Der »böse Wolf« -

Sagen, Märchen, Erzählungen

Hubert Pitzen, Stadtkyll

Die Wolfsplage bot schon immer viel Stoff für abenteuerliche Erzählungen, eine ist aus dem Jahre1811 überliefert:

Zwei junge Burschen hatten eine Wolfshöhle ausfindig gemacht, in der die Wölfin mit zwei Jungen hauste. Nachdem sie sich vergewissert hatten, dass die Wölfin die Höhle verlassen hatte, kroch einer von ihnen hinein und erfasste die beiden Jungtiere. Doch plötzlich kam die Wölfin zurück. Der Wachhaltende ergriff die Flucht, aber ebenso die Wölfin. Der so dem Angriff der Wölfin entronnene Bursche nahm die jungen Wölfe unbehelligt mit ins Dorf und legte sie an einer Kette fest. Man erzählte sich, dass in den folgenden Nächten ein ganzes Rudel Wölfe das Dorf umschlich, bis es sich nach dem Abschuss einiger Tiere verzog.

Auch Ostbelgien wurde von Wolfsplagen nicht verschont. 1835 soll sich bei Malmedy folgende Geschichte ereignet haben:

»Ein rasender Wolf, der seit einigen Tagen der Schrecken der Landbewohner war und bereits mehrere Schafe und Hunde erwürgt hatte, war am 21. September bis in Nähe des Dorfes Brueres gedrungen, wo er bereits ein Schaf aus der dortigen Herde mit sich fortgeschleppt halte und im Begriffe war, von neuem in dieselbe einzudringen, als der Ackerer Nicolaus Boormann von Büllingen zufällig vorbeikam. Das Angstgeschrei des Schäfers, der sich auf einen Baum geflüchtet hatte, machte diesen kühnen Mann auf das Vorhandensein irgendeiner Gefahr aufmerksam, und kaum hatte er das wütende Tier gewahrt, als er, nicht bedenkend, dass er bloß mit einem Knüttel versehen, den Kampf mit einem so furchtbaren Gegner unternahm und dem Tier einen so heftigen Schlag auf den Kopf versetzte, dass er taumelnd mehrere Schritte zurückwich. Das gereizte Tier wollte sich eben zur Gegenwehr setzen, als der Ackerer Boormann, dem man inzwischen eine eiserne Harke zugeworfen hatte, ihm damit einen solchen Streich auf den Hinterkopf beibrachte, dass er mit ihm zu gleicher Zeit niederstürzte. Glücklicherweise waren mehrere Landleute, die diesen ungleichen Kampf in einer gewissen Entfernung mit angesehen hatten, herbeigeeilt, um den Wolf vollends zu töten. Der Ackerer Boormann kam ohne alle Verletzung aus diesem gefährlichen Wagestücke und seine ebenso kühne als aufopfernde Handlung ist der höheren Behörde zur öffentlichen Anmerkung und Belohnung angezeigt worden. Die späterhin von dem Tierarzte Drosse zu Amel bewirkte Obduktion ließ übrigens keinem Zweifel Raum, dass der Wolf wirklich rasend gewesen und sich im zweiten Stadium der Krankheit befand.« Erinnerungen an die Wolfsplage ruft das Märchen "Der letzte Wolf in Müllenborn« wach. Vor Jahrzehnten erzählten die Großeltern ihren Enkeln in Müllenborn folgendes Märchen: »In einer dunklen Nacht haben Diebe das Dorf Oos heimgesucht und soviel Fleisch erbeutet, dass sie auf dem »Ketten» {Gemarkung Oos) einen Schinken verloren. Der Wolf fand den Schinken, beschnupperte ihn und sagte: »Schinken mag ich nicht, von Schweinefleisch kriegt man »GRIMM in den Leib«. Er ließ den Schinken liegen und ging. Er traf zwei Widder, die in Streit geraten waren und eine Wiese teilen wollten. Der Wolf sollte beim Teilen helfen und dafür ein Schaf erhalten. Deshalb musste er sich in die Mitte stellen. Die Widder nahmen sich einen Anlauf und stießen mit einer solchen Wucht auf den nichtsahnenden Wolf, dass ihm ganz elend wurde und er den Platz räumen musste. Dann kam er an "Schäfer Bent« (Wiese am Bahnhof). Dort weidete ein Pferd mit seinem Füllen Der Wolf hatte es längst auf das Füllen abgesehen und begehrte es auch diesmal. Das Pferd stellte sich, als ginge es lahm und sagte; »Wolf, wenn du mir den Dorn aus dem Hufe ziehst, so ist das Füllen dein-. Der Wolf war einverstanden, und als er den Dorn herausziehen wollte, versetzte ihm das Pferd einen solchen Schlag auf die Schnauze, dass er kopfüber in den nahen Bach fiel. Schnell lief das Pferd mit seinem Füllen in den Stall. Am anderen Tage kam er zum Müllenbach und traf dort eine Sau mit elf Ferkeln. Der Wolf hätte gern ein Ferkel gehabt; aber die Sau sagte, sie seien zu schmutzig, wenn er helfe die Ferkel waschen, so wäre das schönste sein. Fleißig legte er Hand an, und als sie fertig waren, musste der Wolf sich ans Mühlenrad stellen, damit die Sau ihm das schönste Ferkel aussuche. Diese aber hieb nun plötzlich so auf ihn ein, dass er über das Mühlenrad hinweg in den Oosbach flog. Nachdem er sich mit großer Mühe aus dem Bache herausgeschafft hatte, ging er ganz enttäuscht in die Gerberei, in der sich gerade Ziegen aufhielten. Der Wolf hatte große Lust auf ein Zicklein. Die Ziegen wurden mit ihm einig, wenn er ein Lied sänge, dürfte er das schönste Söckchen aussuchen. Nun erhob der Wolf ein solch erbärmliches Geschrei, dass die Bauern herbeigelaufen kamen und er mit größter Not davon kam. Ganz des Lebens müde, setzte er sich unter eine Pappel und rief: »Herr Jupiter, schmeiß das Beil von oben her, schmeiß es in meinen Rücken, dass ich von dieser krummen Welt kann rücken.« »Das kann geschehen^, rief Hennes Johannespitter, der gerade auf der Pappel saß und die Pappeln köpfte. Er warf ihm die Axt mit solcher Wucht auf den Kopf, dass sich dieser spaltete und Isegrim sein Leben aushauchte. Von dieser Zeit an wurde kein Wolf mehr in Müllenborn gesehen.«

Literatur:

Bömmels, Wölfe in der Eifel, in. Eifelvereinsblatt 1926, Nr. 11

"Der letzte Wolf von Müllenbrn« nach dem Volksmund erzählt von Lehrer Loch, Müllenborn, in : Eifelvereinsblatt 1927 Nr. 11

Frank, Wolfsplagen in der Eifel in vergangenen Zeiten, in : Eifelvereinsblatt 1931, Nr. 2.

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