Wegen Verbrechens der Zauberei hingerichtet

Erwin Schöning, Gerolstein

Wir schreiben das Jahr 1629. Die Eifelbevölkerung leidet unter den Räuberbanden, die plündernd, raubend und mordend das Land durchstreifen und unter Hungersnöten infolge von Missernten durch ungünstige Witterung. Auch die Cholera und die Pest fordern zahlreiche Opfer. Für die Untertanen in den Grafschaften kann dies alles nicht mit rechten Dingen zugehen. Sie suchen nach Gründen dafür, weshalb das ganze Unheil gerade sie so hart trifft. Weil der Aberglaube in der Bevölkerung noch tief verwurzelt ist, muss natürlich der Teufel oder eine Hexe im Spiel sein, und deshalb kommt es immer wieder zu Verdächtigungen. Während in der Nachbargrafschaft Blankenheim bereits im Jahre 1614 die Scheiterhaufen brannten, war der Hexenanwalt Dr. utr. jur. Johannes Moden, der die Prozesse in Blanken-heim leitete, nun auch in Gerolstein fündig geworden. Am 11. Dezember 1628 war hier Katharina (Threin) Kalterz als Hexe verbrannt worden. Die von ihr unter der Folter erpressten Denunziationen brachten weitere 18 Personen vor Gericht und zur Verurteilung. Heinrich von Mühlheim, gräflicher Amtmann der Grafschaft Gerolstein, hatte seine Kanzlei auf der Burg Niederbettingen. Mit Sorge verfolgte er die Prozesse. Er konnte einfach nicht glauben, dass dies alles Hexen gewesen sein sollten. Mit Katharina Kalterz, die von auswärts zugezogen war und in gräflichen Diensten auf der Burg Gerolstein stand, hatte er außerdem ein enges Vertrauensverhältnis gehabt. Deshalb war er auch nicht bei ihrer Hinrichtung zu- gegen gewesen, ganz entgegen seinen Dienstpflichten als Amtmann. Von den Prozessen hatte man ihn sowieso ausgeschlossen, deshalb konnte er auch nicht ahnen, dass Dr. Moden längst seine Fäden gegen ihn zog. Die belastenden Aussagen hatte der Hexenanwalt von den als Hexen verbrannten Personen unter der Folter erpresst.

Ende April 1629 erhielt Heinrich von Mühlheim einen Hinweis von diesen belastenden Aussagen. Er richtete sofort ein Gesuch an den Grafen, in dem er bat, ihm jede Möglichkeit zu seiner Rechtfertigung einzuräumen, einschließlich die Berufung eigener Verteidiger. Am 12. Mai 1629 erschien ein Bote in der Kanzlei und überbrachte eine Nachricht des Grafen, in der der Amtmann aufgefordert wird, sich am Abend auf der Burg Gerolstein zu einer Unterredung einzufinden. Wie ihm befohlen, ritt Heinrich von Mühlheim nach Gerolstein auf die Burg, wo er jedoch nicht vom Grafen vorgelassen, sondern in ein Zimmer geführt wurde, das man von außen verschloss. Erst am nächsten Morgen traten Dietrich Zandt von Merl, Erbvogt zu Hamm, und Arnold Deutsch von der Kaulen, beide Vasallen des Grafen, in das Zimmer und eröffneten ihm den Haftbefehl des Grafen. Er habe sich bis auf weiteres auf der Burg aufzuhalten. Sie händigten ihm den Beschluss aus und führten ihn in die Arrestzelle der Burg. Heinrich von Mühlheim verlangte, dass man ihm einen Advokaten zuweist. Er wählte Dr. Johann von der Dussel, theologischer Rechtsgelehrter und Schöffe des churfürstlichen hohen weltlichen Gerichts zu Köln.

Am 15. Mai begannen die Voruntersuchungen gegen ihn. In Anwesenheit von Dr. von der Dussel, Dr. Heinrich Aldenhofen, Wilhelm Reipels, Schultheiß von Gerolstein sowie der beiden Schöffen Johann Reipels und Anselm von Zandt, wurde ihm ein Katalog mit 33 Fragen vorgelesen, die sich alle auf die Denunziationen von bereits hingerichteten Hexen bezogen und wozu er sich äußern sollte. Es waren Aussagen von Maria Mecken und Kunegunde Junk aus Bewingen, sowie von Nieth Meyers und Kathrin Carls aus Lissendorf, die unter der Folter erpresst worden waren.

