Inventarium aus dem vorigen Jahrhundert
Christa Feltgen, Steffeln
Wenn im vorigen Jahrhundert ein Familienvater starb, musste von Amts wegen für seine unmündigen Kinder ein Verzeichnis seine Vermögens aufgestellt werden. Seine Witwe und ein Vormund hatten dann dafür Sorge zu tragen, dass dies Vermögen den Kindern so gut es ging erhalten blieb. Besonders für den Fall, dass auch der Mutter etwas zustoßen sollte oder für den Fall, dass sie eine neue Ehe eingehen würde, war so ein Inventarium unerlässlich. Im Gegensatz zu vielen heutigen Haushalten ging es früher bei den Menschen sehr einfach zu. Beim Einrichten ihrer Häuser beschränkten sie sich auf das Notwendigste. Da auch die Preise oft über lange Zeiträume hin stabil blieben, war das Taxieren leicht und so ein Verzeichnis konnte schnell erstellt werden, sieht man einmal davon ab, dass es mit der Hand geschrieben werden musste. Heute wäre es weitaus schwieriger, den Wert eines Vermögens festzulegen, und was sich in den modernen Haushaltungen an Geschirr, Glas, Porzellan und vor allem Plastik im Laufe der Zeit ansammelt, würde auch den geduldigsten Taxator überfordern. So ein Inventarium aus der alten Zeit ist für einen Volkskundler von heute von großem Reiz. Wird doch darin präzise das Hab und Gut: Hausrat, Arbeitsgeräte, Textilien, Schmuck, Viehbestand und Landbesitz, Schulden und Forderungen aufgelistet. Hat man ein paar Grundkenntnisse von der damaligen Zeit, kann man aus all dein viele Schlüsse ziehen. Wenn da etwa in einem Vermögens-Verzeichnis sieht: »Kein Bargeld vorhanden«, hieß das noch lange nicht, dass diese Leute arm waren. Einen größeren Geldbetrag im Haus zu haben, war früher nicht üblich. Geld, das etwa ein Bauer nach dem Verkauf der Ernte übrig hatte, ging meist wieder in den Ankauf von Saatgut und diente zum Bezahlen von Schulden, und Zinsen. Nur durch den Kleinverkauf von Nahrungsmitteln bekam eine Bäuerin damals Bares in die Finger. Handwerker bekamen oft nur einmal im Jahr ihre Rechnungen bezahlt und ein Lehrer nur einmal im Jahr sein Gehalt. Der Tauschhandel war noch in vielen Bereichen gang und gäbe.
Da sich viele Menschen in der alten Zeit keine Pferde leisten konnten, wurden für die Feldarbeit Kühe eingesetzt. Die gaben sowieso nicht so viel Milch, wie die von heute, so bedeuten mehrere Kühe in einem Inventarium noch lange nicht, dass man in diesem bäuerlichen Betrieb viel Milch erwirtschaftete. War kein Land vorhanden, muss man nicht unbedingt davon ausgehen, dass der Verstorbene Tagelöhner war. Ein Acker konnte auch gepachtet werden. Tauchen im Inventar ein Wagen und gesundes Vieh auf, bedeutete das eventuell auch, dass ihr Eigentümer sie zu Fahrdiensten oder Waldarbeiten eingesetzt hat. Aus der Einrichtung einer Küche da steht in den Vermögens-Verzeichnissen auch noch das letzte Tellerchen ist es möglich, auf die Eßgewohnheiten in einem Haus zu schließen und aus der Menge an Vieh und Ackergeräten auf die Anzahl der Menschen, die zu dem Haushalt gehörten.
Vor kurzem ist zu diesem Thema ein Buch erschienen, in dem von Josef Mangold Wohnen und Wirtschaften im Monschauer Land aufgezeigt wird. An Hand von Inventarien aus dem vorigen Jahrhundert ist es ihm möglich gewesen, die Lebensweise einer ganzen Region aufzuzeigen, wie etwa den Weg der Schlaf unterlagen vom Strohsack über die Flockensäcke bis zu den teuren Seegras- oder Rosshaarmatratzen.
