Zeitbilder der Kreisgeschichte

Als wir noch Schweine schlachteten

Franz Josef Ferber, Daun

Das Schweineschlachten war von jeher in bäuerlichen Familien ein wichtiges Ereignis, wichtig deswegen, weil es das Jahr hindurch nicht alle Tage Fleisch zu essen gab. Ich selbst empfand das Schlachten unserer Schweine stets als zwiespältiges Geschehen. Einerseits war das Fleisch ein lebensnotwendiges Nahrungsmittel, worauf ich mich freuen konnte, andererseits tat es mir leid, dass wir das Schwein, das wir einst als niedliches Ferkelchen gekauft hatten und das bei uns aufgewachsen war, töten lassen mussten. Überhaupt, das Töten unserer Haustiere - der Schweine, Hühner, Gänse und Kaninchen sowie der neugeborenen Kätzchen - war mir zu allen Zeilen in hohem Maße zuwider. Im Gegensatz zum Hühnerschlachten oder dem Töten der kleinen Kätzchen hatte das Schweineschlachten für mich wie für alle unsere Familienangehörigen einen enormen Vorteil: Man brauchte die Schweine nicht selbst umzubringen, der Metzger - Hausschlächter - tat es; Tiere töten, das war sein Beruf. Als wir noch kleine Kinder waren, durften wir -ähnlich wie wenn eine Kuh kalbte, der Stier auf die Kuh sprang oder der Eber auf die Zuchtsau kletterte - nicht zuschauen, wenn ein Schwein getötet wurde. Später, als sogenannte Heranwachsende, wurden wir für kleine Handreichungen gebraucht. Die kleinen Bauersleute schlachteten im allgemeinen einmal, höchstens zweimal im Jahr, und das in der kalten Jahreszeit, also im Spätherbst oder im Winter.

Vorbereitungen

War ein Schwein ausreichend gemästet, also schlachtreif geworden, so mussten für den Schlachttag einige Vorbereitungen getroffen werden, wovon die wichtigste war, den Metzger (»Mätzela«) zu bestellen. Es waren in jedem Jahr ein und dieselben Hausschlächter, die in die betreffenden Familien kamen. Zu Zeiten meiner Kindheit (im Zweiten Weltkrieg und einige Jahre danach) schlachteten drei Metzger in unserem Dorf (Hörschhausen, im Tal der Üß) regelmäßig Schweine. Alle drei wohnten in Nachbardörfern. Der Mohr Pitta, eine markante Person mit Schnurrbart, kam immer mit dem Fahrrad aus dem fünf Kilometer entfernten Ulmen. Seine Handwerkszeuge hatte er in einem Rucksack verstaut, die lange Knochensäge ragte stets ein Stück heraus. Wenn er. bekleidet mit einer breiten Schürze, Ledergamaschen und einem Lederkoppel, an dem eine steiflederne Messerlasche und ein Schleifstahl baumelten, majestätisch vor dem Mastschwein stand, erinnerte er mich an einen Kaiserreichsoldaten. Der Mohr Pitta, er war ein ernst dreinschauender älterer Mann, schien aber Verständnis für uns Jungen zu haben, denn er ließ uns gewähren, wenn wir versuchten, mit seinem Schaber an dem toten Schwein Borsten abzuschrappen.

Der Dedenbach, Schlächter aus Schönbach, duldete so etwas nicht; er »knoaterte« meistens, wenn wir ihm beim Schlachten helfen wollten. Deshalb stand er bei uns Jungen nicht in der allerhöchsten Gunst. Sein äußeres Merkmal war eine Shagpfeife, die er beständig während seiner Arbeit rauchte, die aus seinem zahnlosen Mund herabhing. Und der Dritte im Bunde: Hotz Schneider aus Mosbruch, ein ziemlich hochgewachsener Mann mit gestutztem »Schnorres«. Wir hatten daheim sozusagen einen eigenen Hausschlächter in der Verwandtschaft: den Onkel Alois aus Nickenich. Er war uns und auch einigen anderen Familien im Dorf äußerst nützlich, nicht nur, weil er ein tüchtiger, peinlich sauberer Metzger war, sondern auch deswegen, weil - im Krieg und in den Jahren danach - das sogenannte Schwarzschlachten "in der Familie blieb", vor allem die deutschen Behörden und die französische Militärregierung es nicht gewahr wurden.