Heinrich von Mühlheim beteuerte immer wieder seine Unschuld. »Ich kann nichts anderes sagen«, verteidigte er sich, »es muss der Teufel oder sonstige böse Leute es ihr eingegeben haben!« Er wies darauf hin, dass eine von den Frauen bereits 70 bis 80 Jahre alt war, die solches vielleicht unter der Tortur gesagt habe. Der Amtmann: »Ich gebe es Gott, dem obersten Richter anheim, ob sie ein falsches Zeugnis über mich abgelegt hat!" Die Fragen 12 bis 24 bezogen sich auf sein Verhältnis zu der hingerichteten Katharina Kalterz. Der Amtmann bestritt, dass er die Person ins Land geholt habe. Der gnädige Herr Graf habe ihr selbst die Gnade gegeben. Sie sei wohl in seinem Haus ein- und ausgegangen, weil sie ihm leid getan habe. Er habe ihr deshalb auch etwas zum Lebensunterhalt gegeben. Nach der Befragung überreichte Dr. von der Dussel dem Amtmann im Beisein der anderen Herren das Original des Protokolls, damit dieser es noch einmal überprüfe und eventuelle Einwendungen einbringe. Gleichzeitig erklärte Dr. von der Dussel, dass er die Verteidigung übernehme.

Am 19. Mai übergibt die Ehefrau des Amtmannes dem Grafen eine Bittschrift, Der gnädige Herr Graf möge den Hexenanwalt Dr. Moden von allen weiteren Verhören entbinden, da ihr Mann ihn wegen Befangenheit ablehne. Auch die vom Grafen berufenen Rechtsbeistände Dr. Aldenhofen und Dr. von der Dussel lehne ihr Mann ab.

Der Graf ließ die Bittstellerin wissen, dass er, sobald der Prozess vorbereitet sei, den ganzen Vorgang auf des Amtmannes Kosten an einen unabhängigen Schöffenstuhl senden werde. Nach eingeholtem Gutachten wolle er was Recht ist, Recht sein lassen. Er gestattete dem Amtmann, die Anwälte Dr. Fischer und Dr. Münster als Rechtsbeistand zu berufen. Am Tage darauf wendet sich Heinrich von Mühlheim mit einer Bittschrift an den Grafen, Er bittet, den Prozess gegen ihn zur Überprüfung an eine Universität zu übersenden und ihm das Gefängnis gegen Kaution zu erlassen. Des weiteren bat er, den Dr. Moden von weiteren Handlungen zu entbinden und einen anderen Rechtsgelehrten zu befehlen, den "peinlichen" Prozess durchzuführen.

Am 21. Mai wird Heinrich von Mühlheim wieder zum Verhör geführt. Man warf ihm vor, dass er die »wegen Zaubereilasters diffamierte und verdächtige, durch Schöffen Urteil zum Feuer verdammte Threin Kalterz« nicht zur Exekution auf den Richtplatz begleitet und der Hinrichtung beigewohnt habe, obwohl es des Herrn Amtmannes Amt und vom Grafen befohlen gewesen sei. Statt dessen sei er ins Feld geritten, so dass der Graf einem anderen befohlen habe, der Hinrichtung beizuwohnen. Außerdem wiesen sie ihn darauf hin, dass die fünf hingerichteten Personen sich auch nach der Beichte zu ihren Missetaten bekannt und nichts von ihren Aussagen gegen ihn zurückgenommen hätten. Über das Hauptverfahren gegen Amtmann Heinrich von Mühlheim existieren keine Prozessakten mehr. Noch während der Voruntersuchung gegen ihn liefen weitere Prozesse gegen sogenannte Hexen in Gerolstein. In den Jahren 1628/29 wurden vor dem Gericht in Gerolstein 32 Prozesse durchgeführt. Der am 20. September 1629 hingerichtete Johann Mies aus Gönnersdorf denunzierte neben dem Pfarrer Petrus Hildenbrandt von Esch auch den Amtmann aus Gerolstein, und die am 31. Oktober 1629 hingerichtete Anna Creutz aus Walsdorf benannte neben dem »Pfaffen von Esch« auch den »Pastor von Wiesben« und »den Mann mit den goldenen Schüren auf den Buxen-, womit sie den Amtmann von Gerolstein meinte. Wenn die angeklagten Personen »ad Torturam« verwiesen wurden, erhielten die Hexenanwälte jede gewünschte Aussage. An Foltermethoden wurde zuerst die Streckfolter angewendet, durch Hochziehen an den auf dem Rücken zusammengebundenen Händen. Als Verschärfung der Folter diente das Anlegen von Quetsch- oder Schienenschrauben an Unter- und Oberschenkeln. Ein ganz schreckliches Folterinstrument war der »Hackerstuhl« oder Wachhaltestuhl. Bei diesen Foltertorturen wird auch der Gerolsteiner Amtmann seine zur Last gelegten »schändliche Taten« zugegeben haben.

Am 29. November 1629 wurde Amtmann Heinrich von Mühlheim zum Tode wegen des »schändlichen Verbrechens der Zauberei" verurteilt, das Urteil gegen ihn durch Enthaupten mit dem Schwert vollstreckt. Mit ihm wurde Anna Clemens, vermutlich auch aus Gerolstein, durch Erdrosseln hingerichtet. Die Leichen der beiden wurden anschließend in Reisighütten verbrannt, wie das bei Hexen damals üblich war.

Literaturangaben:

Adolf Kettel : Von Hexen und Unholden - Hexenprozesse in der West- und Zentraleifel. Geschichtsverein '' Prümer Land '' 1988.