Mein bester Freund

Von irgendwas war ich aufgewacht,

lag da und lauschte den Stimmen der Nacht,

rief den Schlaf herbei und die Träume.

Gedanken und Sorge holten mich ein,

durch's Fenster fiel hell der Mondenschein,

sanft rauschten im Nachtwind die Bäume.

Dann stand ich auf, verließ leise den Raum,

den Gefährten nicht zu stören im Traum,

er ruhte von des Tages Mühen.

Ich holte mir ein Buch aus dem Schrank

und setzte mich an die Fensterbank,

sah draußen die Wolken ziehen.

Still lag das Dorf, nur selten ein Licht,

und das Buch in der Hand bekam plötzlich

Gewicht, als wollt' es mich etwas fragen.

Sanft strich meine Hand übers kühle Papier,

du fragst mich, was bedeute ich dir,

ich will es dir gerne sagen:

Seit ich lesen kann, bist du mein bester Freund,

so oft habe ich mit dir gelacht und geweint,

mein Gefährte bei einsamem Mahl.

Mein Prinz, mit dem ich die Liebe erlebt,

Idol, nach dem ich so herzlich gestrebt,

mein Märchen: »Es war einmal..."

Mein Reisebegleiter in alle Welt

für Menschen mit Fernweh und wenig Geld,

stets warst du zur Reise bereit:

Ich sah die Arktis in ewigem Eis und Schnee,

die Berge der Alpen in schwindelnder Höh,

sah auch menschliches Elend und Leid.

So fand ich bei dir Entspannung und Gluck

und kehrte doch gerne stets zurück

in den Alltag mit neuem Mut.

Fühl' ich mich heut leer und ausgebrannt,

so nehme ich mir ein Buch zur Hand,

und dann geht's mir wieder gut.

Thekla Heinzen. Feusdorf