Das zerbrochene Rad

Wilma Herzog. Gerolstein

Die heilige Katharina von Alexandrien genoss auch in Roth großes Ansehen. Sie war eine der Vierzehn Nothelfer, die in unserer armen Eifel oft genug dringend um Beistand angerufen wurden. Ihre Statue stand in der Rother Kirche, sie zeigte sie als Märtyrerin mit dem zerbrochenen Rad. Am Katharinentag, dem 25, November, blieb ihr zu Ehren jegliche Arbeit im Dorfe liegen, der Tag wurde feierlich mit einer heiligen Messe begangen.

In jener Zeit, als das folgende geschah, wurde in der Rother Gegend noch Bergbau betrieben. Neben der Eishöhle, die heute noch zugänglich ist, befand sich einer dieser Bergwerkstollen. Es gab damals einen Mann im Dort, der ständig auffiel, weil er sich allen dörflichen Gepflogenheiten entgegensetzte und sich oft sogar mit beißendem Spott darüber äußerte. So auch am Katharinentag, als die gläubigen Bauern und Bergleute unterwegs zur heiligen Messe waren und ihm mit dem Fuhrwerk begegneten. Es sei doch heute Katharinentag, erinnerten sie ihn. Er entgegnete spöttisch; "Och, Kathrengen- dach, op, Kathrengendach af, esch fahre«. Die Kirchgänger würden schon sehen, was mehr einbrächte, die Hände zu falten oder sie zu bewegen.

Während jene die Kirchenschwelle betraten, hatte das Gefährt des Spötters den Stolleneingang erreicht. Die Ochsen sträubten sich, ganz als ob sie die Gefahr ahnten, die im inneren Dunkel lauerte. Er aber trieb sie mit Peitschen- hieben und wildem Schreien hinein. Kaum lagen gut zehn Meter hinter dem Gefährt, da stürzte der Fels mit tosendem Krachen herab und begrub den Eingang.

Alles verzweifelte Bemühen zur Rettung scheiterte an ständig nachstürzenden Felsmassen. Die Hilferufe des Verschütteten und das Gebrüll der'Ochsen war tagelang zu hören, bis es schwächer und schwächer wurde und schließlich ganz verstummte.

Es war um die Jahrhundertwende, als der damalige Rother Pfarrer Weiler in einer Chronik über die Begebenheit las. Er veranlasste, den Stollen zu öffnen. Mit der neuen Technik gelang dies auch. Als man aber nach viel Räumarbeit keinerlei Spur in der vermuteten Richtung fand, sollte die Suche aufgegeben werden. Durch Zufall fiel einem jungen Arbeiter, der wegen der Sommerhitze in einem der alten kühlen Gänge sein Mittagsbrot aß, ein Stück verrostetes Eisen auf. Neugierig geworden, grub er nach und fand den Rest eines eisenbeschlagenen Rades. Nun ging die Suche in dieser neuen Richtung wieder mit aller Kraft voran. Bald stieß man auf die Gerippe von Tieren, schließlich auch auf das Skelett des Spötters. Im Schein der Grubenlampen fiel eine von Steinen befreite Stelle auf. Buchstaben, gezogen im feinen Sand, wurden sichtbar.

Nach all den Jahrzehnten im Dunkel kamen die letzten Worte des Eingeschlossenen ans Licht: Heilige Katharina, bitte für uns.