Das folgende Vermögens-Verzeichnis wurde mir freundlicherweise von einem Nachkommen der dort angeführten Halbwaise überlassen. Die Liste der Verbindlichkeiten am Ende des Inventariums erzählt eine ganze Geschichte von Krankheit, vergeblichen Arzt- und Apothekerbesuchen und endlich auch von Tod und Begräbnis.
Vermögens-Verzeichnis
über den Nachlass des am neunten März acht-zehnhundertfünfundsiebenzig zu Steffeln verstorbenen Friedrich Georg Heckelmann, Ehemann der Margarelha Juchems von daselbst, welcher mit derselben ein Kind namens Anton Heckelmann, geboren allda am ersten August achtzehnhundertvierundsiebenzig, hinterlassen hat.
Errichtet durch die überlebende Mutter Margaretha Juchems unter Zuziehung und Mithandeln des Nebenvormundes Hermann Heckelmann, Eisenbahnaufseher, wohnhaft zu Jünckerath, und des gesetzlichen Taxators Kaspar Zimmers, ohne Stand zu Prüm wohnhaft.
heute den zwölften April achtzehnhundertfünfundsiebenzig, wie folgt:
Titel l Immobilien:
A. Grundstücke, die dem Verlebten allein gehörten. Sind keine vorhanden.
B. Solche Grundstücke, die in der Ehe erworben sind.
Sind keine vorhanden.
Titel II Ausstehende Forderungen:
1. Die Eheleute Anton Wolff, Handarbeiter, und Katharina Mark Pfg.
Heckelmann von Prüm schulden
von baarem Darlehen 30
Titel III Baares Geld: War nichts
vorhanden.
Titel IV An Uhren, Gold- und Silbersachen pp.:
1. Eine silberne Zylinder-Taschenuhr mit Gehänge, taxiert 18
2. Eine alte schwarzwälder Hausuhr mit Ketten
und zwei gusseisernen Gewichten, geschätzt 4 50
Titel V An Porzellan, Gläsern, und Steingut:
1. Zwanzig steinerne Milchtöpfe
und ein größeren dito, geschätzt 3
2. dreißig porzellanene Teller, zwei irdene Schüsseln,
dann zwei porzellanene Schüsseln taxiert 6
3. zwei große porzellanene
Schüsseln - 50
4. ein irdener Kaffeepott, ein steiner Krug
nebst drei anderen irdenen Geschirrn 50
5. ein Dutzend porzellanene Kaffeetassen 1
6. drei glasenen Salz und Pfeffer
Kannchen und ein porzellanenes Senf-Gefäß, Taxe - 30
7. zwei Biergläser, ein kleines Fläschchen
dann ein porzellanenes MiIchpöttchen 30
11 60
Titel VI An Zinn, Kupfer, Metall,
Messing, Blech und Eisen:
1. eine Zylinder-Hängelampe, geschätzt 1 50
2. vier eiserne Kochlöpfe und ein dito Kaffeekessel Taxe 6
3. eine Kuchenpfanne und eine Schmalzpfanne mit
vier blechenen Kochlöffel, taxiert 4
4. ein alter Kochofen mit Rohr, geschätzt 12
5. zwei blechene Eimer alt
geschätzt - 50
6. eine kleine blechene Stuben-sprenze, eine alte Milchseihe und
ein dito Trinkges'chirr taxiert - 50
7. eine eichene Stichlampe mit dito kleinen Töpfchen zusammen 1
8. eine alte Axt und dito Hegge 1
9. eine alte Feuerzange, eine dito Schippe und dito Spaten
geschätzt - 40
10. zwei alte Hauen, ein Haiel, zwei alte Greife und dito Karst 1
