Anrüchiges auf dem Lande

Günther Heerwagen, Birgel

Heutzutage sind sie rar geworden, die Misthaufen, die früher vor jedem Bauernhof zu finden waren und vom Viehreichtum und der Größe des zugehörigen Hofes zeugten. Nach dem von Deutschland verlorenen Ersten Weltkrieg waren zunächst in der hiesigen Region amerikanische Truppen eingerückt. Ihnen war eine kleinbäuerliche und dörfliche Landwirtschaft fremd, waren sie doch in den USA riesige Farmen gewohnt. So wurden die Misthaufen vor den Bauernhöfen ein Stein des Anstoßes. Das Schreiben des Präsidenten des Trierischen Bauernvereins »an alle Behörden" vom 5. April 1919 gibt anschaulich die Problematik dieser wahrhaft anrüchigen Angelegenheit wieder. "Durch Proklamation der amerikanischen Besatzungsbehörden vom 4,/5. April ist die Anhäufung von Pferde- und Viehdünger in den von den amerikanischen Truppen besetzten Ortschaften vom 1. Mai ab verboten. Die Düngerhaufen sollen wenigstens 1000 Meter von der Ortschaft entfernt angelegt werden. Vorhandene Düngerhaufen müssen bis zu diesem Zeitpunkt geräumt werden. Durch diese Verordnung entstehen für unsere rheinische Landschaft ungeheure Verluste, der Ernteertrag wird stark herabgesetzt und zwar ausfolgenden Gründen:

1. Der alte Kulturboden unseres Landes bedarf, um ergiebig zu sein, dauernder Zuführung von Pflanzennährstoffen. Jungfräuliche Böden, wie sie die Vereinigten Staaten von Nordamerika besitzen, haben wir überhaupt nicht. Während des Krieges haben wir aus Düngermangel Raub Wirtschaft getrieben. Jetzt sind unsere Äcker an Nährstoffen ganz verarmt. Kunstdünger ist nur in ganz geringen unzulänglichen Mengen zu haben und das Gebot der Stunde heißt äußerste Ausnutzung des vorhandenen Stallmistes, der, wenn er nicht verderben soll, beständig mit Jauche, die nach dem Aufbringen wieder in die Grube zurückfließt, feucht gehalten werden muss.

2. Bei der Anlage der Düngerhaufen in einer Entfernung von 1000 Metern von der Stelle ist die pflegliche Behandlung ganz ausgeschlossen, weil es an Jauche und Jauchegrube fehlt. Es bilden sich in den Düngerhaufen denitrifizierende Mikroorganismen, die den Dünger stickstoffarm machen. Dabei gehen bei dem heutigen Stickst off p reis Millionen verloren.

3. Der Stickstoffverlust ist nicht zu ersetzen, weil künstliche Stickstoffmittel nur in beschränktem Umfang zu haben sind. Der Stickstoff bildet aber die Basis für unsere Erträge und darum wird unsere Ernte durch die ungenügende pflegliche Behandlung des Stalldüngers gefährdet.

4. Die Landwirte haben großen Mangel an Zugtieren. Wenn der Dünger wöchentlich zweimal von dem Gehöft entfernt werden muss, bleibt andere wichtige Kulturarbeit ungetan und die Herabsetzung der Ernteerträge ist auch aus diesem Grunde notwendige Folge.

Wir bitten deshalb die Landesregierung, bei den amerikanischen Besatzungsbehörden um Aufhebung oder Milderung der Verordnung vorstellig zu werden. Gesundheitliche Schädigung der amerikanischen Truppen dürfte aus der Anhäufung von Dünger innerhalb der Ortschaften nicht entstehen, da ja die Sterblichkeit in diesen Dörfern immer niedriger gewesen ist, als in den Städten, wo es überhaupt keine Düngerhaufen gibt.«

(Aus der Akte 403/13575 im Landeshauptarchiv Koblenz]