Der Kurtrierische Hof in Birgel im 17. und 18. Jahrhundert

Hubert Pitzen, Stadtkyll

Das Kurfürstentum Trier besaß bis gegen Ende des 18. Jahrhunderts in Birgel und Lehnerath zwei Lehenshöle. Heute noch besteht in Birgel an gleicher Stelle ein landwirtschaftliches Anwesen.

Seit dem Hochrnittelalter gehörten Dörfer und Höfe den Lehens- oder Grundherren. Für die Hocheifel sind vor allem die Grafen von Manderscheid als Territorialherren zu nennen, da sie im Laufe der Zeit einen stattlichen Eifelbesitz beherrschten. Im 13. Jahrhundert begannen die Grossterrilorien Luxemburg, Jülich, Kurköln und Kurtrier ihren Einfluss in der Eifel zu vergrößern. Dabei lag es in der Natur der Sache, aus fiskalischen Gründen ein Dorf oder einen Hof zu erwerben, denn die Einwohner hatten bestimmte Abgaben zu entrichten. Unter starkem politischen Druck gaben Eifeler Grundherren Gebietsteile oder Höfe gegen Geldzahlungen ab und traten in den Schutz des einen oder anderen Großterritoriums. So gerieten auch die beiden Höfe zu Birgel und Lehnerath wahrscheinlich zur Zeit des Grafen Dietrich II. von Manderscheid (1564-1613) an das Kurfürstentum (Erzstift) Trier. Die Problematik bestand nun darin, dass die Höfe als Trierische Enklaven in der Grafschaft Manderscheid-Gerolstein lagen. Die gräfliche Hofkammer übte auch weiterhin die Landeshoheit und Gerichtsbarkeit in Zivil- und Kriminalsachen aus. Aus diesem Grund standen den Manderscheider Grafen die Hofabgaben in Form von Steuern zu. Verwaltet aber wurden die Höfe von der Kurtrierischen Rentkammer der Abtei Prüm, die auch für die Verpachtung der Höfe die Zuständigkeit besaß. Zwangsläufig kam es im Laufe der Zeit zu einem Kompetenzgerangel zwischen dem .Erzbischof zu Trier und der Manderscheider Hofkammer in Gerolstein, beziehungsweise in Blankenheim.

Einem Kurtrierischen Schreiben an die Gräfin Augusta, datiert vom 23. 10. 1781 in Ehrenbreitstein, entnehmen wir, dass sich die Grafen von Blankenheim in jüngster Zeit die Gerichtsbarkeit über die beiden Höfe aneignen wollten. Ebenso entziehe das Blankenheimer Forstamt dem Kurfürstlichen Hof aufgrund eines Lissendorfer Weistums zwei Drittel der Kaufgelder und den Zehntpfennig. Diese »Neuerungen» könne Kurtrier nicht ungeahndet lassen. Der Erzbischof schlug vor, alle Probleme auszuräumen, um auch weiterhin ein "gut nachbarliches Einverständnis« zu'behalten. Zu diesem Zweck solle eine Konferenz abgehalten werden. Aus dem Blankenheimer Antwortschreiben wird ebenfalls der Wunsch nach einer Zusammenkunft deutlich. Außerdem teilt die Blankenheimer Hofkammer dem Trierer Erzbischof mit, man habe zum Lehensproblem ein Erinnerungsschreiben (Pro-Memoria) erstellt. Als Grundlage hierfür hatten Akten und Urkunden aus der gräflichen Registratur gedient, die dem Schreiben beigefügt waren. Mit Hilfe dieser Schriftstücke wollte man beweisen, dass die Höfe von jeher der Blankenheimer Gerichtsbarkeit unterlagen. Aus den beigefügten Akten, die mit dem Jahre 1597 beginnen, gewinnen wir ein genaueres Bild über Pacht- und Lehensverhältnisse sowie über die Pächter und deren persönlichen Schicksale. Am 24. 10. 1597 bittet der Erzbischof Johann von Trier den Grafen Hans Gerhard von Manderscheid-Gerolstein, den Birgeier Hofmann von ungewöhnlichen Belastungen wie Pferd- und Ochsengeld zu befreien, da sie zusätzlich zu den Reichs- und Landsteuern erhoben worden seien. Blankenheim sah in dieser Bitte ein Einverständnis Triers, dass die gräfliche Hofkammer die gewöhnlichen Belastungen einziehen dürfe.

