Wer weiß noch, was ein Göpel ist?

Gertrud Knobloch, Bonn

Auf meinem Grundstück steht noch immer ein Relikt aus alter Zeit; ein Betonklotz, rund wie eine Radnabe, aus dem eine starke Eisenstrebe ragte, die man inzwischen flachgeklopft hat, damit die spielenden Kinder in ihrem unbedachten Toben sich nicht daran verletzen können.

Immer wieder werde ich gefragt, was denn eigentlich der Klotz dort soll und ob es der Überrest eines Gebäudes ist, was ich verneinen muss. Was es aber ist, weiß wirklich keiner mehr, selbst wenn ich das Geheimnis lüfte: die Halterung eines Göpels. Dabei ist es erst knapp füntundfünfzig Jahre her, da waren in hiesigen Dörfern noch viele Göpel in Betrieb, ebenso wie andere landwirtschaftliche Maschinen, die heute schon in Museen zu finden sind. Was ein Göpel ist?

Das Herzstück besteht aus einem Zahnrad mit großem Balken daran, in das wiederum ein kleineres Zahnrad greift, von dem eine Stange früher zu den ersten kleinen Dreschmaschinen hinführte und diese mittels weiterem Zahnradantrieb in Bewegung setzte. Dreschen war eine Winterarbeit, denn vom Mähdrusch konnte keine Rede sein. Die Garben wurden auf dem Feld von Hand geschnitten — besonders dann, wenn Gewitter und Wolkenbrüche das Getreide niedergewalzt hatten — oder mittels einer kleinen, meistens von einem Pferd gezogenen Mähmaschine. Das Binden von Hand war meist Arbeit der Frauen. Auch größere Kinder mussten sich hier betätigen, beim Aufstellen der Garben helfen oder beim Abrechen des Feldes, denn kein Halm sollte verlorengehen. Anschließend suchten oft noch Ährenleserinnen das Feld ab meist Frauen aus dem Dorf ohne eigene Getreidefelder. Das Gelesene wurde dann im Winter nach und nach an die Hühner verfüttert, die jeder hielt, ob er nun Land- oder nur Gartenbesitzer war. Erst wenn die Garben in den Hocken gut ausgetrocknet waren, wurden sie aufgeladen und in die Scheune eingefahren, wo auch, soweit vorhanden, die Dreschmaschine stand, die während der Ernte, da sie auf der Tenne störte, in den Hof gefahren wurde. Als Kind kam sie mir immer wie ein Elefant ohne Rüssel vor, groß und rund. Vorn und hinten hatte sie Griffe, unten vier Räder und konnte so bewegt werden. Durch eine Art »Trichter« im oberen Bereich wurde das Getreide Garbe um Garbe aufgeschnitten und fein säuberlich nach und nach hineingestopft. Das ging durchaus nicht hektisch vonstatten, denn sonst bekam die Maschine einen "Hustenanfall" und streikte womöglich, vor allem aber wurde das Stroh dann nicht richtig ausgedroschen und das war wichtig, wollte man doch möglichst jedes Korn aus den Ähren entfernen. Deshalb hatte der "Stopfer" immer eine geschickte Hand, mit der er höchst gleichmäßig und breitgefächert Garbe um Garbe in die Maschine legte, eine Prozedur, die durchaus sechs Wochen in Anspruch nehmen konnte, je nach Üppigkeit der Getreideernte.

Was die Maschine zum Laufen brachte, war nicht Elektrizität, war auch kein Traktor mit Laufrad für einen Treibriemen, sondern lediglich die übertragene Kraft eines an den Göpelbaiken gespannten Pferdes, das immer im Kreise rundgetrieben wurde. So setzte es die verschiedenen Zahnräder in Bewegung, deren Kraft schließlich auf die Maschine überging. Man brauchte also schon zwei Personen gleichzeitig zum Pferdetreiben und Stopfen. Damit war es aber nicht getan, denn das ständig aus der Maschine kommende Stroh musste weggeräumt und aufgestapelt werden; weniger oft war der an einem kleinen Trichter angebundene Getreidesack unter der Maschine zu entfernen, sobald er voll war. Kein Wunder, dass auch die Kinder, meist reichlich in den Familien vorhanden, schon früh mithelfen mussten und ebenso die jüngeren und älteren Frauen. Es gab überhaupt so viele und verschiedenartige Arbeiten auf einem kleinen Hof zu erledigen, dass besonders im Sommer, wenn es auch noch auf Wiese und Feld ging, alle mithelfen mussten. Etwas Besonderes beim Dreschen war noch die Spreu oder »Kaaf«, die am anderen Ende aus der Maschine kam. Auch sie musste weggeschafft und gehortet werden, wozu an den meisten Maschinen eine Vorrichtung wie ein überdimensionales Ofenrohr angebracht war, das die Spreu gleich in einen dafür vorgesehenen abgeschlossenen Verschlag leitete. Sie war wertvoller Ballaststoff fürs Vieh und wurde im Winter unter die gemahlenen Runkelrüben gemengt. Doch das ist wieder eine andere Geschichte.

Leider kann ich die heutige nicht mit einem "Happy-End- abschließen, denn ich muss noch erwähnen, dass mein Großvater beim Göpeltreiben verunglückte. Er zog sich nur eine kleine Wunde zu, als er irgendwie stürzte. Doch es genügte, dass er eines qualvollen Todes sterben , musste. Tetanusimpfungen waren damals noch unbekannt oder man nahm es zu leicht damit. Der Großvater jedenfalls, erst sechzigjährig, musste an Wundstarrkrampf elend zugrundegehen. Der Schnee hat meterhoch gelegen, als er beerdigt werden sollte, und sämtliche Männer des Dorfes mühsam die Straße ins Kirchdorf freischaufeln mussten, erzählte mir später die Großmutter, während ihr Tränen in den Augen standen. Für sie, mit acht, teils noch unmündigen Kindern, war das damals die härteste Zeit ihres Lebens, als man ihren geliebten Michel zu Grabe trug.