11. eine Hafersense, einen Haidehauer mit zwei Würfen taxiert 1
12. Fünfzehn Essgabeln,
sechzehn Messer und achtzehn Esslöffel zusammen 4
13. ein Rasiermesser - 70
14. eine blecherne Laterne, eine dito Kaffeedose
und ein Kaffeemühlchen taxiert mit hölzenem Salzmörser zu 1
15. zwei alte Wagenschüssel und Balken 40
16. ein Klopfstock mit Schleifstein und Hammer Taxe 50
35 50
Titel VII Leinezeug und Betten
1. zwei Bettladen geschätzt 33
2. neunzehn gute Betttücher und zwei alte dito 63
3. drei Strohsäcke 4 50
4. vier lange und vier kurze Kopfpolster 4 80
5. zwei gesteppte Bettdecken 9
6. sechs Ellen groben und achtzehn Ellen feinen Leinentuchs 12
7.vier Pfund grobes Leinengarn 1
8. zwei Tischtücher 4
9. vier Mehl- und Fruchtsäcke 1
10. fünf Haustücher 1 50
133 80
Titel VIII An Möbeln und Hausgeräten:
1. ein Tisch von Eichenholz taxiert 9
2. eine Backmulde mit Deckel 6
3. acht Stühle 6 40
4. ein Rinth Reisestecken taxiert 50
5. drei hölzerne Eimer taxiert 1 50
6. zehn alte Gebetbücher taxiert 1
7. zwei alte Spiegeln taxiert - 30
8. ein Fußbänkchen taxiert - 30
9. ein Kleiderschrank mit zwei Türen und zwei Schubladen
von Eichenholz 30
10. eine Kiste 12
11. drei andere Kisten 9
12. ein Butterfass 4 50
13. zwei Spinnräder 4 50
14. drei Rechen - 80
15. ein Drahtfruchtsieb 1 50
87 30
Titel IX An Kleidungsstücken
des Verlebten:
1. dreizehn gute und drei alte Hemden 30
2. drei Röche neues Tuch und Zeug 24
3. drei Tuchwesten 6
4. drei Hosen von Tuch und
Zeug 18
5. zwei Halstücher, davon ein seidenes 4
6. zwei Taschentücher 1
7. ein Hut und eine Kappe 1
8. zwei blaue Kitteln 3
9. ein Paar Schuhe und ein Paar
Stiefeln 1 50
88 50
Titel X An Wagen und Geschirre:
1. ein neuer Wagen mit Mechanik und Zugsträngen geschätzt 102
2. eine Leiter, ein Wiesbaum
und vier Wagenleiter Hölzer 4
3. zwei unbeschlagene neue Pflugräder nebst eingelassenem und
fertigem Pflug Gehölz, nebst dem Beschlag Eisen dazu,
Achsestange, Kelter und Schar nebst Röster,
das Eisen noch alle neu eingerichtet taxiert 24
4. zwei Fruchtreiter 6
5. eine Fochwanne 12
148
Titel XI Viehbestand:
1. eine Kuh fahlrot mit aufgeworfenen Hörnern geschätzt 150
2. eine Kuh fahlrot, hat nur ein
Horn 120
3. eine Kälbin trächtig nämlicher Farbe 105
4. ein Kuhrind selbiger Farbe 60
5. ein dito 48
6. zwei Hühner 2
485
Titel XII An Vorrat zum Gebrauch:
1. zwei neue Tannenbord und altes Gehölz
nebst zwanzig Fuß eichene Pfosten und mehreren
Tannengerten taxiert 6
2. drei Ruthen Hölzer, fünf Stück eichene ? Diele
und zwei buchene dito 9
3. zwanzig Zentner Heu 60
4. fünfzehn Schlaufe Kornstroh und anderes Kornstroh,
zusammen 4 Zentner 8
5. ein Zentner Grumet 3
6. eine kleine Waschbude 1
7. ein Zentner Rommelen 3
8. einer und ein halber Scheffel Hafer 18
9. fünf Scheffel Korn 30