Der Schlachttag

Wenn in irgendeinem Hof ein Schwein unaufhörlich jämmerlich kreischte, hörten das alle Leute in unserem kleinen Dorf. Dann wussten sie, dass dort Schlachttag war. Der Metzger und der Bauer waren in den Stall gegangen, in die Schweinepferch, hatten dem Schlachtschwein um eines seiner Hinterbeine ein Seil geschlungen und versuchten, das Tier aus dem Stall zu treiben. Das ging nicht immer ohne Gewalt. Oft hatten zwei Männer ihre liebe Not, das Tier, das am Schlachttage nichts mehr zu fressen bekommen hatte, vorwärts zubewegen; der eine zog (an den Ohren), der andere »däute«. Die Tiere sträubten sich, sie schienen ihr Schicksal zu ahnen, schrien wie am Spieß, wenn sie in den Hof geschleift wurden. Es waren Todesangstschreie, sie gingen einem durch Mark und Bein.

Getötet wurden die Schweine auf zweierlei Art. Die gebräuchlichste Methode war das regelrechte Totschlagen. Der Metzger nahm eine Axt und schlug mit dem Axtrücken mit voller Wucht der Sau auf den Kopf, eine ganz und gar grausame Prozedur. Es kam häufig vor, dass der Schläger nicht richtig getroffen oder nicht kräftig genug zugeschlagen hatte. Dann wurde das arme Tier wild, rannte ungestüm im Stau, im Hof oder sogar im Dorf umher. So etwas habe ich mal erlebt, als Stäwes schlachteten und die angeschlagene Sau furchtbar kreischend im «Ollen- herumfegte. Der Metzger - man hatte ihm, wohl wegen seiner Ungeschicklichkeit beim Schweinetölen, den Spitznamen »Säumürderer« (Saumörder| gegeben - hatte wahrscheinlich überall hingeschlagen, nur nicht dorthin, wo es die Sau hätte tödlich treffen sollen. Ähnliches ist »Schange Steff« geschehen, als er nach dem Krieg bei uns zu Haus ein Schwein schlachten sollte. Weil die Wutz in Aufruhr war und nicht stillhielt, schlug Steff ständig daneben, zumeist auf den Nacken. Dieser unterlief von Blut derart rot und blau, dass es nicht mitanzusehen war und das armselige Geschöpf einen dauerte. Ansonsten halten wir mit dem Schweinetöten keine Probleme. Onkel Alois besaß einen Bolzenschussapparat. Diesen lud er mit einer kugellosen Patrone, setzte ihn dem Schwein vorne mittig an den Kopf und drückte ab, worauf das Tier fast lautlos tot umfiel; der etwa zehn Zentimeter lange Bolzen war ihm tief ins Hirn eingedrungen und hatte seinen Tod verursacht. Das war die zweite Form des Tötens, sie war weitaus weniger brutal.

Sofort darauf riss der Metzgeronkel sein längstes Schlachtermesser aus der Messertasche und stach hiermit das tote Tier in den Hals, ganz tief in die Schlagader. Sogleich kam das Blut geschossen, das jemand mit einer Bratpfanne (sie war niedrig und ließ sich bequem unter die Halswunde schieben) auffing. War die Pfanne voll, schüttete der »Blutauffänger« das Blut in einen bereitstehenden Eimer. Währenddessen hielt der Metzger mit einer Hand die Wunde zu, um zu verhindern, dass der wertvolle Saft (er wurde für die Blutwurst gebraucht) in den Hof lief. Danach wurde noch ein paar mal die Bratpfanne hingehalten und Blut aufgefangen. Der Metzger hatte sich mittlerweile auf die Sau gekniet, ein Vorderbein gefasst, womit er kräftig pumpte, damit alles Blut herauskommen sollte. Es kam auch gesprudelt, zuletzt nur noch stoßweise, nach jedem Pumpen. Dies alles musste ganz schnell gehen. Im Nu war die Pfanne voll, und jemand mußte ständig mit einem umgekehrten langstieligen Holzlöffel im Eimer das Blut umrühren, sonst wäre es geronnen und unbrauchbar geworden. Während dieser widerwärtigen Prozedur wurde heißes und kaltes Wasser zum Abbrühen und Abwaschen des Schlachtviehes herangeschleppt. Sobald das Schwein ausgeblutet war, legte man es auf das Scheunenpförtchen, das aus dem mächtigen Scheunentor ausgehängt und aufgebockt wurde; anderenorts wurde es in die »Mool« (Zinkwanne) gelegt. Nun begoss der Metzger es stückweise mit heißem Wasser. Danach begann er, mit einem trichterförmigen Schaber - Onkel Alois nannte ihn »Glocke" und »Hörnchen" - die Borsten abzuschaben. Zum Schluss machte er mit einem scharfen Messer die Feinarbeit. Sobald eine Seite abgeschabt war, musste das Schwein auf die andere Seite gedreht werden. Das besorgte Onkel Alois vielfach allein. Waren aber genügend Leute zur Stelle, packten diese mit an. So forderte der Onkel einmal einen älteren Jungen aus dem Dorf, den Bäckesch Pitta, der dastand

