Verkauf der Schlachtschafe

Hubert Hab. Steiningen

Es muß wohl Ende des 19. Jahrhunderts gewesen sein, als der Landwirt und Schafzüchter Hubert Weber aus Steiningen sich anschickte, mit Hammeln in Richtung Hunsrück zu ziehen. Er folgte damit einer alten Tradition, denn immer im Herbst, bevor die Kartoffelernte begann, war die Zeit gekommen, da fremde Arbeitskräfte eingestellt wurden, um die vielen im Frühjahr gepflanzten Kartoffeln zu ernten und der Fleischvorrat aus der Schlachtung im Winter zur Neige ging.

So war denn die Ankunft von unserem Bettes (so nannten ihn die Bauern) stets willkommen. Er war es, der mit seinen Schlachthämmeln den dahingeschmolzenen Fleischvorrat wieder auffüllte, denn Kartoffelernte arbeit war harte Arbeit, und da durfte bei Tisch nicht gespart werden. Nicht vergessen werden sollte, dass gerade die Kartoffel zur damaligen Zeit großflächig angebaut wurde, denn sie zählte zu den Hauptnahrungsmitteln. So war es denn auch zu verstehen, dass immer dort, wo fremde Arbeitskräfte oder eine große Familie vorhanden waren, so ein Hammel der Lückenbüßer war bis zur nächsten Winterschlachtung. Seil Jahrzehnten war es derselbe Ort, in dem unser Bertes seine feste Kundschaft hatte und des Verkaufs seiner Schafe sicher war. Genau das war es denn auch, was die Bauern veranlasste, den Bertes, auf die guten Geschäftsbeziehungen hinweisend, daran zu erinnern, dass nun die Zeit gekommen sei, wo er einmal einen Hammel spendieren müsse. Da überlegte Bertes nicht lange und stimmte sofort zu, jedoch unter einer Bedingung. Der Hammel sollte sofort geschlachtet, am offenen Feuer gebraten und im Laufe der Nacht im Beisein aller Frauen verzehrt werden. Da gab es kein Zögern mehr, im Nu wurde der vermeintlich beste Hammel ausgesucht und sofort geschlachtet. Gleichzeitig waren andere schon dabei, das Feuer herzurichten. Die Nachricht von der unvorhergesehenen Spende hatte auch bei den Frauen im Dorf schnei! die Runde gemacht, und so ließen sie nicht lange auf sich warten, zumal dies ja auch eine nette Abwechslung im grauen Alltag war. Unser Bertes aber war in der Zwischenzeit nicht müßig gewesen. Er war ins Dorf gegangen und hatte dort für die notwendigen Getränke gesorgt. Korn und Zwetschenschnaps hatte er eingekauft, und das reichlich. Mit dem Eintreffen der letzten Frauen schien das Ganze sich zu einem Dorffest zu entwickeln. Gut gewürzt und gebraten wurde der Hammel verzehrt, und der Schnaps sorgte für Humor, gute Laune und Gemütlichkeit.

Viel zu kurz war die Nacht und kein Wunder, dass der Wunsch nach einer Wiederholung aus aller Munde kam.

Wie aber hatte unser Bertes die Nacht überstanden, und wie sah es mit dem Verkauf der Schafe an die Bauern aus? Dies war die erste Frage nach seiner Rückkehr in die Heimat. Die Antwort war eindeutig. Noch nie habe sich der spendierte Schnaps so gut bezahlt gemacht wie in jener Nacht, und noch niemals habe er (von den betrunkenen Bauern) seine Schafe so gut bezahlt bekommen; wenn das kein "Geschäft" ist!