Notzeiten -

wer erinnert sich noch?

Therese Schneider, Brockscheid

Wann haben wir das letzte Mal erlebt, dass irgendetwas, was wir zum täglichen Leben brauchen, nicht zu kaufen war? Was man aus Jahren des Mangels gelernt hat und wie man sich helfen konnte, sei hier gesagt.

Zum Beispiel Salz.

Man braucht es täglich, denn ohne Salz wäre das Kochen nicht möglich. Doch Salz ist nicht nur ein Würzmittel, es findet vielseitige Verwendung, so auch in der Industrie. Salz gibt es genug auf der Erde, es fehlte aber in besonderen Zeiten an Arbeitskräften, es zu gewinnen, und auch an Hallen, wo es trocken lagern konnte. So auch während des Krieges und besonders in den ersten Jahren nach dem Krieg. Im bäuerlichen Haushalt wurde mehr Salz verbraucht als in anderen Haushalten, denn durch das Konservieren von Lebensmitteln war man genötigt, stets einen größeren Vorrat zu haben. So kaufte man das Salz nicht pfundweise, sondern im Zentner ein.

Bei der Hausschlachtung wurde das Fleisch in einen hölzernen, runden Bottich - in der »Fleischbütt« - eingesalzen, was sich Pökeln nennt. In Mundart nannte man es »solpern«. Heute wird fast nur noch in den Metzgereien Fleisch gepökelt, da in den neuerbauten Häusern keine Raucher-Häuschen mehr zu finden sind.

Das Einpökeln von Fleisch musste sehr sorgfältig geschehen und zwar nur in den Wintermonaten, damit nichts verderben konnte. Salz, Pfeffer und Zwiebeln waren die Zutaten, die zwischen das in Lagen geschichtete und fest angedrückte Fleisch gegeben wurden. Nach etwa drei bis vier Wochen hatte sich eine Lake gebildet - die Pökelbrühe. Sie roch angenehm würzig, und wenn man für das Mittagessen ein Stück Eingelegtes davon kochte, war das ganze Haus von diesem herzhaft appetitanregenden Duft erfüllt. Dazu gab's Sauerkraut, ebenfalls hausgemacht und eventuell Kartoffelmus. So hatte man ein Menü ohnegleichen!

Die Pökelbrühe konnte bis zum Frühjahr aufbewahrt und für das Würzen von Eintopfgerichten oder Soßen verwendet werden. Ein oder zwei Löffel davon genügten, um einen pikanten Geschmack zu erzielen.

Das Quantum Salz, das man für eine ganze Woche zum Kochen benötigte, wurde beim Brotbacken zu Hause auf einmal verbraucht. Heule wird in den Backereien mit Sicherheit genau nach Rezept alles abgewogen. Und damals? Es wurde ein IG-Liter-Eimer lauwarmes Wasser in den'Teig-Bottich gegossen, worin bereits am Tage vorher der Sauerteig angesetzt war, der die Eigenschaft hatte, den Brotteig zu durchgären und aufzutreiben. Nachdem in das Wasser soviel Mehl vermengt war, daß ein dickflüssiger Brei entstand, wurde gesalzen. Wie viele »Haffein oder Häffelchen« dazu gebraucht wurden, sah man dem Teig-Quantum an, gefühlsmäßig, aus Übung. Die älteren Hausfrauen würzen noch heute alles aus der Hand oder aus zwei Fingern heraus. Jüngere Hausfrauen nehmen lieber ein Löffelchen zur Hand, wie es auch in allen neuen Rezepten zu lesen ist.

Wie man in der entbehrungsreichen Zeit zu Speiseöl kam, wissen noch manche Leute. Im Herbst, wenn die Bucheckern reif waren, ging man zum Sammeln. Das war nur bei trockenem Wetter möglich. Die Bucheckern wurden in einer kleinen Behelfsmühle erhitzt und zerquetscht, so dass das Öl sehr langsam in ein unter der Mühle aufgestelltes Gefäß tropfte. Es dauerte manchmal stundenlang, bis einige Pfund Eckern verarbeitet waren. Backte man mit dem Behelfsöl Pfannkuchen, so war die Küche dunkel verräuchert und der Geruch kratzte in Nase und Rachen. Trotzdem half es dem »Küchenchef". Essig war auch nicht ausreichend zu haben. Doch es gab die Möglichkeit, einen Ersatz zu schaffen. Man füllte eine Tasse getrockneter Erbsen in eine saubere Flasche, übergoss sie mit abgekochtem, kalten Wasser bis oben hin und ließ sie drei Tage lang stehen. Die Erbsen säuerten und das Wasser nahm die Säure an. Die Flasche wurde, nachdem man die Erbsen herausgenommen hatte, fest verschlossen und kalt aufbewahrt. Auch dieser Behelfsessig war nicht das, was einen köstlichen Essig auszeichnet.