Die Sau ist tot. Der Metzger sticht das Tier in den Hals, die Hausfrau fängt in einer Schüssel das Blut auf.

Foto: Elisabeth Klein, Niederehe.

und dem Schlächter zuschaute, auf, beim Umdrehen des Schweins zu helfen. Onkel Alois griff nach den Vorderbeinen, Pittas Part war das Hinterteil; er fasste den glattrasierten, glitschigen Schwanz. Doch dieser glitt ihm dauernd aus den Händen, worauf der Metzgeronkel schnell die Geduld verlor und seinen altbewährten Kniff anwandte. Er fackelte nicht lange, packte mit der rechten Hand die vorderen Haxen der Sau, und für das linke Teil benutzte er nur einen einzigen Finger. Er steckte ihn dem Tier, soweit es ging, in den After und drehte es um.

Nachher sah die »Nuckes« frischrasiert aus. Bei diesen Arbeitsgängen riß der Metzger dem Schwein die Klauen aus, und zwar mit dem Haken, der als »Oberteil« mit dem Borstenschaber verbunden war.

Früher sind die Schweine gesengt worden, das heißt, mit einem brennenden Strohwisch brannte man ihnen die Borsten ab. Zu diesem Zweck wurden die Tiere nicht selten aus dem Dorf hinaustransportiert. Das geschah wegen der Brandgefahr. Man denke an die vielerorts vorherrschende enge Bebauung und an die Strohdächer. In unserem Dorf habe ich das Säusengen nicht erlebt. Inzwischen hatte jemand das Leiterchen vom Heuwagen aus der Scheune hervorgeholt und in den Hof gelegt. Darauf kam das vollkommen rasierte Schwein zu liegen. Es wurde mit den Hinterbeinen an der Leiter befestigt, entweder angekettet oder, wie bei uns, mit der Eisenstange, mit der das Leiterchen am Heuleiterwagen festgemacht war, indem diese durch die Hinterhaxen des Schweins geschoben wurde. Ein paar starke Männer, zumeist Nachbarn, richteten die Leiter mit dem nackten Schwein auf und lehnten sie schräg an die Haus-, Stall- oder Scheunenwand an. Nun setzte der Metzger seine Arbeit fort. Er nahm wieder das große Messer aus dem Halter und schnitt dem Schwein den Bauch auf, von oben bis unten. Gleich darauf raffte er alles Eingeweide heraus: Därme, die essbaren Teile des »Gelüngs« (Herz, Leber, Lunge, Nieren), die Blase und, nicht zu vergessen, die Galle; sie wurde weggeworfen, war zu nichts zu gebrauchen. Im allgemeinen holte der Metzger das Gehirn aus dem gespaltenen Kopf; manche Leute brieten und verzehrten es als Delikatesse.

So blieb das in der Mitte gespaltene, wie aufgeklappt aussehende Schwein den ganzen Tag an der Leiter hängen. Das Fleisch sollte erkalten und erstarren, damit es sich leichter verarbeiten ließ. Am unteren Ende, dem Kopfende, wurde ihm ein Leinentuch vorgebunden; streunende Hunde sollten nicht daran fressen können. Und des Nachts trug man das Tier ins Haus, um es vor Spitzbuben zu schützen.