Aus einem Beschwerdebrief des Erzbischofs Carl Caspar vom 20. 4. 1671 geht hervor, dass Schultheiß und Gericht von Lissendorf Zäune gesetzt hätten, die auf falschen Grenzmarken beruhten. Dies sei zum Nachteil des Hofpächters

Der ehemalige »Kurtrierische Hof« in Birgel. Foto: Josef Esch, Birgel

geschehen. Ein zum Hof mit einem Drittel gehörigen Grundstück sei anderen zuerkannt worden, ohne dass die Rentkammer in Prüm gehört worden sei. Außerdem verlange der Lissendorfer Schultheiß wegen eines mit Hupricht Kirst zur Hälfte genutzten »Pesches« Korn- und Geldzinsen. Man forderte Blankenheim auf, den Hof »ungestört« zu lassen und eine Verfügung an die gräflichen Bediensteten zu erlassen, den Birgeier Hof »bey seiner Freyheit« zu belassen und mit ungewöhnlichen Frondiensten und übermäßiger »Schätzung« zu verschonen.

1696 beklagte der Birgeier Hofpächter das frühzeitige Eintreiben des Birgeier und Lissendorfer Viehs, das dadurch großen Schaden an den Zehntfrüchten angerichtet habe. Nun bat man den Grafen, solche »ungebührliche Viehtrift bis zur völligen Einerdung der Früchte« zu untersagen.

Die übrigen Akten bezeugen in der Tat, dass das gräfliche Haus die Gerichtsbarkeit über die Höfe ausübte. Sie offenbaren gleichzeitig eine menschliche Tragödie, die sich im Jahre 1667 auf dem Birgeier Lehnshof abspielte. Die Akte trägt die Bezeichnung: »Protocoll über die in dem Hof-Pütz ertrunkene Ehefrau des dasigen Halfens de 1667«. Hierbei handelt es sich um den mutmaßlichen Selbstmord der Ehefrau des Hofpächters im Hofbrunnen. Das Protokoll verrät zudem, wie in damaliger Zeit Gerichtsverhöre durchgeführt wurden. Am Mittwoch, dem 7. September 1667, erschienen auf Befehl des Grafen im Schultheißen-Haus in Lissendorf morgens zwischen sieben und acht Uhr die Birgeier Nachbarn des Hofpächters. In Anwesenheit des Bruders und Sohnes des Gerolsteiner Grafen, sowie zweier Schöffen, sollten Informationen über den Vorfall eingezogen werden. Elf Personen mussten zu folgenden acht Punkten Stellung beziehen:

1. Wie haben die Hofleute ihren Ehestand zusammen gelebt?

2. Ob sie sich geschlagen oder sonst »übel gehalten« haben?

3. Was war der Grund?

4. Ob sich die Ehefrau beschwert habe, dass ihr Mann mit anderen »übel« gelebt hätte?

5. Ob sie gehört hätten, dass die Frau sich ertränken oder weglaufen wolle?

6. Ob jemand gesehen habe, wie sie im Brunnen gelegen?

7. Wer sie als erster gefunden habe?

8. Aus welchem Grund sei die Magd abgeschafft worden?

Im anschließenden Verhör äußerten sich folgende Personen: Lambert Müllers, Gerichtsschöffe Jan Theiß, Lambert Hillen, Cäcilia, Tochter des Hofpächters, ihr Ehemann, Friedrich Cläß, Wilhelm Tötschen, Jan Dümmers, Adolph Schütz und Quirin Meltz. Zusammengefasst ergibt sich folgendes Bild über den Vorfall: Als die Hoftochter auf dem Feld arbeitete, bekam sie von ihrem Vater die Nachricht, ihr Säugling würde schreien. Ihrer Mutter hatte sie vorher den Auftrag gegeben. auf die Kinder aufzupassen, da alle außer Haus waren. Nach Hause zurückgekehrt, fand sie die Kinder alleine vor. Sofort vermisste sie ihre Mutter. Dann bemerkte sie, dass die Winde (Haspel) am Brunnen fehlte. Beim Nachsehen fand sie ihre Mutter tot im Brunnen liegen. Schreiend lief sie zu Tötschen Wilhelm und berichtete ihm von dem schrecklichen Fund. Da sich keiner der Männer im Dorf aufhielt, stieg er allein mit Leiter und Seil in den Brunnen und zog die Frau heraus.