Hefe konnte man auch selbst gewinnen; besser gesagt, längen. Wenn man noch ein kleines Stückchen Hefe besaß, vermengte man dieses mit gekochten, kalten Kartoffeln, fein gestampft, unter Zugabe von etwas Zucker. Man füllte diesen Kartoffel-Hefebrei in ein hohes Einweckglas (etwa zwei Liter] zur Hälfte voll und band das Glas mit einem Stück Leinentuch zu. Dann stellte man es an eine warme Stelle, wofür sich am besten der kleine Stellplatz hinter dem Ofenrohr am Herd eignete. Der Gärungsprozess dauerte nicht lange; man konnte ihn durch das Glas mitverfolgen. Wenn es bis oben hin gefüllt war, war auch die nötige Reife für's Backen erreicht. So konnte man, je nach Größe der gewünschten Kuchen, für jeden eine Schöpfkelle voll von dieser Hefemasse rechnen und dem angerührten Teig zugeben. Alles andere lief in gewohnter Weise ab. Der Kuchen schmeckte gut und hatte eine besonders schöne Farbe.

Ließ man einen Rest der Masse im Glas zurück, so konnte durch Zugabe von Kartoffeln und etwas Zucker der Vorgang wieder erneuert werden. Günstig war, wenn man das Glück hatte, nochmals Hefe zu bekommen und diese mit einrührte, der Reife-Vorgang verkürzte sich dadurch.

Auch heute gibt es Hefeteig-Rezepte, unter Mitverwendung von Kartoffeln. So backe ich gerne zum Abendbrot Brötchen, die sehr gut schmecken und schnell fertig sind. Diese Rezepte stammen aus einer Zeit, wo man mit Weizenmehl sparsam umgehen musste. Der Weizenanbau war früher nicht so selbstverständlich; er setzte besonderes, gutes Ackerland voraus, was nicht überall gegeben war.

Hatte aber jemand eine gute Weizenernte, so wurde das Getreide verkauft und für den eigenen Bedarf nur ein Minimum zurückbehalten. So ist es auch zu erklären, dass in manchen Haushalten beim Brotbacken gleichzeitig aus dem Brotteig Fladen gebacken wurde. Dazu nahm man eine gute Handvoll Teig, gab zur Verbesserung etwas Zucker und Butter oder auch Öl hinzu und knetete die Masse mit Weizenmehl trocken aus. Belegt wurden diese Fladen meist mit Apfelstücken und ein wenig Butterstreusel. Es war jeder beliebige Apfel, so auch der »Frädapfel« verwendungsfähig. Er hatte weniger guten Geschmack, wuchs an alten knorrigen Bäumen und wurde erst im Spätherbst reif. Alle Kinder wussten, wo solch ein Apfelbaum zu finden war und man sich gütlich tun durfte.

Meist wurden diese Fladen im Herbst gebacken, zur Kartoffel-Erntezeit. Dann wurde auf dem Kartoffelacker der Nachmittag s-Kaffee eingenommen und so ein Fladen gerne verzehrt.

Grüne Bohnen spielten früher in allen Haushalten eine große Rolle. Sie wurden in großen Steinguttöpfen eingesäuert, später auch in Einweckgläsern eingekocht, so war man bis zum Frühjahr oder Sommer mit diesem ausgezeichneten Gemüse versorgt. Eine einfachere Methode der Haltbarmachung war, die Bohnen in Flaschen zu füllen. Das Gemüse wurde in gewohnter Weise geschnippelt und nach dem Waschen in saubere Flaschen gefüllt, mit kaltem Wasser nachgefüllt und bis zum nächsten Tag weggestellt. Dann wurde das Wasser erneuert, dieser Vorgang noch zweimal wiederholt und zum Schluss die Flaschen verkorkt und mit flüssigem Wachs übergössen, so dass die Korken luftdicht verschlossen waren. Die Bohnen blieben frisch und schmeckten wie gerade aus dem Garten gepflückt.

Das einfache Leben, wie es früher auf dem Lande gelebt wurde, ist vielen Zeitgenossen fremd geworden. Darum ist's gut, sich ab und zu doch nochmal zu erinnern.

Rezept für Feierabendbrötchen

Zutaten: 500 g Weizenmehl

200 g kalte, feingestampfte Kartoffeln

1 Teel. Salz

1 Teel. Zucker

1 /4 l lauwarmes Wasser

1 Päckchen Hefe oder Trockenhefe

Elektroherd: 175 Grad vorheizen, etwa 20-40

Minuten backen

Anmerkung: Man formt sehr kleine Brötchen,

etwa ein knapper Esslöffel voll Teig.