An den Tagen danach

Tags drauf ging's um die Wurst. Bevor der Metzger sich an seine Arbeit machte, musste der Fleischbeschauer seines Amtes walten. Die Trichinenschau war amtlich vorgeschrieben. In den Jahren meiner Kindheit war es der Herr Leyendecker, der für die Fleischbeschau sorgte; er wohnte in Daun und kam immer mit dem Motorrad angefahren. Später war Saxler Nikla aus Utzerath zuständig. Mit einem Spezialvergrößerungsglas schauten die Fleischbeschauer sich verschiedene Partien des Schweinekörpers an. War alles in Ordnung, das heißt, war das Tier trichinenfrei, dann schlugen sie die Stempel auf die geprüften Körperteile. Manchmal sah man am gekochten Fleisch, wenn es

Schweineschlachten in Kelberg-Zermüllen im Winter 1939. Die Hausfrau übergießt das Schwein mit heißem l/l/asser, der Metzger schabt die Borsten ab, deutsche Wehrmachtsangehörige schauen zu.

Foto: Michael Eich, Zermüllen Repros: Dr. Reinhard Steffens, Berenbach

auf den Tisch kam, noch Spuren der Farbe. Nun erst durfte der Metzger seine Arbeit fortführen. Zuallererst schnitt er das Schwein ganz auseinander und sortierte die Teile nach ihrer Zweckbestimmung: vier Schinken, den mageren und den fetten Speck (er war nicht selten zehn Zentimeter dick und damit das Qualifikationsmerkmal des Schlachtgutes), das Bauchfleisch, die Füße, die Ohren, den Kopf und den Schwanz. Das alles wurde in der Fleischbütte, die im Keller stand, eingesalzen. »Solper« oder »Beckel« nannte man diese Salzbrühe. Die Koteleiten, die unter der dicken Speckschicht saßen, wurden gebraten verzehrt. Der Flomen - das ist der Fettstrang, der zwischen dem Analbereich und dem Zwerchfell sitzt, in dem die Nieren ihren Platz haben und im Volksmund »Fedder« (Feder) heißt - wurde herausgetrennt, durch den Fleischwolf gedreht, in einer Kasserolle zu Schmalz ausgelassen und im »Steene Döppe« aufbewahrt.

Daraufhin begann das eigentliche Wurstmachen. Zuerst wurde alles Fleisch, das zum Verwursten bestimmt war, in einem großen Topf -vielfach im Einwecktopf oder Wäschekessel -gekocht. Währenddessen säuberte der Metzger die Därme, sofern er dies nicht schon am Schlachttag getan hatte. Er schraubte seine Wurstmühle an einem Tisch fest und drehte hierin das mittlerweile gargekochte und von den Knochen abgefegte Fleisch durch. Dabei wurde die Wurstspeise getrennt nach Leberund Blutwurst. Beim Onkel Alois sah das Sortieren so aus: Das sogenannte helle Fleisch (Hals- und Kopffleisch], die (rohe] Leber, Grieben vom Schmalz sowie Zwiebeln und Fleischbrühe waren für die Leberwurst bestimmt; das sogenannte dunkle Fleisch (Bauchfleisch, Ohren) kam in die Blutwurst, dazu gut erhitztes Blut, Grieben, Zwiebeln und Fleischbrühe. Danach montierte der Metzger ein Vorsatzstück auf das »Wuhschtmülltje«, worauf er die Dünndärme schröpfte. Dann ging's los; einer der Familienangehörigen schöpfte die gewürzte Wurstspeise in den Mühlentrichter, ein anderer drehte die Mühle. Der Metzger hatte alle Hände voll zu tun, die im Darm geformten Würste zu portionieren, indem er sie mit einem Wurstbindfaden ab- und zuband. Uns Kindern zuliebe machte er auch kleine Blut- und Leberwürste, nannte sie »Hätzelmännchen«. Der Mohr Pitta arbeitete noch nach der älteren Methode; er benutzte zum Wurstmachen sein Füllhorn. Das war ein etwa vierzig Zentimeter langes und ungefähr zehn Zentimeter dickes Blechrohr, vorne verjüngt, damit der Darm passend aufgezogen werden konnte, und mit einem dicken Holzstößel »däute« Pitta die ins Rohr geschöpfte Speise in den Darm. Anschließend wurden die fertigen Würste in einem großen Topf auf dem Küchenherd gekocht. Hernach hängte man sie zum Abkühlen und Trocknen auf einen langen Stiel - in unserem Haus dienten hierzu Heurechen - nebeneinander, vor Hunden, Katzen und Mäusen geschützt.

Unsere Vorratskammer war ein kleines, unmöbliertes Zimmer. Das Wasser, worin die Würste gekocht wurden, war die Wurstbrühe, wir verzehrten sie als Suppe (Vorspeise); ihre Qualität hing wesentlich davon ab, ob und wieviele Würste beim Kochen geplatzt (»gebarscht«) waren.

