Aktuelles Kreisgeschehen

Daun entging nur knapp einer Katastrophe

- Lkw raste in die Innenstadt -

Friedbert Wißkirchen, Daun

Der 20. April 1995 wird vielen Daunern und Besuchern nachhaltig in Erinnerung bleiben. Die Kreisstadt Daun entging nur knapp einer Katastrophe, als um 11.20 Uhr ein mit Aluminium-platten beladener 40-Tonnen-Sattelschlepper mit Bremsversagen in die Innenstadt raste. Was war geschehen?

Der belgische Sattelschlepper war auf der Fahrt von St. Vith nach Koblenz. Von Dockweiler über die B 421 nach Daun kommend, bemerkte der Fahrer unterhalb des Feriendorfs »Dronkehof«, dass die Bremsen versagten und er das Fahrzeug nicht mehr zurückschalten konnte. Mit Hupe und Lichthupe, die Autos warnend, die vor ihm fuhren, raste er auf die vielbefahrene Kreuzung Dockweiler Straße/Bonner/Bitburger Straße zu. Nach links, in die Bonner Straße abbiegen, war dem Fahrer nicht möglich, weil dort mehrere Pkw standen. Hupend steuerte er sein Fahrzeug über die rot zeigende Ampel in die Leopoldstraße, Nur haarscharf entgingen einige Pkw auf der Bonner/Bitburger Straße dem heranrasenden Ungetüm. Der schlingernde Sattelauflieger prallte in der Leopoldstraße gegen mehrere Fahrzeuge, die ihm entgegenkamen oder abgestellt waren. Die Pkw wurden wie Pappschachteln zur Seite oder gegeneinander geschleudert. Zentnerschwere Blumenkübel wurden im Bereich des Hotels Heines und des Hotels Stadt Daun in einem für Fahrzeuge gesperrten Fußgängerbereich durch den Anprall des Lkws auseinandergerissen; Betonteile flogen zwanzig, dreißig Meter weit. Ein Pkw, der vor dem Hotel Heines abgestellt war, fand sich später vor dem Bürgersteig bei der Kreissparkasse wieder. Mit großem fahrerischem Geschick steuerte der Belgier das schleudernde Fahrzeug durch das schmale Straßenstück zwischen dem Geschäft Minninger und den riesigen Pflanzkübeln, die die Leopoldstraße teilen. Später e/zählte er, dass er auf dieser Mittelinsel seinen Lkw abbremsen wollte, aber Fußgänger, die sich in diesem Bereich aufhielten, machten dies unmöglich. Vorbei am »Forum Daun" wollte der Mann am Haus Hunz, am Burgaufgang, sein Fahrzeug abbremsen, riss aber nur ein riesiges Loch in die Fassade und schleuderte dann quer über die Burgfriedstraße auf das Modehaus Even zu, wo sich sein Fahrzeug unter die Schaufensterüberdachung schob und zum Stillstand kam. Der im Fahrerhaus eingeklemmte Fahrer konnte sich noch selbst befreien und die Dieselzufuhr des Motors durchtrennen. Fazit der "Amokfahrt«: Die Leopoldstraße bot ein Bild der Verwüstung - Schäden von etwa 1,2 Millionen DM waren zu verzeichnen. Davon erhebliche Sachschäden in den Geschäftshäusern Even und Hunz, zehn gerammte Fahrzeuge, davon sieben mit Totalschaden, erhebliche Schäden an öffentlichen Einrichtungen, aber -Gott sei Dank - wie durch ein Wunder nur sieben leichtverletzte Personen und der Fahrer, der rund eine Woche mit einer D lese l Vergiftung im Krankenhaus verbringen musste. Die Dauner Schutzpolizei, das Deutsche Rote Kreuz, die Feuerwehr und die städtischen Arbeiter

Der LKW kam unter dem Vordach des Modehauses Even zum Stillstand

Foto: Florian Kellermann, TV Daun

waren bis in die Abendstunden damit beschäftigt, Schäden aufzunehmen, provisorisch zu beseitigen und die beiden beschädigten Häuser zu sichern.

Nachdem feststand, dass es im großen und ganzen beim Sachschaden geblieben war, machte sich trotz des Schreckens, der den Augenzeugen noch anzusehen war, gleichzeitig Erleichterung breit. »Gottlob keine Toten«. »Was hätte alles passieren können . . .«. »Nicht auszumalen was passiert wäre, wenn heute Markttag gewesen wäre.« »Daun hatte einen Schutzengel . . . oder ... wir haben großes Glück gehabt, der liebe Gott war heute ein Dauner.« Das waren nur einige Aussagen, die verdeutlichen, was alles in zwei Minuten hätte passieren können. bilder wie in Herborn, Betzdorf und anderen Städten - wo Tote und Schwerverletzte nach Lkw-Unfällen durch versagende oder unzureichende Bremsanlagen zu beklagen waren, hatten wahrscheinlich viele Menschen vor Augen.

Daun war bundesweit mit der Schlagzeile von der »Beinahe-Katastrophe« in den Medien. Auf sie kann man jedoch gerne verzichten. Wann erhalten die Geschädigten Geld, um die Schäden zu beseitigen? Wenn der Unfall auf höhere Gewalt, also ohne Verschulden des Lkw-Halters oder des Fahrers zurückzuführen ist, beträgt die Versicherungssumme nur 100 000,- DM. Nur wenn ein Verschulden nachgewiesen werden kann, können die Geschädigten auf die volle Entschädigungssumme hoffen. Zwischenzeitlich liegt der Staatsanwaltschaft Trier ein Sachverständigengutachten vor, das nachweist, dass die Bremsanlage zum Zeitpunkt des Unfalls Mängel aufgewiesen hat. Bleibt nur zu hoffen, dass den Geschädigten bald Ersatz gezahlt wird. Wenn bei 1,2 Mio. DM Schadenshöhe und 100 000,- DM Entschädigungssumme nur acht Prozent ersetzt würde, wäre dies für die Betroffenen wirklich eine »Katastrophe« mit existenzbedrohendem Ausmaß.