Du liebe Zeit...

Josef Jakob, Jünkerath

Diese Geschichte ist mir vor Jahren als so geschehen erzählt worden. Basberg und Hilles-heim, eine silberne Taschenuhr, Johann (Jannes) und Thommes spielen darin eine Rolle. Vom Leser ist zu beachten, dass damals die Redewendung »Zeit ist Geld« ebenso wenig zum täglichen Umgang gehörte, wie eine Armbanduhr. Johann, der Besitzer der Taschenuhr, verdankte das Prachtstück seinem Duppacher Großvater. Mit dem Älterwerden des jetzigen Besitzers hatte der Zeitmesser sich in ein Ausstellungsstück verwandelt. Vor allem an Feiertagen zierte es unübersehbar sein Festtagsgewand. Um genau zu bleiben: Die Kette mit ihren wuchtigen Gliedern war das Schmuckwerk. Sie verband das im Uhrtäschchen ruhende Erbstück in einem unübersehbaren silbernen Bogen mit einer kleinen Silbermünze an einem Knopfloch. Und nur, wenn Beachtung zu erwarten war, zog der Besitzer die Uhr für einen Blick auf die abgelaufene Zeit heraus. Mit einem Male hielt das Uhrwerk an, wollte nicht mehr. Alles Aufziehen, Rütteln, Zeigerdrehen half nicht. Sie dem Hillesheimer Uhrmacher zu geben, wäre naheliegend gewesen. Dem aber standen die möglichen Reparaturkosten hindernd im Wege. Als Helfer in der Not fiel dem Basberger der Gelegenheits-Uhrmacher Thommes aus dem Marktort ein. Der hatte das Handwerk des Uhrmachens einst erlernt, lange ausgeübt, dann aber Geschäft und Beruf aufgeben müssen, weil der leichtfertige Umgang mit Schnaps und Bier ihn so weit gebracht halte.

Man kannte sich von Markttagen her, hatte gelegentlich ein Gläschen miteinander getrunken und sich dabei auf »Thommes« und »Jannes« geeinigt. Einen dieser Markttage nutzte der Basberger dazu, dem Hillesheimer seine Sorge mit dem Zeitmesser vorzutragen. Der hob das Schmuckstück ins Licht, nickte mit dem Kopf, ließ den Uhrdeckel hochspringen, schaute das Gangwerk an, meinte dann: »Jood Stock!« Erst danach folgte die Zusage, das Werk "bald« wieder in Gang zu bringen.

Dass jener unter "bald« kein zeitlich eng gefasstes Versprechen hielt, konnte dieser nicht ahnen. Man begegnete sich nicht so oft, dass ständiges Nachfragen in Hillesheim hätte lästig werden können. So verfloss das erste Jahr ohne Anfrage und das erste Drittel des zweiten Jahres war vergangen. Da meinte Johann, er müssen nun doch einmal. .. Der Angefragte schob das Gespräch flott in eine andere Spur.

Des Basbergers Frau mahnte — wieder Monate danach — ihren Mann, sich um sein Erb-Gut zu kümmern. Guten Willens nahm der sich vor, die nächste Gelegenheit wahrzunehmen. Die ergab sich um die Weihnachtszeit. Ein gewisser Erfolg tröstete den Nachfragenden und seine Frau. Thommes hatte, durch Händedruck und gütigen Augenaufschlag unterstrichen, zugesagt, »dat Dönge« schnell in Ordnung zu bringen.

Zum Weißen Sonntag des folgenden Jahres stand die Erstkommunion der Tochter ins Haus,

Dieser Tag in festlichem Gewand ohne Uhr? Undenkbar!

Von seiner Frau erneut aufgerüstet, schritt der Uhr-Erbe im Frühjahr des dritten Wartejahres energisch auf sein Ziel los. Am Markttag betrat er des Uhrmachers Haus, missachtete den freundlichen Gruß der Hausfrau durch kurzes Kopfnicken, erfragte die Tür zur Werkstätte des Wortbrüchigen, klopfte einmal kräftig an, trat in die Stube des Meisters. »Os dat jood Stock parat?" klang es heftiger, als es dem gemäßigten Temperament des Anfragenden entsprach. Dem folgte ein knappes, gut zu vernehmendes Gespräch, das bei dem Uhrmacher Thommes sachlich und abschließend endete: »Lewe Jannes, hätt ech je-woßt, dat dou dat Dönge so flott bruchs, hätt ech dat niiiie aanjehollt. Holl denge Wecker, loß mir mei Rouh, on jank denger Wach.!!« Auf diese Art von Gespräch hatte der Basberger sich nicht eingestellt. Wortlos nahm er sein gutes Stück entgegen und ging seiner Wege.