50 Schüler nahezu aller Behinderungs- und Beeinträchtigungsformen wohnortnah. Die Klassenmesszahlen wurden auf zehn Schüler pro Klasse reduziert, die durchgängig von zwei Lehrpersonen unterrichtet werden. Diese intensive Betreuung mit den Hauptaufgaben der Welterschließung und Sinnvermittlung und mit für den jeweiligen Schüler erreichbaren Abschlüssen garantiert beste Voraussetzung für deren späteren Eintritt in die Arbeits- und Berufswelt. Zugleich finden durch neun Förderlehrer der St.-Laurentius-Schule in allen Grund- und/oder Hauptschulen der Verbandsgemeinden Daun und Kelberg integrierte Fördermaßnahmen statt, um präventiv Beeinträchtigungen zu therapieren. So befinden sich zur Zeit 50 Schüler in der sogenannten Stufe-lll-Förderung und über 100 Schüler in der Stufe-ll-Förderung. Das Förderzentrum Daun, das in enger Kooperation mit Eltern, auf das Kind bezogenen Personen und Institutionen arbeitet, um behinderte und beeinträchtigte Schüler zu weitmöglicher Lebenserfülltheit, Lebenstüchtigkeit und Selbständigkeit zu führen, stellt eine bedeutende Bereicherung der schulischen Landschaft des Kreises dar und ist aus ihr nicht mehr wegzudenken.

1994, im Jahr des 25jährigen Jubiläums, begann die St.-Laurentius-Schule zusammen mit dem Jugendhilfeverein e. V. erneut mit einem Projekt, das für Rheinland-Pfalz einmalig ist. Mit dem Ausbau eines naturnahen »Lern-Spiel-Raumes«, der sich über mehrere Jahre hinziehen wird, erhalten die Schüler einen kreativen und ökologischen Spielplatz, der die vielfältigsten pädagogischen Möglichkeiten unter Einbeziehung aller Sinnesfähigkeiten gewährleistet. Dieser »Lern-Spiel-Raum«, der ebenfalls den Schülern des Dauner Schulzentrums zur Verfügung steht, hat Modellcharakter und wird sicherlich Pate stehen für viele andere neu zu konzipierenden - Aktions-Spielplätze in Stadt und Landgemeinden.