Das Verhör erhärtete den Verdacht, dass es sich nicht um einen Unglücksfall, sondern um einen Selbstmord handelte. Das Motiv war eindeutig das Verhältnis zwischen ihrem Mann und der Hofmagd. Obwohl die meisten Zeugen den Hofpächter-Eheleuten eine »normale« Ehe bescheinigten, war ihnen jedoch das Dorfgespräch hierüber zu Ohren gekommen. Der Schwiegersohn gab zu Protokoll, dass sich die Schwiegertochler geäußert hätte, wenn sich dies nicht ändere, dann würde sie etwas tun, dass sie sich schämen müssten. Nach dem Tod der Schwiegermutter habe der Schwiegervater der Magd die Ehe versprochen. Daraufhin war die Magd von Tochter und Schwiegersohn "abgeschafft« worden.

Über eine Stellungnahme des Gerichts erfahren wir aus dem Protokoll leider nichts. Doch über den Streit zwischen Hofpächter Johann Meyer und seinem Schwiegersohn Johann Thielen verraten uns die Akten aus den folgenden Jahren einige interessante Details. Sie erbringen gleichzeitig den Beweis, dass die gräflich-gerolsteinische Hofkammer in dieser Zeit in Lehenssachen die Zuständigkeit innehatte.

In einem Brief an die Hofkammer vom 20. 5. 1671 stellte der Hofpächter dar, dass er laut Vertrag das »Haupt« des Hofes sei und bleibe. Sein Schwiegersohn aber habe die Rentkammer in Trier gebeten, dass er »abziehen« solle. Johann Meyer forderte den Vertrag einzuhalten, da er schließlich seit 1637 als Pächter des Hofes fungiere. Falls der Vertrag aufgehoben werden sollte, so lebe er in der Hoffnung, dass ihm die landesobn'gkeitliche Hand des Grafen geboten werde, damit er nicht vertrieben werde und sich »außerhalb" bewerben müsse. Aus einem späteren undatierten Schreiben des Schwiegersohnes an die gräfliche Kanzlei erfahren wir von der Belehnung des Hofes und der Abweisung des Schwiegervaters. Zum Schluss hören wir noch von einer eher harmlosen Verstrickung des neuen Hofmannes Johann Meyer. Acht Tage vor dem Christfest habe ein gewisser Schütz im Namen des Landboten auf dem Hof vorgesprochen und eine Strafe von zwei Goldgulden eingefordert. Was war geschehen? Der Vorwurf lautete: Er habe das Pferd seines Nachbarn Johann Lutschen mit einem Spaten aus dem »Pesch« getrieben und es dabei verletzt. Dieser Anschuldigung widersprach Meyer, indem er erklärte, dass er weder mit »Rohr, Pistolen, Stecken, Prügel« dem Pferd »am Leib geschädigt» habe. Er habe lediglich ein »Schüppgen« in der Hand gehabt, um einen Graben zu ziehen, damit das Wasser ihm nicht in den Garten laufe. Als er das Pferd sah, habe er es durch eine Öffnung in einer Hecke unverletzt herausgetrieben. Er bat die Gerolsteiner Hofkammer, ihn von der Strafe der zwei Goldgulden zu befreien. Mit diesem Schreiben endet das »Pro-Memora«. Ob es der gräflichen Hofkammer gelang, Kurtrier von der Legalität der Steuereintreibungen zu überzeugen, erfährt man leider nicht.

Quelle:

Herzog von Croy'sches Archiv Dülmen, Archiv Manderscheid-Blankenheim, Nr.8: >>Kurtrierische oder vielmehr Abtei Prüm'sche Lehen zu Birgeln und Lehenroth betr. 17. ff. Jhdts<<