Aus der Wurstbrühe, mit Buchweizenmehl steifgekocht und mit Schmalz in der Pfanne gebraten, machte man früher in der Eifel auch »Panas«; es diente als Brotbelag. In unserer Familie kannten wir es nicht, und ich erinnere mich auch nicht, es jemals bei Bauern im Dorf gesehen zu haben. Erst in späteren Jahren -1959/60 - habe ich es in Hagen bei Schulkollegen aus Westfalen kennengelernt. Heinz und Ludger brieten es in einer Pfanne, Ich habe nicht erfahren, wie es schmeckte, wollte es auch nicht wissen. Wenn es nämlich so geschmeckt hätte wie es roch, dann hätte ich mich todsicher schon nach dem ersten Bissen übergeben müssen.

Vom Schwein war nicht nur das Fleisch und das Fett verwertbar, sondern auch fast alles andere, sogar das scheinbar nicht Verwertbare. Die Dünndärme brauchte man, wie gesagt, für die Wurst. Bei uns zu Haus warfen wir die Dickdärme auf den Mist. Mancherorts wurden sie mit einer Art Abfallprodukten, zum Beispiel mit kleineren, vorher gereinigten Därmen, gefüllt und geräuchert. »Andillich« oder »Andil-lichwuhscht« nannten die Bauern diese Arme-Leute-Kost. Die Schweinsblase wurde ebenfalls nicht weggeworfen; über dem Herd getrocknet, diente sie als Tabaksbeutel. In unserer Familie gab es damals keine Raucher. Deshalb durfte ich die Blase als Fußball benutzen. Der Fußball war aber nicht stabil; er platzte

schnell, wenn nicht schon beim Aufblasen, dann spätestens bei den ersten Fußtritten. Nun, für einen wie mich, der nicht Fußballspielen konnte, war die Lebensdauer des Blasenfußballs lange genug. Von den Sauhaaren machte man in Zeiten der Not Schuhbürsten. Die Schweinsknochen haben wir - im Zweiten Weltkrieg - im Schulschuppen in Katzwinkel gesammelt. Und nicht zuletzt der Nabel - gemeinhin »Bitz« genannt - war zu etwas nütze; er wurde kugelförmig aus dem Bauch der Sau herausgeschnitten und am dran gelassenen Fettstrang im Holzschuppen aufgehängt. Mit diesem Fettkloß schmierte man die Säge. Zuweilen hängten wir den Fettklumpen als Vogelfutter an einen Baum.

Die Füße und die Ohren brauchten nicht lange im Pökel (»Solper«) zu liegen, höchstens zwei Wochen. Dann wurden sie herausgeholt und mit klarem Wasser abgewaschen, das Fleisch wurde von den Fußknochen abgeschabt, durch den Fleischwolf gedreht und, angereichert mit zerkleinerten Schwarten, zu Schwartenmagen gekocht.

Die Schinken und der Speck mussten länger - mindestens sechs Wochen - gepökelt werden. Danach wurden sie geräuchert. Das geschah früher im Schornstein in der sogenannten offenen Küche. Wir hängten die Schinken und den Speck, aber auch Blut- und Leberwürste in das Räucherhäuschen, das mein Vater im ersten Stockwerk unseres Hauses gebaut hatte. Geräuchert wurde mit Wacholders! au den, die wir - in den Kriegsjahren - im Wolfskauler Wald abhieben, nach Hause trugen und mit einem Beil für den Küchenherd passend zerhackten. Mittels eines Blechschiebers konnte der Rauch vom Kamin aus dem Räucherhäuschen zugeleitet werden.

Der Vollständigkeit halber sei gesagt, dass in unserer Familie Fleisch und Wurst auch in Einweckgläsern sowie - kurz nach dem Krieg - in Konservendosen eingekocht worden sind. Schweineschlachten war damals, wie eingangs erwähnt, ein wichtiges Ereignis. Das erkennt man schon daran, dass mein Vater sich in seinem letzten Brief, den er am 14. November 1944 von der russischen Kriegsfront schrieb, bei uns Kindern erkundigte: »Wie schmeckt die Wurst vom Schwein, das Ihr geschlachtet habt?" Sie schmeckte so gut, dass wir sie alleine gegessen haben; denn Schlachtfeste, von denen in der Literatur so oft die Rede ist, sie gab es bei uns daheim nicht. Wir hatten keine