10. sechs Scheffel Speltz 18
11. ein Scheffel Heidekorn 3
12. dreißig Zentner Kartoffeln geschätzt 45
13. sechs Wagen Dünger 18
14. den Ertrag der Kornsaat von vier Parzellen,
ganze Fläche ein Morgen 85 Ruthen
ungünstiger gegenwärtiger Aussicht 36
258
Titel XIII, XIV nicht anzuführen
Titel XV An Schulden:
1. Johann Königs von Steffeln
fordert für baares Darlehn laut Schuldschein 150
2. derselbe: Zinsenrückstand 7 50
3. derselbe wegen Haferstroh 7
4. Christof Klein von Basberg für Darlehen laut Schein 36
5. derselbe: zwei Jahre Zinsenrückstand 3 60
6. Doktor Kersten von Stadtkyll
für ärztliche Behandlung 24
7. Christof Blaumeiser von Steffeln für Aufwartung bei
der Krankheit 2
8. Schreiner Wilhelm Schloehser
von Steffeln für den Totensarg 3 50
9. der Pastor Stabel zu Steffeln
für Stolla Gebühren 7 15
10. Lehrer Schröder von Sleffeln
laut Schein 60 09
11. derselbe: einjährige Zinsen 2 96
12.derselbe:fürKüstergebühren 1 50
13. Minorennen Faber von Steffeln für Darlehn laut Schein 30
14. Nebst Zinsen vom ersten Februar laufenden Jahrs
15. Apotheker Veling zu Hillesheim für Medikamenten 12 70
16. Dr. Gerome zu Hillesheim für ärztliche Behandl. 47
17. Johann Kloepp von Hillesheim für Waren 40
18. Apotheker Ibach zu Stadtkyll
für Medikamenten 1 55
19. Witwe Koenigs von Steffeln
für Darlehn und Fuhrarbeit 56 90
20. Peter Weinand von Steffeln fürAufwarten 3
21. Peter [Viertes von da für dergleichen 6
22. Peter Weinand von da für Schneider-Arbeit 1 10
23. Peter Juchems von Steffeln
für Fuhrlohn 3
24. Dr. Bach in Birgel für ärztliche Behandlung 2 50
25. An Taxator Kaspar Zimmers von Prüm
für Aufnahme des Gegenwärtigen incl, Reisekosten 13 50
402 95
Zusammenstellung
Titel II bis XII Mark 1 300 70
Titel XV gehen ab Passiven wie oben 482 95
Bleibt reiner Nachlass 877 75
= achthundert siebenzehn Mark fünf und
siebenzig Pfennige
Erklärungen:
1. Vormünderin und Nebenvormund befragt, ob sie an dein Minorennen zu fordern hätten, beantworteten die Frage mit nein.
2. Ebenso gab die Vormünderin und Nebenvormund an, wie ihnen weiter nichts bekannt sei, was zur Aufnahme in gegenwärtigem Vermögensverzeichnisse gehöre.
3. Beide versicherten die Richtigkeit dieses Verzeichnisses, behielten sich indessen vor, wenn ihnen später noch etwas als dazu gehörig beifallen sollte, es nachtragen zu können.
4. Ob der Verlebte Barschaft in die Ehe eingebracht, hat sowohl sie wie der Nebenvormund nicht angegeben, auch die Witwe ihrerseits hat deshalb nichts erklärt.
Es wurde daher Gegenwärtiges geschlossen und nach Einsicht und Verlesung unterschrieben zu Steffeln im Sterbehause am Tage, Monat und Jahre wie Eingangs angeführt. Die Vormünderin: gez. Wittwe Heckelmann Der Nebenvormund: gez. Heckelmann Der vereidete Taxator: gez. Zimmers.