Das Eulenhaus

Gabriele Engelbert, Flieden-Rückcrs

Eines Tages waren wir weit, weit hinaus über Land gefahren. Einen Weg, schwierig zu finden. Aber dann standen wir vor einem Häuschen mitten im Hochwald. Das graubemooste Dach breitete sich still über Holzschindelwände mit kleinen Fenstern auf dicken Feldsteinmauern. Die überwucherte Eingangstreppe musste man erst eine Weile suchen. Efeu umrankte das schmiedeeiserne Geländer mit seltsamen Verzierungen. In die Mitte war der Umriss eines Vogels hineingearbeitet. .•Eine Eule?« wunderte sich Sabine. Der alte Makler, der uns alles zeigen sollte, nickte: »Ja, es wurde immer 'Eulenhaus< genannt.«

Der kleine Sören machte große Augen: »Ein Haus von Eulen?"

»Nicht von Eulen«, sagte Sabine, »für Eulen!« Der alte Makler schüttelte den Kopf. »Nein, nein, es heißt nur so. Warum, weiß ich nicht. Aber es gibt sicher Eulen ringsum im Wald." Er versuchte vergeblich, die alte Haustüre aufzuschließen. Es war, als wollte das Haus verschlossen bleiben.

»Erzählen Sie mal!« sagte Hedwig. "Wer wohnte denn hier?«

Der Alte brummte ärgerlich. Was mit der Haustür los sei! Und viel wusste er auch nicht! Kopfschüttelnd fingerte er nach der Pfeife in seiner Jackentasche. »Ehrlich gesagt, für diesen alten Kasten hat sich noch nie jemand interessiert! Eine alte Frau wohnte hier früher. Ist lange tot. Jetzt gehört's Leuten in der Stadt. Die waren aber nie hier.»

Ulf setzte sich auf das halbhohe, allersdunkle Steinmäuerchen und baumelte mit den langen Beinen. »Hach, herrlich!« Er sog tief die Luft ein. Hoch oben schwankten die Kiefernwipfel vor dem Blau.

»Drüben sind nur Buchen", sagte Hedwig. »Sieh mal, wie dicht alles ist! Holunder und Ebereschen, wilde Kirschen . .., das ganze Unterholz und Gestrüpp.. .!« »Und Himbeeren!« jubelte Sabine. »Und hier: Kuckucksklee!« »Ach, das Grundstück ist riesengroß!« Der

Makler paffte aus seiner Pfeife. »Alles Wald. Hat sich niemand mehr drum gekümmert über Jahrzehnte! - Sie wollen wohl nicht drauf herumgeführt werden?- setzte er erschrocken hinzu.

"Doch, natürlich!« sagte Ulf grinsend. "Später. - Was tat die alte Frau hier im Wald?" »Ach, die war seltsam, sagen die Leute. Eine Förstersfrau, aber der Mann lebte schon lange nicht mehr. Sie war immer allein. Geisterte so herum im Haus, im Wald, ich weiß nicht., . soll reich gewesen sein, aber die hatte nichts und machte nichts Ordentliches.« Hedwig betrachtete immer noch den Himmel zwischen den sanft schwankenden Wipfeln. "Diese Stille! Und nachts keine Lichter! Stell' dir das vor, Ulf! Wir könnten nächtelang Sterne beobachten!»

"Hinterm Haus ist ein Stück Wald gerodet. Da ginge das!« Der Makler grinste etwas verächtlich über soviel Begeisterung. "Ja, und Federball spielen könnte man!« rief Sabine.

"Und Eulen hören«, sagte Sören langsam mit großen Augen.

Wir waren ganz still. Wir sahen uns nur an, alle vier, und konnten das Glück nicht fassen. Ein Windstoß fuhr durch die Bäume, es war, als begännen die Zweige zu uns zu flüstern.

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